Eine Woche mit den Öffentlich-Rechtlichen – der Selbstversuch (WELT am Sonntag)
Von Henryk M. Broder, Reinhard Mohr, 29.06.2025, Lesedauer: 9 Minuten
Eine Woche analog fernsehen: Dafür muss man hart im Nehmen sein – zumal
beim Programm von ARD und ZDF. Unsere Autoren wagen es. Und gelangen zu
Erkenntnissen wie: Am Ende ist immer Israel schuld. Und man kann auch
über Abgründe des Islam berichten, ohne diesen je zu erwähnen
Letzte
Woche in der „Abendschau“ des RBB. Es geht um das Thema „Zwangsheirat“.
Junge Mädchen verschwinden aus der Schule und kommen nie wieder.
Seltsam nur: Weder in dem Filmbeitrag noch im Interview mit der
Beraterin einer Hilfsorganisation taucht auch nur ein einziges Mal das
Wort „Islam“ oder „muslimisch“ auf.
Schon gar nicht Länder wie die
Türkei, in die minderjährige Mädchen von ihren Eltern oder Verwandten
verschleppt werden. Wie soll man einen solchen Fernseh-Journalismus
nennen, der entscheidende Tatsachen verschweigt, über die er angeblich
berichtet?
Wer regelmäßig deutsches Fernsehen schaut, muss hart im Nehmen sein. Im
Programm erwarten ihn vor allem Quiz- und Spielshows, „Bares für Rares“,
zahllose Talkshows – und Krimis, Krimis, Krimis. Inzwischen hat jeder
Ort mit mehr als 50.000 Einwohnern entweder einen eigenen „Tatort“ oder
einen „Polizeiruf“. Wenn nicht, dann ruft „Der Alte“ oder „Ein Fall für
Zwei“, „Die Toten vom Bodensee“, die „Rosenheim-Cops“ oder die „WaPo am
Bodensee“.
Dazu
kommen der „Usedom-Krimi“, „Nord Nord Mord“, „Wilsberg“ und die „Soko
München“, aber auch die „Soko Stuttgart“, „Soko Wismar“ und „Notruf
Hafenkante“, der „Erzgebirgs-Krimi“, der „Flensburg-Krimi“ und die „Soko
Potsdam“. Für Südtirol-Fans ist im Angebot der „Bozen-Krimi“, für
Freunde der Schweiz der „Zürich-Krimi“ und für Multikulti-Fans der
„Istanbul-Krimi“. Fehlt nur die „Soko Ostpreußen“.
Die Zuschauer, so scheint es, können sich an Mord und Totschlag nicht sattsehen. Wem all das verbrechenstechnisch noch nicht reicht, kann an einem schönen Samstagabend zwischen dem „Schlagerboom Open Air 2“ mit Florian Silbereisen im Ersten und „Cindy aus Marzahn live“ auf RTL wählen.
Die Zuschauer, so scheint es, können sich an Mord und Totschlag nicht sattsehen. Wem all das verbrechenstechnisch noch nicht reicht, kann an einem schönen Samstagabend zwischen dem „Schlagerboom Open Air 2“ mit Florian Silbereisen im Ersten und „Cindy aus Marzahn live“ auf RTL wählen.