Ähnliches
gilt beispielsweise auch für den Bereich der Hygiene im
Gesundheitssektor. 15.000 bis 20.000 Tote haben wir in jedem Jahr durch
Krankenhauskeime in Deutschland zu beklagen. Kurioserweise entfalten
Hygienepläne trotz der erschreckend hohen Fallzahl nicht die gleiche
öffentliche Wirkung wie Hitzeschutzpläne. Auch einen bundesweiten
Warntag zur Hygiene gibt es nicht. Aber es gibt den Hitzeschutz-Warntag,
der regierungsamtlich und flankiert von diversen umweltbewegten NGOs
die Bevölkerung auf die Gefahren des Klimawandels und damit der Hitze
hinweisen soll.
Die frisch gebackene Bundesgesundheitsministerin Warken hat daher in dieser Woche neue Hitzeschutzpläne vorgestellt. Und vor allem der Hitzeschutzplan für den Bereich Sport hat ein enormes Echo erfahren. Das ist kein Wunder, denn wir erfahren in dem Machwerk zum Beispiel, dass bei Sportveranstaltungen besser kein Bier, Kaffee oder Limonade angeboten werden sollte. Stattdessen solle Tee und Saftschorle ausgeschenkt werden – der Tee natürlich nur „ungesüßt“ und die Saftschorle „dünn“, wie der Hitzeschutzplan ausdrücklich festhält. Die Gefahr lauert schließlich überall.
Der Plan enthält insgesamt viele nützliche Tipps zum Umgang mit heißen Sommertagen, von denen die meisten aber jedem seit dem Grundschulalter bekannt sein dürften: auf Kopfbedeckung achten, eincremen, helle Kleidung tragen und vor allem ausreichend trinken. Und er enthält Empfehlungen, bei denen der Zusammenhang zum Hitzeschutz nur schwer herzustellen ist. Vor allem der angeratene Verzicht auf das Grillen bei Sportveranstaltungen hat viele Fragezeichen hinterlassen.
Bratwurst, Bier und Cola
Bedenklich an all dem ist nicht der Sinn oder Unsinn solcher Empfehlungen, sondern das Menschenbild, das hier von hoher staatlicher Stelle vermittelt wird. Unser Grundgesetz geht – zum Leidwesen aller, die schon immer alles besser zu wissen meinen – von einem selbstverantwortlichen Bürger aus. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verfassung folgt der Vorrang der individuellen Selbstbestimmung, selbst dann, wenn eine Handlung objektiv unvernünftig sein mag. Das klingt in den Ohren vieler wie eine Provokation, hängt aber tatsächlich auch mit der Menschenwürdegarantie zusammen.
Wirft man all das in die Waagschale, muss man eigentlich zur Überzeugung kommen, dass der freie Bürger auch frei darüber entscheidet, mit welchem Maß an Vernunft er das Fußballspiel seines örtlichen Vereins besucht. Es geht hier immerhin um Sportveranstaltungen und nicht um einen Krankenhausaufenthalt.
Sportveranstaltungen besucht man in der Regel freiwillig. Und gerade im ländlichen Raum sind die vielen tausend Sportevents – vom Fußball bis zum Reitsport – ein fundamentaler Anker im sozialen Gefüge. Es ist nicht nur ungewöhnlich, dass Besucher solcher Veranstaltungen das ein oder andere Bier mehr trinken und ihren Kindern vielleicht mehr Spezi ausgeben, als es vernünftig ist – es gehört schlichtweg dazu. Sport schafft Geselligkeit über die eigentliche sportliche Tätigkeit hinaus.
Hinzu kommt: Unsere Sportvereine machen mit Bratwurst, Bier und Cola zu erschwinglichen Preisen mehr für unser demokratisches Gemeinwesen, als es jedes Demokratiefördergesetz je könnte. Ich wage zu bezweifeln, wie sehr das noch gelingen wird, wenn auf den Plätzen der Republik die dünne Saftschorle, die übrigens laut Hitzeschutzplan keinesfalls eiskalt serviert werden darf, das erfrischende Alster verdrängt.
Die Bürger zur Vernunft bringen
Nun
ist diese Entwicklung keinesfalls neu. Nina Warkens Amtsvorgänger Karl
Lauterbach hat seine gesamte politische Karriere auf apokalyptischen
Warnungen begründet. Und gelegentlich hat er sich auch zu
Gesundheitsempfehlungen hinreißen lassen, die ziemlich ungesund waren –
zum Beispiel, als er empfahl, Staubsaugerbeutel aufzuschneiden und als
Mund-Nasen-Schutz zu verwenden, oder als er für den Hitzeschutz riet,
die Fenster während hoher Temperaturen grundsätzlich verschlossen zu
halten. Man könnte das Ganze also als weitere Fußnote einer seit Corona
unaufhaltsam voranschreitenden Entwicklung eines völlig über das Ziel
hinausschießenden Staates betrachten, der seine Bürgerinnen und Bürger
mit harter Hand zur Vernunft bringen will.
Aber der „Musterhitzeschutzplan für den organisierten Sport“ erhitzt die Gemüter nicht ohne Grund mehr als beispielsweise der am gleichen Tag vorgestellte Musterhitzeschutzplan für Apotheken. Dieser ist nicht nur deutlich kürzer als der für den Sport, er kommt auch mit weit weniger befremdlichen Empfehlungen daher. Vielleicht liegt es daran, dass der Plan für die Apotheken in Zusammenarbeit mit der Apothekenkammer erstellt wurde.
Grillen im Hitzeschutzplan
Der Plan für den Sport entstand hingegen nicht nur in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, sondern auch mit der „Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit e.V.“ – einer NGO mit einer klaren politischen Agenda, wie ein Blick in das Lobbyregister verrät. Zusammen mit dem DGB hat man etwa jüngst einen großen Appell zur Reform der Schuldenbremse initiiert. Und auch für die sogenannte „Ernährungswende“ wird getrommelt: Fleischkonsum sei schlecht für den Klimaschutz, und deswegen müsse die pflanzenbasierte Ernährung gefördert werden. So mag sich erklären, dass der Verzicht auf das Grillen Aufnahme in den Hitzeschutzplan gefunden hat.
Allein – das ist kein Thema für die Frage der Klimaanpassung, um die es in einem Hitzeschutzplan nun einmal gehen sollte. Hat die NGO der neuen Bundesgesundheitsministerin und dem DOSB etwas untergemogelt? Jedenfalls darf man es für nicht sehr zielführend halten, derartige amtliche Empfehlungen von Öko-Lobbyorganisationen schreiben zu lassen. Das schadet vor allem der Glaubwürdigkeit staatlichen Handelns – besonders, wenn der Staat sich weiter in das Geflecht von Nichtregierungsorganisationen einweben lässt, deren Interessen naturgemäß nicht identisch mit denen des Staates sind.
In diesem Lichte ist auch der Verweis im Hitzeschutzplan auf das Projekt „KLIMASPORT“ zu betrachten, das von einer gemeinnützigen Organisation getragen und – natürlich – ebenso wie die Klimaallianz von öffentlichen Geldern profitiert. Dort werden auch Tipps zum Bau von E-Ladesäulen und dem Kauf nachhaltiger Textilien gegeben.
Ich finde es mehr als
befremdlich, dass die neue Ministerin nahtlos dort weitermacht, wo
Rot-Grün aufgehört hat und die Grenzen zwischen Nichtregierungs- und
Regierungsorganisation weiter so verwischen. Vielleicht bietet sich über
das Pfingstwochenende ja Gelegenheit für die neue Ministerin, darüber
zu reflektieren, welches Signal man mit solchen Peinlichkeiten wie dem
Hitzeschutzplan aussendet. Vielleicht bei einer Limo und einer
Bratwurst. Das Wetter soll ja recht kühl werden.
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