Die Kritiker des «Manifests für Frieden» von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer vergreifen sich im Ton
Natürlich darf man für den Frieden demonstrieren (NZZ)
von Oliver Maksan Redaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» in Deutschland, 23.02.2023
von Oliver Maksan Redaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» in Deutschland, 23.02.2023
Mit dem Samstag naht der Tag, an dem die Kritiker deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine auf die grosse nationale Bühne drängen. Die geplante Demonstration am Brandenburger Tor, zu der die feministische Ikone Alice Schwarzer, die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und Angela Merkels ehemaliger Militärberater Erich Vad eingeladen haben, erregt die Gemüter immer stärker. Mit der Sichtbarkeit des Protests – Busse sollen Menschen aus ganz Deutschland in die Hauptstadt karren – nimmt die Schärfe zu, mit der die Initiative kritisiert wird. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen. Mobilisierung löst Gegenmobilisierung aus, das ist demokratische Normalität. Allerdings fällt der herablassende Ton auf, ohne den viele Kritiker nicht auszukommen glauben. Von den «Friedenskünstlern» um Schwarzer und Wagenknecht ist in einer Gegenpetition sarkastisch die Rede. Sie ist eine Antwort auf das von Schwarzer und Wagenknecht initiierte «Manifest für Frieden», das Kanzler Olaf Scholz dazu aufruft, sich für einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine einzusetzen. Das Manifest hatte bei Redaktionsschluss dieses Newsletters bereits mehr als 600 000 Unterschriften.
«Verlogen» und «gewissenlos»
Der sonst besonnene Politikwissenschafter Herfried Münkler ordnete die Petition von Schwarzer und Wagenknecht gar als «verlogen», «kenntnisloses Dahergerede» und «gewissenlos» ein, und seine Äusserungen gipfelten im Vorwurf der «Komplizenschaft mit dem Aggressor» Putin. Der «Spiegel»-Kolumnist Sascha Lobo spottete mit Blick auf die bevorstehende Demonstration über «Friedensschwurbler», die hauptsächlich Frieden mit sich selbst suchten. Er unterstellte einer angeblich von Antiamerikanismus zusammengehaltenen «Querfront» einen spezifisch deutschen Ukraine-Hass.
Man fragt sich, woher diese überschießende, unter die Gürtellinie zielende Rhetorik kommt. Natürlich, es geht um Krieg und Frieden in Europa. Und Angriffsflächen für Kritik gibt es in der Petition von Schwarzer und Wagenknecht reichlich; dazu gleich mehr. Aber Moralisierung und Pathologisierung sind von allen Möglichkeiten, darauf zu reagieren, wohl die schlechtesten. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa stimmt immerhin eine relative Mehrheit von 39 Prozent der Deutschen den im Manifest erhobenen Forderungen ganz oder «eher» zu. 38 Prozent widersprechen.
Es gibt eine deutsche Putin-Bewunderung und einen deutschen Antiamerikanismus, keine Frage. Allein, beides erklärt nicht die hohen Zustimmungswerte für das Manifest – die Furcht vor Eskalation, im schlimmsten Fall hin zu einem Atomkrieg, und die Absicht, das Sterben und Leiden zu beenden, erklären sie schon eher.
Die legitime Sorge, Kriegspartei zu werden
Glaubt man dem im Auftrag der ARD erhobenen «Deutschlandtrend», dann macht sich eine wachsende Zahl von Bundesbürgern große oder sehr große Sorgen, «dass Deutschland direkt in den Krieg hineingezogen werden könnte». Immerhin 59 Prozent sind dieser Auffassung. 58 Prozent der Befragten gehen die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Krieges nicht weit genug.
Es sind nicht nur Wähler der AfD oder der Linkspartei, die eine militärische Unterstützung der Ukraine ablehnen. Selbst eine Mehrheit der Wähler der FDP sieht die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine als Fehler an.
«Verlogen» und «gewissenlos»
Der sonst besonnene Politikwissenschafter Herfried Münkler ordnete die Petition von Schwarzer und Wagenknecht gar als «verlogen», «kenntnisloses Dahergerede» und «gewissenlos» ein, und seine Äusserungen gipfelten im Vorwurf der «Komplizenschaft mit dem Aggressor» Putin. Der «Spiegel»-Kolumnist Sascha Lobo spottete mit Blick auf die bevorstehende Demonstration über «Friedensschwurbler», die hauptsächlich Frieden mit sich selbst suchten. Er unterstellte einer angeblich von Antiamerikanismus zusammengehaltenen «Querfront» einen spezifisch deutschen Ukraine-Hass.
Man fragt sich, woher diese überschießende, unter die Gürtellinie zielende Rhetorik kommt. Natürlich, es geht um Krieg und Frieden in Europa. Und Angriffsflächen für Kritik gibt es in der Petition von Schwarzer und Wagenknecht reichlich; dazu gleich mehr. Aber Moralisierung und Pathologisierung sind von allen Möglichkeiten, darauf zu reagieren, wohl die schlechtesten. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa stimmt immerhin eine relative Mehrheit von 39 Prozent der Deutschen den im Manifest erhobenen Forderungen ganz oder «eher» zu. 38 Prozent widersprechen.
Es gibt eine deutsche Putin-Bewunderung und einen deutschen Antiamerikanismus, keine Frage. Allein, beides erklärt nicht die hohen Zustimmungswerte für das Manifest – die Furcht vor Eskalation, im schlimmsten Fall hin zu einem Atomkrieg, und die Absicht, das Sterben und Leiden zu beenden, erklären sie schon eher.
Die legitime Sorge, Kriegspartei zu werden
Glaubt man dem im Auftrag der ARD erhobenen «Deutschlandtrend», dann macht sich eine wachsende Zahl von Bundesbürgern große oder sehr große Sorgen, «dass Deutschland direkt in den Krieg hineingezogen werden könnte». Immerhin 59 Prozent sind dieser Auffassung. 58 Prozent der Befragten gehen die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Krieges nicht weit genug.
Es sind nicht nur Wähler der AfD oder der Linkspartei, die eine militärische Unterstützung der Ukraine ablehnen. Selbst eine Mehrheit der Wähler der FDP sieht die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine als Fehler an.
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