25 Juni 2025

Freiheit stirbt durch Einschüchterung - Der „Aktionstag gegen Hass und Hetze“ schadet der Demokratie (Cicero)

"Der islamistische Mob herrscht auf Berlins Strassen, pro-israelische Demos sind unmöglich und werden abgebrochen, in Hamburg werden Polizisten im Stadtpark von diesem Mob zusammengeschlagen usw usw usw. Und was macht das BKA? Bundesweite Einsätze gegen social media Postings. Dem Staat geht es nicht um die Sicherheit der Bürger, wie seine absurde Prioritätensetzung zeigt: Zahlreiche Razzien, unter anderem wegen des „Politiker-Beleidigungs“-Paragrafen 188 Strafgesetzbuch." Joachim Steinhöfel
Freiheit stirbt durch Einschüchterung
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Der „Aktionstag gegen Hass und Hetze“ schadet der Demokratie (Cicero)
Das Bundeskriminalamt geht bundesweit mit zahllosen Hausdurchsuchungen gegen Meinungsäußerungen im Netz vor. Aktionstag gegen strafbare Hass-Postings nennt sich das. Eine unerträgliche Beschönigung. Die Aktion ist eine völlig unverhältnismäßige Maßnahme, die die Bürger einschüchtern soll.
VON VOLKER BOEHME-NESSLER am 25. Juni 2025, 5 min
Was für ein Timing! Gestern hat das Bundesverwaltungsgericht die Meinungsfreiheit in einem Grundsatzurteil deutlich gestärkt. Heute geht seit 6 Uhr morgens die Polizei in einer konzertierten bundesweiten Aktion gegen Bürger vor, die mutmaßlich strafbare Posts im Internet veröffentlicht haben. NRW-Innenminister Herbert Reul rechtfertigt das so: „Digitale Brandstifter dürfen sich nicht hinter ihren Handys oder Computern verstecken dürfen“. Die Polizei hat etwa 65 Hausdurchsuchungen durchgeführt und zahllose Bürger vernommen. Es geht um mutmaßliche extremistische politische Äußerungen und mögliche Beleidigungen von Politikern. Was aber in der Öffentlichkeit verschwiegen wird: Zwei in einer Demokratie unverzichtbare Grundrechte sind hart betroffen – die Meinungsfreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Einbruch des Staates in die Privatsphäre
Hausdurchsuchungen sind das schärfste Schwert des Staates im Ermittlungsverfahren. Mit einer Durchsuchung wollen die Ermittler etwas finden, das der Betroffene geheim halten will. Natürlich sind Hausdurchsuchungen manchmal nötig. Verbrechensbekämpfung ist kein harmloses Spiel. Aber gleichzeitig sind sie auch tiefe Eingriffe in die Grundrechte von Bürgern. 
Die Verfassung garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das hängt mit der Menschenwürde zusammen. Die Wohnung ist der Raum, in der sich der Mensch privat und geschützt entfalten kann. In der eigenen Wohnung ist man sicher, unkontrolliert und frei. Das sind ideale Bedingungen, um eine Persönlichkeit zu entfalten – und genau das will das Grundgesetz möglich machen.
Das ist eine Antwort des Grundgesetzes auf das Naziregime. Die Nazijustiz setzte willkürliche Hausdurchsuchungen als Mittel ein, um die Bürger einzuschüchtern. Der totalitäre NS-Staat wollte den totalen Zugriff auf die Bürger. Hausdurchsuchungen völlig ohne Grund waren deshalb das Signal an die Bürger: Auch die Privatsphäre der Wohnung schützt euch nicht vor dem Zugriff dieses Staates. Es gibt kein Entkommen vor dem totalen Staat. Dieser historische Hintergrund erklärt, warum dem Grundgesetz der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung so wichtig ist. Die deutsche Verfassung ist der Gegenentwurf zum totalitären Staat. Sie stellt die Menschenwürde und die Freiheit der Bürger in den Mittelpunkt. 
Verhältnismäßigkeit – Schutz der Bürgerfreiheiten
Die goldene Regel der Freiheit ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Idee ist einfach: Eingriffe des Staates in die Freiheiten der Bürger sind nur ausnahmsweise und nur dann zulässig, wenn sie strikt verhältnismäßig sind. Aber was versteht die Verfassung unter Verhältnismäßigkeit? Verhältnismäßige Maßnahmen der Staatsgewalt müssen geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen. Sinnlose Eingriffe in Grundrechte toleriert die Verfassung natürlich nicht.

Aber das reicht noch nicht. Damit sie verhältnismäßig sind, müssen die staatlichen Aktionen auch erforderlich sein. Der Staat darf nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Oder juristischer formuliert: Es darf kein milderes Mittel geben, mit dem der Staat sein Ziel erreichen kann. Und schließlich der letzte Aspekt der Verhältnismäßigkeit: Die staatliche Maßnahme muss angemessen sein im Verhältnis zum Grundrechtseingriff. Hier werden alle Aspekte des Falls abgewogen, um einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen staatlicher Maßnahme und Freiheit der Bürger zu finden.

Durchsuchung nach Internetposting – verhältnismäßig?

Was bedeutet das jetzt? Sind Hausdurchsuchungen nach einem Internetpost verhältnismäßig? Klare Antwort: grundsätzlich nicht. Schon die erste Voraussetzung erfüllen sie kaum. Sie sind nicht geeignet, neue Erkenntnisse zu erbringen. Die Ermittler kennen ja schon den Post, den Account und den Inhaber des Accounts. Mehr brauchen sie für eine Anklage nicht. Die Durchsuchung bringt die Ermittlungen nicht weiter. Sie ist nur geeignet, die Bürger einzuschüchtern. Und genau darum geht es.

Wer Internetposts verfasst oder Memes weiterleitet, nimmt ein Grundrecht wahr: das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dieses Grundrecht ist – man kann es nicht oft genug wiederholen – absolut essenziell für die Demokratie. Sein Schutzbereich reicht extrem weit. Die Verfassung schützt nicht nur kluge, gut durchdachte und sinnvolle Meinungen. Sie schützt auch dummes Zeug, politisch unkorrekte, auch extremistische Inhalte und sogar grundsätzlich Hass und Hetze. Das gerät in letzter Zeit viel zu sehr in Vergessenheit.

Was für ein Timing! Gestern hat das Bundesverwaltungsgericht die Meinungsfreiheit in einem Grundsatzurteil deutlich gestärkt. Heute geht seit 6 Uhr morgens die Polizei in einer konzertierten bundesweiten Aktion gegen Bürger vor, die mutmaßlich strafbare Posts im Internet veröffentlicht haben. NRW-Innenminister Herbert Reul rechtfertigt das so: „Digitale Brandstifter dürfen sich nicht hinter ihren Handys oder Computern verstecken dürfen“. Die Polizei hat etwa 65 Hausdurchsuchungen durchgeführt und zahllose Bürger vernommen. Es geht um mutmaßliche extremistische politische Äußerungen und mögliche Beleidigungen von Politikern. Was aber in der Öffentlichkeit verschwiegen wird: Zwei in einer Demokratie unverzichtbare Grundrechte sind hart betroffen – die Meinungsfreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Einbruch des Staates in die Privatsphäre

Hausdurchsuchungen sind das schärfste Schwert des Staates im Ermittlungsverfahren. Mit einer Durchsuchung wollen die Ermittler etwas finden, das der Betroffene geheim halten will. Natürlich sind Hausdurchsuchungen manchmal nötig. Verbrechensbekämpfung ist kein harmloses Spiel. Aber gleichzeitig sind sie auch tiefe Eingriffe in die Grundrechte von Bürgern. 

Die Verfassung garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das hängt mit der Menschenwürde zusammen. Die Wohnung ist der Raum, in der sich der Mensch privat und geschützt entfalten kann. In der eigenen Wohnung ist man sicher, unkontrolliert und frei. Das sind ideale Bedingungen, um eine Persönlichkeit zu entfalten – und genau das will das Grundgesetz möglich machen.


Das ist eine Antwort des Grundgesetzes auf das Naziregime. Die Nazijustiz setzte willkürliche Hausdurchsuchungen als Mittel ein, um die Bürger einzuschüchtern. Der totalitäre NS-Staat wollte den totalen Zugriff auf die Bürger. Hausdurchsuchungen völlig ohne Grund waren deshalb das Signal an die Bürger: Auch die Privatsphäre der Wohnung schützt euch nicht vor dem Zugriff dieses Staates. Es gibt kein Entkommen vor dem totalen Staat. Dieser historische Hintergrund erklärt, warum dem Grundgesetz der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung so wichtig ist. Die deutsche Verfassung ist der Gegenentwurf zum totalitären Staat. Sie stellt die Menschenwürde und die Freiheit der Bürger in den Mittelpunkt. 

Verhältnismäßigkeit – Schutz der Bürgerfreiheiten

Die goldene Regel der Freiheit ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Idee ist einfach: Eingriffe des Staates in die Freiheiten der Bürger sind nur ausnahmsweise und nur dann zulässig, wenn sie strikt verhältnismäßig sind. Aber was versteht die Verfassung unter Verhältnismäßigkeit? Verhältnismäßige Maßnahmen der Staatsgewalt müssen geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen. Sinnlose Eingriffe in Grundrechte toleriert die Verfassung natürlich nicht. 


Aber das reicht noch nicht. Damit sie verhältnismäßig sind, müssen die staatlichen Aktionen auch erforderlich sein. Der Staat darf nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Oder juristischer formuliert: Es darf kein milderes Mittel geben, mit dem der Staat sein Ziel erreichen kann. Und schließlich der letzte Aspekt der Verhältnismäßigkeit: Die staatliche Maßnahme muss angemessen sein im Verhältnis zum Grundrechtseingriff. Hier werden alle Aspekte des Falls abgewogen, um einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen staatlicher Maßnahme und Freiheit der Bürger zu finden.

Durchsuchung nach Internetposting – verhältnismäßig?

Was bedeutet das jetzt? Sind Hausdurchsuchungen nach einem Internetpost verhältnismäßig? Klare Antwort: grundsätzlich nicht. Schon die erste Voraussetzung erfüllen sie kaum. Sie sind nicht geeignet, neue Erkenntnisse zu erbringen. Die Ermittler kennen ja schon den Post, den Account und den Inhaber des Accounts. Mehr brauchen sie für eine Anklage nicht. Die Durchsuchung bringt die Ermittlungen nicht weiter. Sie ist nur geeignet, die Bürger einzuschüchtern. Und genau darum geht es.

Wer Internetposts verfasst oder Memes weiterleitet, nimmt ein Grundrecht wahr: das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dieses Grundrecht ist – man kann es nicht oft genug wiederholen – absolut essenziell für die Demokratie. Sein Schutzbereich reicht extrem weit. Die Verfassung schützt nicht nur kluge, gut durchdachte und sinnvolle Meinungen. Sie schützt auch dummes Zeug, politisch unkorrekte, auch extremistische Inhalte und sogar grundsätzlich Hass und Hetze. Das gerät in letzter Zeit viel zu sehr in Vergessenheit.


Herbert Reul, der Innenminister von NRW, sagt völlig zu Recht: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Was man in der echten Welt nicht macht, gehört sich auch digital nicht.“ Das klingt einleuchtend. Aber was die Politik mit diesem überharten Vorgehen gegen – mutmaßliche, oft nur angebliche – Straftaten im Internet erreicht, ist etwas anderes: Sie macht das Internet viel unfreier als die analoge Welt. Das ist gefährlich. Denn die Repression beginnt im Netz – und dann breitet sie sich auch in der echten Welt aus. 

Freiheit stirbt durch Einschüchterung

Durchsuchungen nach einem Internetpost sind Einschüchterungen. Nicht nur die direkt betroffenen, sondern womöglich alle Bürger trauen sich dann weniger, ihre Meinung pointiert zu äußern. Die Selbstzensur wird aktiviert. Kein Bürger will eine Durchsuchung im Morgengrauen riskieren. Der Aktionstag mit seiner Vielzahl an Durchsuchungen und Polizeimaßnahmen wirkt noch stärker als eine Einzelmaßnahme. Die Einschüchterungswirkung ist viel größer. Das kommuniziert die Polizei sogar ganz offen.

Wenn es eine wichtige Lehre aus der Geschichte gibt, dann diese: Freiheit stirbt durch Einschüchterung. Für die Demokratie ist das verhängnisvoll. Denn wie soll demokratischer Diskurs funktionieren, wenn sich die Bürger nichts trauen? Die Demokratie funktioniert nicht mit eingeschüchterten Untertanen. Sie braucht Bürger mit Zivilcourage, die ihre Meinung sagen. 

Gestern hat das Bundesverwaltungsgericht in einem grundlegenden Urteil die Bedeutung der Meinungsfreiheit betont: „Das Grundgesetz garantiert selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit.“ Und heute schüchtern die Innenminister von Bund und Ländern die Bürger ein, die ihre Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen wollen. Dieser fehlende Respekt vor dem Grundgesetz macht fassungslos.

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