12 Juni 2025

Kubicki - Der Hitzeschutzplan und die NGO (Cicero+)

Kubicki
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Der Hitzeschutzplan und die NGO (Cicero+)
Der Hitzeschutzplan des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für den Breitensport hat ein großes Echo erfahren. Bemerkenswert: An der Erstellung hat auch die „Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit“ mitgewirkt. Hat die NGO dem BMG und dem DOSB etwas untergemogelt?
KOLUMNE: UNGEFILTERT VON WOLFGANG KUBICKI am 7. Juni 2025
Ich weiß nicht, wie warm der Sommer wird, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass der Hitzeschutzplan aus dem Hause der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken keinen Einfluss darauf haben wird, wie gut oder schlecht wir diesen überstehen. Aber das ist so ziemlich die einzige Gewissheit, die sich daraus ziehen lässt. Dabei ist Hitzeschutz durchaus wichtig – genauso wie der Kälteschutz, weswegen wir Heizungen in unsere Häuser bauen. Eine Idee, die sich übrigens hervorragend verbreitet hat, ohne dass es dafür einer „Bundesempfehlung“ bedurft hätte. Die Idee, Heizungen staatlich zu regulieren, ist erst ein paar Jahrhunderte nach ihrer Etablierung gereift – aber das ist eine andere Geschichte.
In Deutschland sterben jedes Jahr mehrere Tausend Menschen durch Hitze. Allein im letzten Jahr waren es laut Schätzungen 2.800. Und das ist wahrlich kein neues Phänomen. Im Jahr 1994 waren es 10.200 Hitzetote – genauso wie 2003. Wir haben es also mit einem lange bestehenden Problem zu tun. Was natürlich gerne in der öffentlichen Debatte unter den Tisch fällt, denn die „Letzte Generation“ erklärt uns Alten ja ständig medienwirksam, dass keine Generation vom Wetter je so schwer getroffen worden sei wie sie. Wir Überlebenden der „Höllensommer“ 1994 und 2003 wissen es besser – aber sei es drum.
Die Gefahren des Klimawandels
Nun muss aber die Tatsache, dass ein Problem schon lange besteht, nicht dazu führen, dass man keinen politischen Willen entwickelt, dieses anzugehen. Im Gegenteil. Deswegen macht es beispielsweise Sinn, für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen Handreichungen für Maßnahmen bei übermäßiger Hitze zu entwickeln. In der schon länger bestehenden Handreichung für die Pflege wird etwa die engmaschigere Überwachung hitzebedingter Symptome empfohlen und die ausreichende Bereitstellung von Getränken. Man mag sich denken, dass das selbsterklärend ist – aber es schadet meines Erachtens auch nicht, das noch einmal aufzuschreiben.

Ähnliches gilt beispielsweise auch für den Bereich der Hygiene im Gesundheitssektor. 15.000 bis 20.000 Tote haben wir in jedem Jahr durch Krankenhauskeime in Deutschland zu beklagen. Kurioserweise entfalten Hygienepläne trotz der erschreckend hohen Fallzahl nicht die gleiche öffentliche Wirkung wie Hitzeschutzpläne. Auch einen bundesweiten Warntag zur Hygiene gibt es nicht. Aber es gibt den Hitzeschutz-Warntag, der regierungsamtlich und flankiert von diversen umweltbewegten NGOs die Bevölkerung auf die Gefahren des Klimawandels und damit der Hitze hinweisen soll.

Die frisch gebackene Bundesgesundheitsministerin Warken hat daher in dieser Woche neue Hitzeschutzpläne vorgestellt. Und vor allem der Hitzeschutzplan für den Bereich Sport hat ein enormes Echo erfahren. Das ist kein Wunder, denn wir erfahren in dem Machwerk zum Beispiel, dass bei Sportveranstaltungen besser kein Bier, Kaffee oder Limonade angeboten werden sollte. Stattdessen solle Tee und Saftschorle ausgeschenkt werden – der Tee natürlich nur „ungesüßt“ und die Saftschorle „dünn“, wie der Hitzeschutzplan ausdrücklich festhält. Die Gefahr lauert schließlich überall.

Der Plan enthält insgesamt viele nützliche Tipps zum Umgang mit heißen Sommertagen, von denen die meisten aber jedem seit dem Grundschulalter bekannt sein dürften: auf Kopfbedeckung achten, eincremen, helle Kleidung tragen und vor allem ausreichend trinken. Und er enthält Empfehlungen, bei denen der Zusammenhang zum Hitzeschutz nur schwer herzustellen ist. Vor allem der angeratene Verzicht auf das Grillen bei Sportveranstaltungen hat viele Fragezeichen hinterlassen.

Bratwurst, Bier und Cola 

Bedenklich an all dem ist nicht der Sinn oder Unsinn solcher Empfehlungen, sondern das Menschenbild, das hier von hoher staatlicher Stelle vermittelt wird. Unser Grundgesetz geht – zum Leidwesen aller, die schon immer alles besser zu wissen meinen – von einem selbstverantwortlichen Bürger aus. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verfassung folgt der Vorrang der individuellen Selbstbestimmung, selbst dann, wenn eine Handlung objektiv unvernünftig sein mag. Das klingt in den Ohren vieler wie eine Provokation, hängt aber tatsächlich auch mit der Menschenwürdegarantie zusammen.

Wirft man all das in die Waagschale, muss man eigentlich zur Überzeugung kommen, dass der freie Bürger auch frei darüber entscheidet, mit welchem Maß an Vernunft er das Fußballspiel seines örtlichen Vereins besucht. Es geht hier immerhin um Sportveranstaltungen und nicht um einen Krankenhausaufenthalt. 

Sportveranstaltungen besucht man in der Regel freiwillig. Und gerade im ländlichen Raum sind die vielen tausend Sportevents – vom Fußball bis zum Reitsport – ein fundamentaler Anker im sozialen Gefüge. Es ist nicht nur ungewöhnlich, dass Besucher solcher Veranstaltungen das ein oder andere Bier mehr trinken und ihren Kindern vielleicht mehr Spezi ausgeben, als es vernünftig ist – es gehört schlichtweg dazu. Sport schafft Geselligkeit über die eigentliche sportliche Tätigkeit hinaus.

Hinzu kommt: Unsere Sportvereine machen mit Bratwurst, Bier und Cola zu erschwinglichen Preisen mehr für unser demokratisches Gemeinwesen, als es jedes Demokratiefördergesetz je könnte. Ich wage zu bezweifeln, wie sehr das noch gelingen wird, wenn auf den Plätzen der Republik die dünne Saftschorle, die übrigens laut Hitzeschutzplan keinesfalls eiskalt serviert werden darf, das erfrischende Alster verdrängt.

Die Bürger zur Vernunft bringen

Nun ist diese Entwicklung keinesfalls neu. Nina Warkens Amtsvorgänger Karl Lauterbach hat seine gesamte politische Karriere auf apokalyptischen Warnungen begründet. Und gelegentlich hat er sich auch zu Gesundheitsempfehlungen hinreißen lassen, die ziemlich ungesund waren – zum Beispiel, als er empfahl, Staubsaugerbeutel aufzuschneiden und als Mund-Nasen-Schutz zu verwenden, oder als er für den Hitzeschutz riet, die Fenster während hoher Temperaturen grundsätzlich verschlossen zu halten. Man könnte das Ganze also als weitere Fußnote einer seit Corona unaufhaltsam voranschreitenden Entwicklung eines völlig über das Ziel hinausschießenden Staates betrachten, der seine Bürgerinnen und Bürger mit harter Hand zur Vernunft bringen will.

Aber der „Musterhitzeschutzplan für den organisierten Sport“ erhitzt die Gemüter nicht ohne Grund mehr als beispielsweise der am gleichen Tag vorgestellte Musterhitzeschutzplan für Apotheken. Dieser ist nicht nur deutlich kürzer als der für den Sport, er kommt auch mit weit weniger befremdlichen Empfehlungen daher. Vielleicht liegt es daran, dass der Plan für die Apotheken in Zusammenarbeit mit der Apothekenkammer erstellt wurde.

Grillen im Hitzeschutzplan

Der Plan für den Sport entstand hingegen nicht nur in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, sondern auch mit der „Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit e.V.“ – einer NGO mit einer klaren politischen Agenda, wie ein Blick in das Lobbyregister verrät. Zusammen mit dem DGB hat man etwa jüngst einen großen Appell zur Reform der Schuldenbremse initiiert. Und auch für die sogenannte „Ernährungswende“ wird getrommelt: Fleischkonsum sei schlecht für den Klimaschutz, und deswegen müsse die pflanzenbasierte Ernährung gefördert werden. So mag sich erklären, dass der Verzicht auf das Grillen Aufnahme in den Hitzeschutzplan gefunden hat.

Allein – das ist kein Thema für die Frage der Klimaanpassung, um die es in einem Hitzeschutzplan nun einmal gehen sollte. Hat die NGO der neuen Bundesgesundheitsministerin und dem DOSB etwas untergemogelt? Jedenfalls darf man es für nicht sehr zielführend halten, derartige amtliche Empfehlungen von Öko-Lobbyorganisationen schreiben zu lassen. Das schadet vor allem der Glaubwürdigkeit staatlichen Handelns – besonders, wenn der Staat sich weiter in das Geflecht von Nichtregierungsorganisationen einweben lässt, deren Interessen naturgemäß nicht identisch mit denen des Staates sind.

In diesem Lichte ist auch der Verweis im Hitzeschutzplan auf das Projekt „KLIMASPORT“ zu betrachten, das von einer gemeinnützigen Organisation getragen und – natürlich – ebenso wie die Klimaallianz von öffentlichen Geldern profitiert. Dort werden auch Tipps zum Bau von E-Ladesäulen und dem Kauf nachhaltiger Textilien gegeben.

Ich finde es mehr als befremdlich, dass die neue Ministerin nahtlos dort weitermacht, wo Rot-Grün aufgehört hat und die Grenzen zwischen Nichtregierungs- und Regierungsorganisation weiter so verwischen. Vielleicht bietet sich über das Pfingstwochenende ja Gelegenheit für die neue Ministerin, darüber zu reflektieren, welches Signal man mit solchen Peinlichkeiten wie dem Hitzeschutzplan aussendet. Vielleicht bei einer Limo und einer Bratwurst. Das Wetter soll ja recht kühl werden.

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