19 Januar 2024

Stefan Aust zu Bauernprotesten: „Robert Habeck sollte wieder Kinderbücher schreiben“ (Cicero+)

Stefan Aust über die Bauernproteste

„Robert Habeck sollte wieder Kinderbücher schreiben“ (Cicero+)

Journalismus-Legende Stefan Aust ist auf einem Bauernhof in Niedersachsen aufgewachsen – und hat größtes Verständnis für die Wut der Landwirte. Im Interview spricht er über die Bauernproteste, Meinungsfreiheit und das Versagen der Ampel.
INTERVIEW MIT STEFAN AUST am 18. Januar 2024
Vorab: Das habe ich bisher so nicht gesehen. Aust zur Dieselsubvention für Bauern:
"Zu Ihrer Frage: Die Dieselsteuer, die im Prinzip für den Bau und Erhalt von Straßen erhoben wird, zahlt auch der Bauer. Und der fährt die meiste Zeit mit dem Trecker nicht auf der Straße, sondern um seinen eigenen Grund und Boden, auf dem Feld, dem Acker, der Wiese – zum Pflügen, Eggen, Düngen, Mähen, Heuwenden und Heu-Einfahren, zum Dreschen von Getreide und zum Bündeln von Heu- und Strohballen. Wozu muss er dafür über die Dieselsteuer eine Straßenbenutzungsgebühr zahlen?
Historisch begründet wurde die Agrardiesel-Rückerstattung, weil die landwirtschaftlichen Maschinen, vor allem Traktoren, zum größten Teil auf Feldern, Äckern oder Wiesen fahren. Und eben nicht auf Straßen und deshalb auch nicht für den Bau und den Unterhalt von Straßen herangezogen werden dürften. Die sogenannte Diesel-Subvention ist im Prinzip nichts anderes als die teilweise Rückerstattung einer zu Unrecht erhobenen Steuer".

Stefan Aust ist Journalist und Autor. Er war von 1994 bis 2008 Chefredakteur von Der Spiegel, seit 2014 ist er Herausgeber der Tageszeitung Die Welt.

Herr Aust, Sie haben ein Gestüt im niedersächsischen Armstorf und stehen in Kontakt mit vielen Landwirten. Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen der Bundesregierung Ihrer eigenen Erfahrung nach für die Bauern?

Gestüt ist etwas übertrieben. Es ist ein kleiner Zucht- und Ausbildungsbetrieb. Aber dabei werden wir natürlich selbst mit den Problemen der Bauern in der Nachbarschaft konfrontiert, und manche haben wir selbst. 

Zu Ihrer Frage: Die Dieselsteuer, die im Prinzip für den Bau und Erhalt von Straßen erhoben wird, zahlt auch der Bauer. Und der fährt die meiste Zeit mit dem Trecker nicht auf der Straße, sondern um seinen eigenen Grund und Boden, auf dem Feld, dem Acker, der Wiese – zum Pflügen, Eggen, Düngen, Mähen, Heuwenden und Heu-Einfahren, zum Dreschen von Getreide und zum Bündeln von Heu- und Strohballen. Wozu muss er dafür über die Dieselsteuer eine Straßenbenutzungsgebühr zahlen?

Historisch begründet wurde die Agrardiesel-Rückerstattung, weil die landwirtschaftlichen Maschinen, vor allem Traktoren, zum größten Teil auf Feldern, Äckern oder Wiesen fahren. Und eben nicht auf Straßen und deshalb auch nicht für den Bau und den Unterhalt von Straßen herangezogen werden dürften. Die sogenannte Diesel-Subvention ist im Prinzip nichts anderes als die teilweise Rückerstattung einer zu Unrecht erhobenen Steuer.

Haben Sie Verständnis für die Wut der Bauern?

Allerdings. Die Höfe bei uns im nördlichen Niedersachsen sind ja nicht besonders groß – lange nicht so groß wie etwa die ehemaligen LPGs im Osten. Und meistens gehört den aktiven Bauern gerade mal die Hälfte ihrer 60 Hektar selbst. Der Rest ist teuer gepachtet. Und auch das hat einen Grund, der mit der „großartigen“ Energiewende zu tun hat. Windparks und Solarflächen brauchen viel Fläche. Biogas-Anlagen brauchen noch mehr für den Anbau von Mais, ohne den keine Anlage einigermaßen wirtschaftlich zu betreiben ist. Deshalb pachten die durch den Bau der Anlage zumeist tief verschuldeten Bauern von den Nachbarn so viel Land wie möglich.

Ein großer Teil der deutschen Ackerfläche wird inzwischen für den Anbau von Mais, vor allem für die Biogas-Produktion, verwendet. Obwohl man Gas auch reinigen und zu Heizungszwecken verwenden könnte, wird es zumeist verbrannt, um damit Strom herzustellen. Der ist hoch genug subventioniert, dass sich damit der riesige Flächenverbrauch einigermaßen lohnt.

Damit sind die Pachtpreise aber so nach oben geschossen, dass ein Bauer seine Kühe dort kaum noch auslaufen oder grasen lassen kann oder selbst Heu oder Getreide anbaut. Also lässt er die Kühe oder Kälber im Stall stehen und kauft Soja-Futter aus der Dritten Welt, wofür dort Wälder abgeholzt werden. So etwas nennt man dann „Grüne Landwirtschaft“: Maisfelder bis zum Horizont, dazwischen Windparks dicht an dicht. Und der ausgesetzte Wolf zeigt dann, dass die Natur noch in Takt ist, wenn, wie in unmittelbarer Nachbarschaft unseres Betriebs etwa, zahllose Schafe von Wolfsrudeln gerissen wurden; auch schon ausgewachsene Rinder und auch Pferde. Aber das nur am Rande. 

Die Bauern liefen ihr Getreide dann bei den Genossenschaften und die Milch bei den Molkereien ab – und den Rest regeln dann ein halbes Dutzend Großkonzerne, die die Preise nach ihren Interessen und Belieben festlegen. Die Eigentümer der großen Selbstbedienungsläden und deren Ketten gehören zu den Reichsten, ihre Lieferanten zu den am meisten und am härtesten Arbeitenden in diesem Land. Sie fahren große Trecker, die kommen leicht auf 100.000 Euro pro Fahrzeug. Meistens auf Kredit finanziert. 

In der Diskussion über die Bauernproteste ist dennoch immer wieder zu hören, dass die Landwirte doch wohlhabend seien. 

Der Bauer ist, wenn er über eigenes Land verfügt, durchaus wohlhabend und deshalb auch kreditfähig. Aber der Hof bringt meistens nur für die selbst geleistete Arbeit etwas ein: wie ein ordentlich bezahlter Facharbeiter, der allerdings eine Work-Life-Balance mit Schwergewicht auf Work durchzieht. Von morgens vor Sonnenaufgang bis abends danach. Und auch am Wochenende muss gemolken oder gemäht werden, wenn das Heuwetter dazu einlädt. Zudem wächst das Reglement für die Landwirtschaft in einer Tour, in Bezug auf Düngen, Tierhaltung, Fruchtwechsel etc. Es ist für die vielbeschäftigten Bauern schwer genug, da immer folgen zu können. Und bei Nichtbeachtung gibt es Sanktionen.

Stehen die demonstrierenden Bauern nicht stellvertretend für viele hart arbeitende Frühaufsteher in unserem Land, die seitens der Ampelkoalition in ihrer Lebensleistung nicht anerkannt werden?

Wer arbeitet, ist schon seit geraumer Zeit der Dumme. Frühes Aufstehen, Fahrt zum Arbeitsplatz mit einer ewig unpünktlichen Bahn oder mit dem Auto durch Verkehrsstaus ist irgendwie von gestern. Wenn das Bürgergeld ohne Arbeit genauso viel einbringt wie acht Stunden Arbeit plus zwei Stunden An- und Abreise, muss sich jeder Arbeitende fragen, ob er noch ganz recht bei Sinnen ist. 

Interessant ist ja auch das Neusprech-Wort Bürgergeld. Früher hieß das Hartz IV und galt als etwas peinliche Endstation beim Bezug staatlicher Sozialunterstützung. Da klingt Bürgergeld geradezu modern, fortschrittlich und gerecht. Es ist keine Schande, Bürgergeld zu beziehen, sondern ein moralisch berechtigter Anspruch an den Staat. So wie „Sondervermögen“ ja auch etwas völlig anderes ist als „Staatsschulden“.

Das beansprucht man dann gern – so wie Asylsuchende oder Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die vollen Anspruch darauf haben – auch wenn sie nach ukrainischem Gesetz eigentlich an die Front müssten. So finanzieren wir einerseits die ukrainische Armee und zugleich die ukrainischen Kriegsdienstverweigerer. Da muss eben an anderer Stelle massiv gespart werden.

Dass zuallererst die Sprache verändert wird, kennen wir schon seit George Orwells „1984“. Bei ihm wird die Sprache von „schändlichen Begriffen“ gereinigt und durch „Neusprech“ ersetzt. Dass bei ihm wie inzwischen auch bei uns „Unwissenheit Stärke“ ist, können wir jeden Abend bei Talkshows mit Politikern verfolgen. Migranten, die nichts anderes wollen als in den deutschen Sozialstaat – und vielleicht auch mal in die Wirtschaft – einzuwandern, heißen dann „Schutzsuchende“. Vor der spätorwellschen Wortverdrehung hätte es vielleicht noch „Arbeitssuchende“ geheißen.

Nach dem ARD-Deutschlandtrend aus dem Januar 2024 sind 82 Prozent der Bürger unzufrieden mit der Bundesregierung. Haben die Bauernproteste das Potenzial, den Anfang des Endes der Ampelkoalition einzuläuten?

Eigentlich ist die Ampel schon längst mausetot. Sie ist eine Koalition, die jenseits der Wirklichkeit operiert. Die Realität wurde schon am Tag der Regierungserklärung kurzerhand abgeschaltet. Die Antrittsrede von Bundeskanzler Scholz mit seiner ewigen Berufung der Zeitenwende klingt wie die Andacht eines grün-roten Sektenpredigers, der dem klimatischen Weltuntergang die Zeitenwende in Politik und Technik gegenüberstellen will.

Die erste Regierungserklärung des Ampel-Kanzlers Olaf Scholz, nicht einmal drei Jahre alt, klingt heute wie eine Phantasie aus prähistorischer Zeit. „Wir sind eine Regierung des technischen Fortschritts, weil wir nur mit technischem Fortschritt klimaneutral werden können, und weil Deutschland und Europa nur so im globalen Wettbewerb mithalten können.“

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Dann erklärte er auch noch, aus welchen Techniken er aussteigen wolle: aus dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas – innerhalb von 23 Jahren. Der Ausstieg aus der Kernenergie war ohnehin schon fast vollzogen: gerade mal drei Reaktoren liefen noch, aber das Datum für ihre Abschaltung stand schon fest. Die dadurch geschaffenen Probleme sind maßgeblich an der gegenwärtigen Wirtschaftsflaute schuld.

Gleichzeitig sind etwa die Bauern jeden Tag mit der Realität konfrontiert. Mit den Regularien von der Regierung und aus Europa, mit Steuern, Abgaben, mit Wetter – nicht Klima – da merken sie eher als andere, dass mit denen „da oben“ was nicht stimmt; dass ihnen diese rot-grün-vegetarische Klimadiktatur nicht nur auf die Nerven, sondern auch ans Eingemachte geht. Inklusive Zucker-Verbot durch Leute, denen eine eigene Ernährungskontrolle offenbar fremd ist.

Warum sind es gerade die Bauern, die die Speerspitze der Proteste darstellen, und nicht andere Berufsgruppen, die unter der Ampel-Politik leiden, zum Beispiel die Bäcker oder die Gastronomen?

Bauern sind in der Regel selbständige Unternehmer, deren eigene Flächen die Basis ihrer Arbeit sind. Die meisten Landwirte arbeiten sehr viel, meistens sogar gut doppelt soviel wie ein fleißiger Facharbeiter. Und verdienen trotzdem nicht mehr. Eine Verzinsung des durch Ländereien und des sonst wie eingesetzten Kapitals findet eher selten statt. Dafür sind die meisten Bauern für die Neuanschaffungen von Traktoren, Mähdreschern oder den Bau von Gebäuden eher verschuldet. Sie müssen sich mit Traktorentechnik, mit Getreideanbau, mit Düngertechnik und den immer neuen Richtlinien auskennen. Da geht ihnen mehrmals am Tag der Hut hoch.

Sie sind in einer Bauernfamilie in Norddeutschland aufgewachsen und kennen daher die harte Arbeit der Landwirte. Haben Sie in dieser Zeit Werte vermittelt bekommen, die Sie noch heute prägen?

Wer auf dem Land groß geworden ist, hat den Bezug zur Realität vielleicht nicht ganz verloren. Vor ernten kommt säen. Milch muss gemolken werden. Frühes Aufstehen ist an der Tagesordnung und zwar 7/31. Und dann kommen diese Grünen, diese WWFs, diese Petas und was es da noch alles so gibt, und wollen der Landbevölkerung immer wieder Vorschriften machen. Bis hin zum Schutz der von ihnen selbst ausgesetzten Wölfe. Da wundert es mich nicht, wenn in den ländlichen Regionen populistische Parteien gewählt werden, wenn solche Themen von den etablieren Konkurrenzparteien nicht nur vernachlässigt werden – sondern ihnen geradezu auf dem Silbertablett hinterhergetragen werden müssen.

Das großstädtische und kosmopolitische Milieu ist mehrheitlich tonangebend in den Medien und der Politik. Verstehen die Journalisten und Politiker die Lebensrealität der Bauern?

Die Politik hat sich praktisch selbständig gemacht. Sie kümmert sich vor allem um sich selbst. Politiker reisen gern in der Welt herum und verschenken unser Geld. Nehmen wir nur ein paar Kleinigkeiten, die aus der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU am 6. Dezember 2023 hervorgehen: Indien bekommt für die nachhaltige Entwicklung seiner Städte 165 Millionen Euro durch die Bundesrepublik. Auch China bekommt für städtische Klimaschutzmaßnahmen Gelder in Millionenhöhe von der Ampel.

Wie findet das eigentlich ein normaler Bauer, wenn er sieht, dass zwei der größten Volkswirtschaften der Welt, China und Indien, mit Millionen von Euro undurchsichtig subventioniert werden und er selbst die Dieselsteuer, die er im Grunde für die Benutzung der Straße bezahlen muss, auch dann nicht zurück bekommt, wenn er mit dem Trecker auf seinem eigenen Acker arbeitet?

Sehen Sie Parallelen zwischen den Bauernprotesten in Deutschland und der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich?

Die Städter neigen ja allerorts dazu, ihren Blick aus dem Fenster für die Wirklichkeit zu halten. Bei uns haben die Grünen ihnen den Sichtschutz erleichtert. Wer im Wesentlichen von Staatsknete finanziert wird, sei es als Beamter oder als Politiker oder ÖRR-Bediensteter oder als Empfänger von Summen, die von den Kumpels in den Ministerien für NGOs verteilt werden, sieht die Welt natürlich etwas anders. Frankreich ist ja schon historisch etwas revolutionärer als Deutschland. Aber das kann sich auch schnell ändern. Gelbe Westen sind ja auch bei uns zu kaufen.

Nach der Blockade der Habeck-Fähre im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel warnte der grüne Vizekanzler vor Systemfeinden in den Reihen der Bauern. Ist dies ein Ablenkungsmanöver, um sich mit den Sachargumenten der Landwirte inhaltlich nicht auseinandersetzen zu müssen?

Das war eine hinterher ziemlich aufgebauschte Aktion. Wenn Herr Habeck da schon in Panik gerät, sollte er sich besser pensionieren lassen und weiter Kinderbücher schreiben, in denen er aus Mücken einen Angriff von Elefanten macht. Wer eine abweichende Meinung hat, ist ein Systemfeind, die Auswahl der Begriffe lässt sich beliebig zuspitzen. Diese Diffamierung von Andersdenkenden kennt man eigentlich vor allem aus Diktaturen. Diese Mentalität mit einem Hang zur Diskriminierung hat sich in manchen eher totalitären Gemütern erkennbar eingenistet. Mit der Sachlichkeit haben es viele schon aus Unkenntnis nicht sehr. Das ist moralische Verblendung.

Diese grün-rote Religionsgemeinschaft mit ihren Weltuntergangsszenarien erinnert ohnehin mehr an das Mittelalter als an die von ihnen so gern beschworene Zeitenwende – die übrigens in der Bibel zur Apokalypse gehört. Und bei dem, was ich so aus der Klimaecke höre, fällt mir immer der Ausspruch des Pfarrers Ensslin zum Kaufhaus-Brandanschlag ein. Er spricht da von einer „ganz heiligen Selbstverwirklichung im Sinne des Heiligen Menschentums“.

Gibt es denn tatsächlich rechtsextreme Unterwanderungsversuche der Proteste, vor denen man auf der Hut sein müsste?

Natürlich versuchen auch immer, Rechtsgerichtete sich irgendwo einzuschleichen. Dann muss man eben darauf achten, dass die sich nicht zu sehr aufspielen, und muss sie im Zweifel rausschmeißen. Die Gefahr ist aber vor allem, dass jeder einzelne echte oder scheinbar Rechte in einer solchen Demo von Medien aufgepustet wird. Das sehen ja manche als ihr Ziel an.

Nicht nur linksliberale Medien wie Die Zeit oder die Süddeutsche Zeitung framten die Bauernbewegung alsbald als rechts unterwandert, sondern auch die konservative FAZ. Wie erklären Sie sich das?

Das kommt mir manchmal so vor, als wenn man am Südpol steht. Von dort aus betrachtet, geht es in jede Richtung nach Norden. Wer einen moralisch festen linken Standpunkt hat, für den ist eben alles andere rechts. Das gilt inzwischen für zahlreiche Themen, die mit rechtseingefärbten Kampfbegriffen diffamiert werden sollen: Zweifler an COVID und den COVID-Impfungen waren Querdenker und Schwurbler, brachten andere in Gefahr und mussten von der Gesellschaft am besten ausgeschlossen werden. Wer gegen Zwangsimpfungen war, sollte am besten eingebuchtet werden. Und selbst die Frage, ob nicht auch die Impfungen gefährlich sein könnten, war wie der Sturm aufs Capitol.

Wer zur Merkels Zeiten ihre Migrationspolitik kritisierte, war bestenfalls noch ein Rechter. Das würde dann heute für größere Teile ihrer Partei gelten. Tatsächlich war Merkels Migrationspolitik – das habe ich damals schon geschrieben – gleichsam ein Konjunkturprogramm für rechte Gruppen und Parteien. Es war Angela Merkel, die für den Erfolg der AfD und ihren Einzug in den Bundestag verantwortlich war und ist. Und so stricken die etablierten Parteien auch heute noch an neuen Gründen für Wähler, ihr Heil in der AfD zu suchen.

Welche Folgen hat es für die politische Kultur eines Landes, wenn ganze Bevölkerungsgruppen der Systemverachtung beschuldigt werden?

Andere als Demokratiefeinde zu denunzieren ist so etwa das Undemokratischste, das es gibt. Wer riskieren muss, mit seiner Auffassung sofort direkt oder indirekt – durch intellektuelle Querwege zusammengereimt – als rechts diffamiert zu werden, sagt lieber gar nichts. Früher, wenn jemand Kritik am Staate Bundespublik übte, hieß es: Dann geht doch nach drüben! Das hat sich dann langsam gegeben.

Aber schon damals stellte sich die Frage: War die DDR eigentlich links? Ist ein Staat, der seine Bürger einsperrt, links? Und ist eine Mauer oder ein Zaun, der Migranten daran hindert, ins Land zu kommen, gleichbedeutend mit einem Zaun, der Leute daran hindert, ihr Land zu verlassen? Wer – wie übrigens viele Linke – diesen Vergleich anstellt, weiß nicht, was der Unterschied ist, im Gefängnis hinter oder vor einem Gitter zu sitzen.

Werden Sie auf eine Bauerndemonstration gehen?

Ich gehe grundsätzlich nur auf Demonstrationen, wenn ich darüber berichte. Und dann stehe ich am Rand. Ich bin kein politischer Aktivist und mache mich mit keiner Seite gemein. Aber meine eigenen Positionen habe ich natürlich schon.

Die Fragen stellte Clemens Traub.

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