13 Januar 2024

The Pioneer Briefung - Sozialleistungen: Wie der Staat seine Bürger von der Arbeit abhält

Sozialleistungen
Wie der Staat seine Bürger von der Arbeit abhält
Das Bürgergeld soll Erwerbspersonen, die unverschuldet ihren Job verlieren, ein schnelles Comeback in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Doch es lädt ein zu Missbrauch, Willkür – und geschickter Einkommensvermehrung. Experten fordern eine Reform.
Eberhard Sasse sucht Arbeitskräfte. Der Aufsichtsratsvorsitzende und langjährige Chef des Facility-Dienstleisters Dr. Sasse AG beschäftigt rund 9000 Mitarbeiter. Die Arbeitskräfte für den Reinigungs- und Sicherheitsbereich sollen integer, verlässlich und motiviert sein. Sie müssen keine akademischen Überflieger sein. Aber Sasses Joboffensive stockt. Er findet keine Leute.
„Wir stehen in direkter Konkurrenz zum Bürgergeld“, sagt Sasse. „Gerade im Bereich der einfachen Dienstleistungen können wir nicht mehr mithalten – Geld ohne Gegenleistung gibt es bei uns nicht.“

Die Personalsuche werde „immer schwieriger“, sagt Sasse. „Kaum noch Leute bewerben sich bei uns. Mittlerweile haben wir 450 offene Stellen – das ist jeder zwanzigste Posten. Das muss jetzt durch Überstunden der Mitarbeiter abgearbeitet werden und belastet das Personal noch mehr.“

450 offene Stellen – bei 2,6 Millionen Arbeitslosen.

Wie Sasse wundern sich deutschlandweit viele Unternehmer, dass ihnen Bewerber fehlen. Das Bürgergeld – gedacht als Grundversorgung während der Arbeitssuche – lädt offenbar immer mehr Bezieher „zum Bleiben“ ein. Viele könnten arbeiten. Aber das Bürgergeld macht mitunter träge, demotiviert – und sorgt für kreative Einkommensbiografien.

Rund 5,5 Millionen Bürgergeld-Empfänger gibt es derzeit. Davon sind 2,6 Millionen Menschen arbeitslos, eine Million schon lange Zeit. Auch in den 5,5 Millionen enthalten sind Teilzeit-Arbeiter, die mit dem Bürgergeld auf das Existenzminimum aufstocken. Der Steuerzahler pumpt jedes Jahr rund 24 Milliarden Euro in das System. Das ist deutlich mehr Geld, als der Bundesbildungsministerin zur Verfügung steht.

100.000 weniger Empfänger würden den Haushalt um zwei bis drei Milliarden Euro entlasten - je nachdem, ob man den Mindest- oder den Durchschnittslohn zu Grunde legt, so eine Rechnung der CDU. Der Staat spare einerseits das Bürgergeld und habe gleichzeitig mehr Einnahmen durch Steuer- und Sozialabgaben zur Verfügung.

Die Frage muss also gestellt werden: Wäre es nicht an der Zeit, das System zu reformieren? Oder zugespitzter gefragt: Verschwendet der Staat hier Geld und Arbeitskräftepotenziale im großen Stil?

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) machte Anfang des Jahres einen ersten Aufschlag. Er hat – mit deutlicher Zeitverzögerung – den Totalverweigerern den Kampf angesagt, zumindest soll es so aussehen. Wer sich zumutbarer Arbeit entgegenstelle, dem werden die Bezüge gestrichen. In der Opposition halten das viele für einen unnützen Placebo- und Showeffekt. Hoch sind die Ersparnisse tatsächlich nicht. Ökonomen fordern eine viel grundsätzlichere Reform.

Die Experten kritisieren vor allem sieben Fehlanreize des Systems:

#1 Das Bürgergeld steigt stark

Wer unverschuldet seinen Job verliert, der kann sich auf das Grundprinzip des Sozialstaats verlassen: Die Existenz wird ihm garantiert. Dazu gehören die Kosten für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie oder persönliche Extra-Bedürfnisse. In der Berechnungsgrundlage des Bürgergelds fließen zahlreiche Elemente des täglichen Bedarfs ein.

Hinzu kommen die Ausgaben für Wohnen und Heizen. Auch die übernimmt der Staat im Leistungsfall. Familien mit Kindern erhalten zusätzliches Kindergeld.

Zum Jahresbeginn ist das Bürgergeld um zwölf Prozent gestiegen – für Alleinstehende auf 563 Euro, ohne Wohn- und Heizgeld. Der Grund: In die Berechnung floss die zu erwartende Inflation hinein, die auf Basis einer Schätzung Anfang 2023 gemacht wurde. Damals stand die Inflation auf ihrem Höhepunkt, das Bürgergeld wurde mit Beginn des Jahres automatisch um 12 Prozent angepasst. Kaum ein Arbeiter hat diese Steigerung mit nach Hause nehmen können. Der Mindestlohn ist 2024 nur um 3,4 Prozent gestiegen.
Ökonom Clemens Fuest vom ifo Institut in München warnt vor Fehlentwicklungen und falschen Anreizen beim Bürgergeld. Fuest rechnete vergangene Woche der CSU-Spitze bei der Klausurtagung in Seeon ein Beispiel vor:

Ein Ehepaar mit zwei Kindern kommt auf ein Bruttoeinkommen in Höhe von 3.000 Euro pro Monat. Der Stundenlohn liegt bei 20 Euro, einer der beiden arbeitet 37,5 Stunden pro Woche. Das Ehepaar überlegt, 100 Stunden pro Monat mehr zu arbeiten. Das wären 25 Stunden pro Woche mehr, also eine „Zweidrittelstelle“. Das Bruttoeinkommen steigt demnach von 3.000 auf 5.000 Euro.

Das verfügbare Einkommen würde laut ifo-Berechnungen nach Abzug von Miet- und Heizkosten und bei Inanspruchnahme aller möglichen Sozialleistungen um lediglich 32 Euro steigen. Das wären 0,32 Euro mehr pro Stunde. Man muss kein Ökonom sein, um zu erkennen, dass die Motivation zur Mehrarbeit im Keim erstickt wird.

Das ifo Institut gibt dem Bürgergeld auch deshalb einen Denkzettel, bescheinigt ihm einen „erheblichen Reformbedarf“.

#2 Das Bürgergeld erstickt die Anreize zur Arbeitsaufnahme

Das Bürgergeld soll Arbeitslose wieder in Arbeit bringen. Die Grundidee: Wer eine neue Arbeit aufnimmt, darf einen Teil des Einkommens behalten. Der Verdienst wird also gar nicht oder zumindest nicht komplett verrechnet mit dem Bürgergeld. Das soll den Anreiz erhöhen, neue Jobs anzunehmen – und idealerweise bald ganz und freiwillig aus dem Arbeitslosensystem auszusteigen.

Bei den Hinzuverdienstgrenzen das richtige Maß zu finden, ist nicht einfach. Experten zufolge ist die Bremswirkung inzwischen hoch.

Das aktuelle System sieht vor: Wer bis zu 100 Euro dazuverdient, darf alles behalten. Danach werden bei einem Hinzuverdienst von 100 bis 520 Euro 20 Prozent und ab 520 bis 1.000 Euro 30 Prozent auf die Sozialleistung angerechnet. Ab 1.000 Euro wird das Hinzuverdienen aber völlig unattraktiv, weil nur noch zehn Prozent des Hinzuverdienstes behalten werden dürfen.

Ein Experten-Gutachten unter Leitung von Andreas Peichl vom ifo Institut, das von Arbeitsminister Heil selbst in Auftrag gegeben wurde, legt die fragwürdige Konstellation bei den Hinzuverdiensten offen. Darin urteilt Peichl hart über das jetzige Bürgergeld: Es gebe „einen weiterhin erheblichen Verbesserungsbedarf in den Erwerbsanreizen, die von den Systemen der sozialen Sicherung in Deutschland ausgehen.“

Peichl hat auch eine Idee: Er schlägt vor, den betroffenen Beschäftigten deutlich mehr von ihrem Lohn zu lassen als bisher, indem ihnen weniger Sozialleistungen gestrichen werden. So könne sich Arbeit tatsächlich wieder lohnen – auch aus der Perspektive eines Bürgergeld-Empfängers. Und das Bürgergeld wirke dann wie ein "Trampolin" in den Arbeitsmarkt.

Die CDU fordert inzwischen einen kompletten Kurswechsel. Vor wenigen Tagen trafen sich führende Politiker der Union in Heidelberg, um eine neue Beschlusslage für den Bundesvorstand der CDU vorzubereiten. In der Heidelberger Erklärung heißt es, dass die Christdemokraten „das von der Ampelregierung eingeführte ‚Bürgergeld’ wieder abschaffen“ wollen.

Im Kern fordert die CDU ein Zurück zu der Vor-Bürgergeld-Ära – und eine Zweiteilung der Sozialleistung. „Wer lange Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat und arbeitslos wird, bekommt mit dem Arbeitslosengeld eine Versicherungsleistung“, heißt es in dem Eckpunktepapier. „Wir wollen, dass für langjährig Versicherte das Arbeitslosengeld in den ersten Monaten einer nicht selbst verschuldeten Arbeitslosigkeit höher ist als heute.“

Anders sieht es dann beim zweiten Teil der Arbeitslosenhilfe aus, dem früheren Hartz IV. Dieser sei eine von der Allgemeinheit zu zahlende Sozialleistung, „die sich nach Bedürftigkeit“ ausrichte. Die Union fordert „erhöhte Mitwirkungspflichten und Sanktionsmöglichkeiten für arbeitsfähige Leistungsbezieher“. Der Bezug müsse so schnell wie möglich beendet werden.

CDU-Politiker Mathias Middelberg geht Arbeitsminister Heil deshalb scharf an: „Er weiß um den Missstand, verteidigt jedoch ein ungerechtes Bürgergeld-System, nur um den Parteifrieden in der SPD nicht zu belasten.“

Auch innerhalb der Ampel werden die kritischen Stimmen lauter. Christian Dürr, Fraktionsvize der FDP, sagte The Pioneer, es gebe im Bürgergeld immer noch Elemente aus dem alten Hartz-IV-System, die Leistung eher bestrafen als honorieren. Dürr betonte:

"Vielen Beziehern wird die Motivation genommen, Arbeit aufzunehmen".

Das müsse sich ändern. Die Bundesregierung müsse „noch in dieser Legislaturperiode das Anreizsystem beim Bürgergeld verbessern“.

#3: Das Bürgergeld zementiert die Teilzeit-Gesellschaft

Als Homo Oeconomicus berechnet jeder für sich, ob Kosten und Nutzen im Gleichgewicht stehen. Viele kommen zu dem Schluss: Am meisten nützt mir der Bezug von Bürgergeld mit einer zusätzlichen Teilzeit-Stelle. Die wird kaum besteuert und mir wird das Leben und die Wohnung vom Staat finanziert.

Auch die aus Polen stammende Unternehmerin Urszula Wessler leidet unter diesem Phänomen. Sie ist Inhaberin eines Nagelstudios in Osnabrück und beklagt: „Ich bekomme überhaupt keine Bewerbungen mehr.“

Wenn sie dann doch eine Bewerberin vom Arbeitsamt geschickt bekam, sagte ihr die Frau, 13 Euro in der Stunde lohnten sich nicht für sie in der Ausbildung. Bewerberinnen für Vollzeitstellen bekomme sie eh kaum noch: „Fast alle wollen Teilzeit arbeiten.“

#4 Das Bürgergeld erschwert die Integration

Das Bürgergeld geht fast zur Hälfte an ausländische Staatsbürger
Links: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Nationalität, im September 2023

Den fehlenden Arbeitsanreiz nutzen nicht nur Deutsche. Fast die Hälfte der Bürgergeld-Empfänger haben inzwischen einen ausländischen Pass.
Den größte Anteil daran machen Ukrainer aus. Sie bekamen Bürgergeld von Anfang an. Normalerweise steigen Ausländer über das Asylbewerberleistungsgesetz in das Sozialsystem ein.
Inzwischen erlebt die Politik die Kehrseite der Integrationsmaßnahme. Während ukrainische Kriegsflüchtlinge in Ländern wie Polen, Tschechien, aber auch Dänemark zu zwei Dritteln und mehr arbeiten, liegt der Anteil in Deutschland bei 18 Prozent, wie aus einer Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung zu entnehmen ist.

Der Autor der Analyse, Dietrich Thränhardt, hält dies für besorgniserregend: „Arbeit ist ein Schlüssel zur Integration. Wenn man eigenes Geld verdient, erwirbt man Selbstvertrauen und Respekt, hat Kontakte auf gleicher Ebene und lernt damit auch die Sprache schneller.“

Ziel der Ampel sei es stattdessen, dass die Ukrainer nicht gezwungen sein sollen, Hilfsjobs anzunehmen. Sie sollten nach Möglichkeit in ihren erlernten Berufen arbeiten und dafür erstmal Sprachkurse belegen.

Doch auch hier fehlen die Anreize: Seit Juni 2022 bekommen Ukrainer unbefristet den regulären Bürgergeld-Satz, der aktuell bei 563 Euro für alleinstehende Erwachsene liegt. Pro Kind gibt es noch mal Hunderte obendrauf. Auch die Wohn- und Nebenkosten werden bei Bedarf übernommen.

Anders ist es im europäischen Ausland: In Tschechien bekommen Ukrainer eine monatliche Soforthilfe von umgerechnet 200 Euro – nach fünf Monaten nur noch 130 Euro. Auch die Krankenversicherung und die Kosten für die Unterbringung in einer Sammelunterkunft werden inzwischen nur noch befristet übernommen. Die Ukrainer werden so zum Arbeiten animiert.

In Polen kann auf Antrag eine Einmalzahlung von umgerechnet 66 Euro sowie Kindergeld in Höhe von 110 Euro pro Monat ausgezahlt werden; darüber hinaus gibt es keine Sozialhilfe mehr. Wer länger als vier Monate in einer Sammelunterkunft lebt, muss die Kosten zur Hälfte selbst übernehmen.

Die Osnabrücker Unternehmerin und gebürtige Polin Urszula Wessler, die öfter bei der Familie in Polen zu Besuch ist, berichtet: „Überall, egal ob im Supermarkt, Nagelstudio oder Handwerksbetrieb, sieht man ukrainische Flüchtlinge, die arbeiten. In Deutschland sehe ich kaum welche.“

Heißt: Die Flüchtlinge werden im Gastgeberland angehalten, zu arbeiten, um sich selbst zu versorgen und auch am effektivsten zu integrieren – in Deutschland nicht. Und nicht nur Ukrainer führt das zu uns. Auch unter Syrern und Afghanen ist Deutschland einer der beliebtesten Zufluchtsorte.

#5 Das Bürgergeld sanktioniert nur symbolisch

Wer nicht arbeiten will, wird sanktioniert – so steht es im Regelstatut. Die Höhe davon schwankt aber stark: Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2019 sieht man einen deutlichen Knick in der Höhe der Sanktionen. Damals wurde die Höhe der Sanktionierungen für verfassungswidrig erklärt. Seitdem kann man Arbeitsverweigerern bei Vertragsverletzungen weniger stark Geld wegnehmen.

Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) liegt „der Anteil der sanktionierten erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Bürgergeldbezug“ derzeit bei 0,6 Prozent.

Kommt jetzt die Rolle zurück? Der neue Plan von Hubertus Heil sieht vor, dass Totalverweigerern von zumutbarer Arbeit für bis zu zwei Monate die finanzielle Unterstützung komplett entzogen werden kann. Das BMAS hofft darauf, dass Bürgergeld-Bezieher so eher einen Job annehmen. Dieser „präventive Teil“ mache gar den größten Teil der prognostizierten Einsparungen aus, heißt es aus dem Ministerium. 170 Millionen Euro soll das insgesamt sparen.

Das Ziel sei, „dass Personen und alle Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft idealerweise gar nicht erst bedürftig werden, beziehungsweise bleiben, weil sie künftig zumutbare Arbeitsangebote nicht ablehnen oder ihre Arbeit bereits zuvor nicht aufgeben.“
akt ist, dies würde nur einen sehr kleinen Teil an Menschen treffen, im letzten Jahr zählten lediglich wenige tausend Menschen zur Gruppe der Totalverweigerer.

Ob es tatsächlich auch in der Praxis so weit kommt, ist unklar: Die Jobcenter vor Ort gehen den „letzten Schritt“ äußerst ungern, ist aus verschiedenen Jobcentern zu hören. Vertreter der Jobcenter berichten, dass viele Berater harte Sanktionen scheuen würden. Selbst hart gesottene Arbeitslosenberater ziehen ungern die Ultima Ratio. Kaum jemand entzieht anderen gerne die Existenzgrundlage.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Gebäudereiniger, Wolfgang Molitor, ist sich sicher: „Damit eine stärkere Sanktionierung von Arbeitsverweigerern funktioniert, muss die Politik die Jobcenter ermutigen, die Sanktionen konsequent und rechtssicher anzuwenden.“

#6 Das Bürgergeld ist bürokratisch

Das Bürgergeld als Nachfolger von Hartz IV sollte weniger bürokratisch werden. Aber die Erwartungen sowohl von Jobcentern als auch von Bürgergeld-Beziehern wurden enttäuscht. Viele Schritte, Absprachen und Hürden bleiben. Allein das Merkblatt zum Bürgergeld umfasst hundert Seiten. Betroffene haben Schwierigkeiten, da durchzusteigen.

Seit Juni 2022 sind die Jobcenter nun auch noch für die geflüchteten Ukrainer zuständig, das heißt für die Mehrheit der 1,1 Millionen Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Die Jobcenter kommen nicht mehr hinterher. Zusätzlich will die Bundesregierung den Jobcentern im kommenden Jahr 700 Millionen Euro wegkürzen.

CDU-Fraktionsvize Mathias Middelberg ist sich der Bedeutung einer Verwaltungsreform bewusst. Arbeitslose zu sanktionieren, weil sie sich etwa unkooperativ verhielten, sei „nicht einfach“, sagt er. Das erfordere einen hohen Kontrollaufwand. „Wir müssen dahin kommen, die Arbeitsagenturen von Bürokratie zu entlasten“, sagt Middelberg. Das sei „ein wichtiger nächster Schritt“.

#7 Das Bürgergeld lässt sich mit Schwarzarbeit kombinieren

Dabei geht es bei den Stütze-Empfängern häufig nicht einmal um die Existenzgrundlage. Arbeitsexperte Friedrich Schneider von der Universität Linz schätzt, dass rund ein Drittel der erwerbsfähigen Bürgergeld-Bezieher schwarz dazu verdient.

Auch der Bundesregierung ist das Thema bekannt: Die Ampel erklärte auf eine Anfrage der Linken, dass es 2022 insgesamt 82.269 Hinweise auf „Überzahlungen“ beim Bürgergeld gab. Das betrifft mit 78.382 Fällen vor allem Personen, die zwar Bürgergeld bezogen haben, aber trotzdem Einkünfte aus einer geringfügigen oder versicherungspflichtigen Beschäftigung hatten. Mit anderen Worten: Sie haben zu viel Bürgergeld erhalten.

Auch Unternehmer Sasse erkennt: „Das schwarze Brett in den Baumärkten ist voll mit Arbeitsangeboten von falsch verstandener ‚Nachbarschaftshilfe’ – und man kann ihnen ihr Handeln nicht verübeln. Sie bekommen ihre Wohnung und ihr Leben finanziert und obendrauf kriegen sie noch unversteuertes Geld, etwa durchs Putzen in Privatwohnungen.“

Fazit: Arbeit muss sich lohnen – auch für die, die nicht arbeiten wollen. Das Bürgergeld sollte Anreize zur Arbeit schaffen und Anreize zum Nichtstun abschaffen. Bundeskanzler Olaf Scholz sollte vielleicht noch mal bei Gerhard Schröder durchklingeln. Sein alter Chef hatte für die Reform des Bürgergeldes bereits die passende Parole formuliert: Erst fordern, dann fördern.

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