Die Zuschauer, so scheint es, können sich an Mord und Totschlag nicht sattsehen. Wem all das verbrechenstechnisch noch nicht reicht, kann an einem schönen Samstagabend zwischen dem „Schlagerboom Open Air 2“ mit Florian Silbereisen im Ersten und „Cindy aus Marzahn live“ auf RTL wählen.
Während dieses televisionären Selbstversuchs
vom 16. bis 22. Juni dominiert die Berichterstattung über die
israelischen Angriffe auf den Iran – schon bevor Donald Trump die B-2-Tarnkappen-Jets mit den bunkerbrechenden Superbomben losschickt. Allüberall Warnungen vor „Flächenbrand“ und „Eskalationsspirale“. Nun sei die Stunde der Diplomatie gekommen.
Noch am Dienstag sieht die ZDF-Korrespondentin in Istanbul das iranische
Militär trotz der israelischen Enthauptungsschläge „gut aufgestellt“.
Im „Tagesthemen“-Kommentar ruft die ehemalige Sprecherin von
Bundespräsident Joachim Gauck, Ferdos Forudastan, zur „Entspannung“ auf
und forderte eine Distanzierung des Westens von Israel. Bei Markus Lanz
im ZDF stellt der Nahostexperte Daniel Gerlach Irans Streben, eine
Atommacht zu werden, sogar infrage.
„Drecksarbeit“ ist das Wort der Woche, zuerst gesagt von ZDF-Interviewerin Diana Zimmermann und übernommen durch Friedrich Merz
(„Ich bin Ihnen dankbar für den Begriff Drecksarbeit. Das ist die
Drecksarbeit, die Israel macht, für uns alle.“). Aus dem Munde des
CDU-Kanzlers gilt es sämtlichen Kommentatoren nicht etwa als eine
rustikale, aber unbestreitbar treffende Beschreibung der Wirklichkeit,
sondern als zynische Verirrung, von vermeintlicher „Verletzung des
Völkerrechts“ zu schweigen.
Man kann über vieles streiten, aber bei ARD und ZDF dominiert ein endemischer Moralismus, der von vornherein den kühlen, analytischen Blick verhindert, etwa auf den Einfluss des brutalen Mullah-Regimes in der gesamten Region und die totalitäre Achse Russland-China-Nordkorea-Iran, die den Westen bedroht. Appeasement ist in den Rundfunksendungen Trumpf, Angst essen Seele auf, der Status quo ist heilig. Und der beschwichtigende Ruf nach „Verhandlungen“ wird zur Mutter aller Phrasen, die letztlich den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur, Freiheit und Unfreiheit einebnen.
Kein Wunder, dass
wir auch Zeugen einer weiteren Ralf-Stegner-Woche werden. Er ist der
ideale Talkshow-Gast in diesen Zeiten. Wie abwegig seine Thesen auch
sind: Der falsche Friedensengel mit dem Charme eines gestrandeten
Kabeljaus bringt Quote, Aufregung, Klicks. Selbst der brillante Carlo
Masala dringt mit seinen Argumenten nicht gegen den gebetsmühlenhaften
Friedens-Katechismus des Sozialdemokraten aus Pinneberg durch. Ob
Ukraine oder Iran – Stegner ist ein gesichert nützlicher Idiot von Despoten wie Putin und Ali Chamenei.
Ob bei ARD oder ZDF, am Ende landet stets Israel auf der Anklagebank. Die suggestive Macht der Bilder aus Gaza, der sinnliche Eindruck der kriegerischen Schrecken überhaupt, sind größer als jeder faktische und historische Kontext, zumal dann, wenn Mitteilungen des „Gesundheitsministeriums in Gaza“, also der terroristischen Hamas, unkommentiert gemeldet werden – ganz so wie etwa eine Information der AOK Rheinland zur Erhöhung der Zahnzusatzversicherung.
„Zusammenhänge und Hintergründe“ mit Anja Reschke
Lange
überlegte man bei der ARD, wie man Moderator Jan Böhmermann mit seinem
„ZDF Magazin Royale“ – letzte Sendung vor der Sommerpause am 13. Juni –
Paroli bieten könnte. Der Mann ist zwar ein Kotzbrocken, aber begabt.
Und er macht ordentlich Quote, auch bei den unter 70-Jährigen, die man
bei den Öffentlich-Rechtlichen so dringend nötig hat.
Ein Profi, der alles, was auf seinem Tisch landet, pulverisiert, wenn es sein muss, auch den Stadtplan von Dinslaken. Böhmermann ist der Bullterrier unter den Moderatoren: ätzend und gnadenlos. Haut er mal daneben und exekutiert einen Unschuldigen, dann sagt er, so gehe eben Satire. Und kommt damit durch. Selbst bei der Sache mit Erdogan und den Ziegen …
So
dauerte es eine Weile, bis man bei der ARD den Counterpart gefunden
hatte: eine Frau, attraktiv, intelligent und robust wie eine Eiserne
Jungfrau – das ist Anja Reschke, die langjährige Moderatorin des
Nachrichtenmagazins „Panorama“. Ihr wöchentliches Halbstunden-Format
heißt „Reschke Fernsehen“. ARD-Eigenwerbung im RTL-Style:
„Journalismus trifft Unterhaltung. Anja Reschke geht jede Woche einem
Thema auf den Grund, das die Gesellschaft bewegt. Gegen Mächtige und
Blender. 100 Prozent Recherche, null Prozent Bullshit. Gespickt mit
amüsanten Clips und Zitaten zeigt sie in Reschke Fernsehen Zusammenhänge
und Hintergründe auf.“
Zusammenhänge und Hintergründe! Wow. Gehört eigentlich zum journalistischen Handwerk wie Zähneputzen zur Mundhygiene. In der Ausgabe von „Reschke Fernsehen“ geht es um „König Trump“ und die „Selbstzerstörung der USA“. Ein ganz heißes Eisen, das viele Deutsche in den Wahnsinn treibt. „Wird Ihnen auch angst und bange, wenn Sie in diesen Zeiten über den großen Teich blicken?“, fragt Reschke in der Anmoderation. Es ist natürlich eine rhetorische Frage, denn „seit Donald Trumps zweiter Amtszeit wachen in den USA immer mehr Menschen schweißgebadet aus dem American Dream auf“.
Man versteht das Zwinkern in Frau Reschkes Augen. Ganz so ernst meint sie es nicht. Maliziös fragt sie: „What the fuck ist da los, in dem ,land of the free‘? Wer befreit uns eigentlich vom Faschismus, wenn es in Deutschland mal wieder so weit ist?“ Gute Frage! Die Amis werden es nicht sein, diese Cretinos, die sich gerade selbst zerstören. Wenn es in Deutschland so weit ist, „Nie wieder ist jetzt!“ zu rufen, werden Anja & die Antifa uns vom Faschismus befreien müssen.
Einen unerwarteten Erfolg im Konkurrenzkampf mit Jan Böhmermann kann sie schon verzeichnen: Die Sendung „Böhmi brutzelt“, die vier Jahre lang die Sommerpause am Kochtopf überbrückt hat, wird eingestellt. Zuletzt hatten nur noch 100.000 Zuschauer eingeschaltet. Also etwa so viele, wie sich jeden Tag die „Kulturzeit“ auf 3sat antun, die antifaschistisch-feministische Dauerwerbesendung, die sich inzwischen von allen männlich gelesenen Moderatoren befreit hat.
Muslime bringen Christen um – hat aber nix mit Islam zu tun!
Die Wahrscheinlichkeit, dass über ein Unglück oder ein Massaker im öffentlich-rechtlichen Fernsehen berichtet wird, ist umso geringer, je weiter entfernt der Ort des Geschehens liegt. Gaza und die Golan-Höhen liegen praktisch vor unserer Haustür, über die Lage der Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch etwa erfahren wir hingegen wenig.
Äußerst prekär ist auch die Lage von Christen in Nigeria, wo sie immer wieder Opfer von Pogromen werden, ohne dass Berichte darüber bis nach Europa dringen würden. Und passiert es doch, hat die Geschichte eine merkwürdige Schlagseite. „Wieder sorgt ein Massaker in Nigeria für Entsetzen“, heißt es am 16. Juni im ZDF, allerdings nicht im „heute journal“ – dafür reichte die kostbare Sendezeit nicht –, sondern nur auf der Website der Mainzelmännchen. In der Ortschaft Yelwata im Zentrum des Landes seien „bei einem Überfall möglicherweise mehr als 200 Menschen ermordet worden“.
Worauf bezieht sich das „möglicherweise“? Auf die Zahl der Opfer oder auf Mord als Todesursache? Fest steht: „Bewaffnete haben den Ort Yelwata überfallen.“ Bei den Angreifern soll es sich um „Viehhirten“ gehandelt haben. Die meisten Opfer waren demnach „Binnenvertriebene, die zuvor in einer katholischen Mission Zuflucht gefunden hatten“. Andere wurden in ihren Häusern eingesperrt und verbrannten in ihren Schlafzimmern.
Die Frage nach den „Ursachen der Gewalt“ wird im ZDF rein rhetorisch gestellt, ohne sie zu beantworten. Es gebe da „unterschiedliche Interpretationen“. Denkbar sei, dass es sich um einen klassischen „Farmer-Viehhirten-Konflikt“ handelt, weil das Vieh der Hirten die „bestellten Felder“ der Bauern zerstört habe. Unzulässigerweise habe die Auseinandersetzung einen „religiösen Anstrich“ bekommen, weil die sesshaften Bauern sich überwiegend zum Christentum bekennen, während die Hirten der ethnischen Gruppe der Fulani angehören und Muslime sind. „Verschiedenen Experten“ zufolge sei „fälschlicherweise von Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen gesprochen“ worden.
Gott
bewahre! Wenn Muslime Christen umbringen – in Nigeria sind schon weit
über 6000 christliche Todesopfer zu beklagen –, hat das natürlich nichts
mit dem Islam zu tun. Es kann nur Zufall gewesen sein, dass die
muslimischen Hirten die christlichen Bauern massakriert haben, und nicht
umgekehrt. Der wahre „Konflikttreiber“, also das Mordmotiv, sei nämlich
– Obacht! – „der Klimawandel“! Wegen „knapper werdender Weideflächen“
müssten Hirten weiter in Richtung Süden ziehen, was zu „Konflikten“
führe – wegen des Klimawandels. Da bekommt der Begriff „letzte
Generation“ für die Christen in Nigeria einen ganz praktischen Sinn. Und
das Motto des ZDF? Bloß nicht über den Islam reden! Das nennt man
öffentlich-rechtliche Islamophobie.
Kongenial zu dieser skandalösen Unschärfe bei der Vermittlung weltpolitischer Ereignisse passt die Moderatorin der abendlichen „heute“-Nachrichten im ZDF, Jana Pareigis. Ihre wichtigsten journalistischen Stationen waren die Moderation der Morgen- und Mittagsmagazine im ZDF. Als Reporterin oder Auslandskorrespondentin hat sie nie gearbeitet. Da sie also kein eigenständiges, journalistisches Profil hat, ist sie die perfekte Projektionsfläche einer Nachrichtenvermittlung, deren Welt aus dem Teleprompter kommt.
Eigenartig ist nur ihre Sprachmelodie. Sie weckt den Wunsch: Wenn schon, dann möge man von ihr eines hoffentlich fernen Tages um Punkt 19 Uhr über den bevorstehenden Weltuntergang informiert werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen