„Rassismus gibt es überall, er ist mitten unter uns“, mit diesen
apodiktischen Worten stellte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis
90/Die Grünen) Mitte des Jahres 2022 den Nationalen Rassismusmonitor
vor. Für Bundesfamilienministerin Paus handelte es sich um eine
„evidenzbasierte“ Grundlage für ihr Handeln. Daher hat sie damals
gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein „Demokratiefördergesetz“ auf den Weg gebracht.
Das Ziel: Vereine und Organisationen, die sich für die Stärkung der
Demokratie, gesellschaftliche Vielfalt und die Prävention von
Extremismus einsetzen, mit einer besseren finanziellen Grundlage
auszustatten. Das Gesetz ist heute, gut anderthalb Jahre später,
noch immer nicht vom Bundestag beschlossen worden. Und mehr noch regt
sich derzeit neuer Widerstand gegen das Vorhaben, auch aus den Reihen
der Ampelregierung. FDP-Vize Wolfgang Kubicki etwa ist sicher: „Es wird
kein sogenanntes Demokratiefördergesetz geben, das eine institutionelle
Finanzierung von Vereinen und Verbänden vorsieht, die sich als
sogenannte Nichtregierungsorganisationen bezeichnen.“ Das sagte er der dpa.
Und weiter: „Der demokratische Verfassungsstaat hat nicht die Aufgabe,
für gesellschaftliche Vielfalt zu sorgen. Wer meint, mithilfe eines
Gesetzes über die gesellschaftliche Vielfalt entscheiden zu können, hat
nicht den Schutz der Demokratie im Sinn, sondern eigene Machtpolitik.“
„Demokratie“ ist keine Weltanschauung
Wer
die Problematik eines solchen Demokratiefördergesetzes erkennen will,
muss sich intellektuell ein bisschen anstrengen, aber es lohnt sich.
Denn bei genauerer Betrachtung sind die Gründe, die derzeit von den
Befürwortern des Vorhabens angebracht werden, um es jetzt endlich zu
beschließen, dieselben Gründe, aus denen das Vorhaben besser zurück in
die Schublade gelegt, selbige verschlossen und der Schlüssel weggeworfen
werden sollte. Das wäre tatsächlich ein Dienst an der Demokratie, ein
Wort, das mittlerweile derart inflationär als Kampfbegriff gebraucht
wird, dass es allmählich zum leeren Klang verkommt.
Dass
„Demokratie“ keine Weltanschauung ist, wird in den aufgeregten Debatten
unserer Zeit leider häufiger vergessen respektive wissentlich
unterschlagen. Was Demokratie mit Weltanschauungen zu tun hat, ist vor
allem dies: Sie bündelt unterschiedliche Weltanschauungen im
demokratischen Prozess, sodass ein politisches System entsteht, in dem
nicht einer einzigen Ideologie gefolgt wird, koste es, was es wolle,
sondern in dem die Kraft des besseren Arguments zählt. In der gestritten
wird über konkrete Inhalte.
Deshalb ist es in Deutschland ja
auch möglich, dass sich Parteien mit unterschiedlichen
Basisüberzeugungen zusammenfinden, um mithilfe des Kompromisses – mehr
noch als das bessere Argument vielleicht das Schmieröl der Demokratie –
ein Land zu regieren. Auch, wenn dem Kompromiss gerne nachgesagt wird,
dass er „faul“ sei, macht genau er es erst möglich, dass sich
unterschiedliche Interessen zusammenführen lassen. Das ist häufig
mühsam, keine Frage. Der demokratische Prozess schützt die Menschen im
Land aber auch vor Ideologen, die in den Kategorien gut und böse denken
und ignorieren, dass die Welt sich aus Grautönen zusammensetzt. Nichts
ist uneingeschränkt gut und nur manches wirklich böse.
Auf einem anderen Stern
Nehmen
wir Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt und
Verfechterin des Demokratiefördergesetzes. Sie sagte der dpa
jüngst: „Wer heute auf die Idee kommt, bei der Demokratiestärkung
untätig zu bleiben, muss wirklich auf einem anderen Stern leben: Seit
Wochen gehen Millionen von Menschen auf die Straße, um unsere Demokratie
vor Rechtsextremen zu schützen – und Abgeordnete einer
Regierungsfraktion wollen ausgerechnet ein Gesetz zur Förderung
demokratischer Basisarbeit beerdigen.“ Ein solches Verhalten grenze an
Realitätsverlust, so Sonnenholzner.
Aus ihrer Perspektive ist die
Kritik an Kubicki und anderen Kritikern des Gesetzesvorhabens durchaus
nachvollziehbar, weil die Rechnung, die sie aufmacht, auf den ersten
Blick sehr plausibel wirkt: In einem Land, in dem die in Teilen
rechtsextremistische AfD in Umfragen einen Höhenflug erlebt und in dem
vor gut einem Monat ein ominöses Treffen in einem Landhaus am Lehnitzsee
stattgefunden hatte, bei dem es – laut den Recherchen einer Plattform
namens Correctiv – zu unschönen Einlassungen der Teilnehmer
gekommen sei (von wegen „Remigration“) muss man doch irgendwas
unternehmen, findet Sonnenholzner.
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Und
was liegt da näher, findet sie offenkundig auch, als
zivilgesellschaftliche Organisationen stärker zu fördern, die sich für
Werte wie „Weltoffenheit“ oder eben „die Demokratie“ einsetzen?! Wer
kann da was dagegen haben?! Doch bestimmt nur diejenigen, meint
Sonnenholzner wohl, die kein Interesse an all den tollen Werten haben,
für die diese Organisationen stehen! Womit mithin jeder, der ein solches
Gesetz unsinnig oder gar gefährlich findet, mal schnell zum
Antidemokraten gestempelt werden kann. Das sagt sie so zwar nicht – aber
das Brett vorm Kopf muss schon ziemlich dick sein, um nicht zu
erkennen, worauf die Kritik an den Kritikern des
Demokratiefördergesetzes hinausläuft.
Dabei ist es mit diesem
Gesetzesvorhaben auch nicht viel anders als mit dem Klimaschutz. Wer
Vorhaben danach bewertet, welches Etikett sie von jenen bekommen, die
diese Vorhaben unbedingt durchdrücken wollen, vergisst, dass nicht
überall, wo „Demokratie“ oder „Klimaschutz“ draufsteht, auch
„Demokratie“ oder „Klimaschutz“ drin ist. Oder „Demokratie“ oder
„Klimaschutz“ sind drin, aber eben auch negative Auswirkungen auf andere
Bereiche, die es zu berücksichtigen und abzuwägen gilt. Womit wir
wieder beim Kompromiss wären und dabei, was Demokratie ausmacht.
Wollt ihr die totale Demokratieförderung?
Das
Bundesfamilienministerium schreibt: „Das Demokratiefördergesetz schafft
erstmals einen gesetzlichen Auftrag des Bundes zur Förderung und
Stärkung der Demokratie, der politischen Bildung, der Prävention
jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit sowie der Gestaltung von gesellschaftlicher
Vielfalt und Teilhabe.“ Fördermittelempfänger erhielten „künftig mehr
Planungssicherheit“ und der Bund gewährleiste die Finanzierung von
Maßnahmen.
In den Ohren linksgrünbewegter Zeitgenoss*innen klingen
solche Sätze wie Beethovens Neunte in den Ohren von Klassikliebhabern.
Da entstehen mannigfaltige Glücksgefühle auf Basis des einen
Glücksgefühls, dass da was für die gute, die richtige, die moralisch
höherwertige Sache getan wird. Wollt ihr die totale Demokratieförderung?
Ja! Wollt ihr die … Jaaaaaa! Und wenn wir schon dabei sind, dann
sollten wir zudem die AfD verbieten und Björn Höcke die Grundrechte
entziehen … Jaaaaaa! Und „AfD nahe“ Medien genauer angucken ... Jaaaaaa!
Hört die Signale, auf zum letzten Gefecht: Der derzeitige Höhenflug der
AfD scheint das Gespür zu vernebeln, was Demokratie wirklich fördert
(Austausch, Diskussion, Parteienpluralismus usw.) und was letztlich nur,
wie es Kubicki formuliert, Machtpolitik ist, mit der versucht wird, den
Demokratiebegriff zu kapern für die eigenen Interessen.
Die Gedanken sind frei
Wenn
sich Personen einer Interessengruppe zusammenfinden und „Wir sind das
Volk!“ skandieren, dann ist das selten intelligenter als fünf Meter
Feldweg. Das galt schon für Pegida und es gilt auch für jene, die jetzt
„gegen rechts“ mobilisieren und nicht erkennen, dass das Volk keine
einzelne Interessensgemeinschaft sein kann, sondern die Summe ist aus
vielen inländischen Interessensgemeinschaften, zu der auch die AfD und
ihre Wähler zählen.
Mehr noch ist es in der Bundesrepublik
Deutschland sogar erlaubt, sich systemfeindlich zu äußern, wenn man dies
der AfD vorwerfen möchte. Problematisch wird es erst, wenn aus der
Kritik am Staat ein geplanter Umsturz wird – weshalb es auch grenzirre
ist, wenn eine Bundesinnenministerin das „Verhöhnen des Staates“ unter
Strafe stellen möchte. Denn ich, Sie und jeder hat das verfassungsgemäße
Recht, den Staat zu verhöhnen, ihn furchtbar zu finden oder sich
Gedanken darüber zu machen, ob das Parteiensystem, wie wir es kennen,
besser abgeschafft gehört.
Als freier Bürger kann ich sogar die
Demokratie ganz grundsätzlich infrage stellen und der Meinung sein, dass
der Sozialismus oder eine Monarchie bessere Staatsformen wären als die
unsere. Ich darf von einem Kalifat träumen oder davon, dass sich Bayern
und Teile Österreichs zu einem Kaiserreich zusammenschließen, und es
wäre dennoch vom Grundgesetz gedeckt. Die Gedanken sind frei, übrigens
auch in einer privaten Runde am Lehnitzsee. Und das ist auch gut so.
Eine wahnsinnig schlechte Idee
Ohne
Zweifel sind mithilfe der Förderprogramme des Bundes und der Länder in
den vergangenen Jahren zahlreiche wertvolle Projekte gefördert worden,
die es auch verdient hätten, weiterhin gefördert zu werden. Ein solches
Projekt ist – ich erwähne es an dieser Stelle, weil ich kluge und
politisch linke, aber durchaus reflektierte Leute kenne, die sich dort
engagieren – zum Beispiel das Bellevue di Monaco in München, ein
Unterbringungs- und Kulturzentrum für unbegleitete jugendliche
Flüchtlinge. Dort finden 40 Menschen Unterkunft, Beratungsangebote,
Veranstaltungsräume und ein Kulturprogramm. Auf dem Dach des Gebäudes
ist ein Fußballplatz, weil Sport bekanntlich eines der besten
Instrumente für eine gelingende Integration ist.
Es sind Projekte
wie diese, die gerne herausgestellt werden, wenn es um die Förderung
zivilgesellschaftlichen Engagements mit Steuergeld geht. Im Falle des
Bellevue di Monaco kommt die Förderung unter anderem vom bayerischen
Innenministerium. Aber eigentlich ist zivilgesellschaftliche
Entwicklungshilfe durch den Staat eine kuriose Angelegenheit. Fragt man
zum Beispiel den Philosophen Jürgen Habermas, dann ist es umgekehrt die
Zivilgesellschaft – also Kirchen, Verbände, Gewerkschaften, Vereine und
eigentlich auch die Parteien –, die dem Staat Beine machen soll. Es geht
darum, dass die Bürger selbstorganisiert ihre Interessen definieren und
gegenüber Staat wie Mitbürgern vertreten. Eigentlich ist die
Zivilgesellschaft somit ein Machtkorrektiv zur Verhinderung eines
Obrigkeitsstaats – und da sind wir dann auch bei dem Punkt angelangt,
warum ein solches Demokratiefördergesetz eine wahnsinnig schlechte Idee
ist.
Perfide, aber effektiv
Bei der sogenannten
Demokratieförderung fallen oft Schlagworte wie „Weltoffenheit“,
„Toleranz“, „Vielfalt“ und „Transparenz“. Aber wenn man reinhorcht in
das Milieu, sieht es etwas anders aus. Als Cicero-Autor Mathias Brodkorb vor zwei Jahren zum Thema recherchierte (Teile seiner veröffentlichten Recherche sind auch Teil dieses Textes)
wollten viele Gesprächspartner manches nur anonym sagen, einige ihre
Argumente gleich überhaupt nicht in der Öffentlichkeit lesen.
Da
wäre zum Beispiel Martin H., mit dem Brodkorb für seinen Beitrag
gesprochen hat. Martin H. arbeitete schon lange in einem Projekt, das
vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert wird. H. beschreibt die
Lage damals so: „Seit Jahren schwelt ein handfester Konflikt in der
Szene. Es gibt die einen, die Aktivisten, die Volkspädagogik und
Erziehung betreiben. Ihnen geht es letztlich um Gefolgschaft.“ Wo das
mit Argumenten nicht gelinge, werde auch zu anderen Methoden gegriffen,
öffentlicher Skandalisierung zum Beispiel.
Auf der anderen Seite
stünden die politischen Bildner. Für sie sei „Mündigkeit“ das Fundament
der Demokratie. „Das hat dann aber zur Folge, dass man selbst
reaktionäre Positionen zur Debatte stellen können muss. Echte Demokratie
und über öffentlichen Druck erzwungene Gefolgschaft haben nichts
miteinander zu tun. Es sei denn in einer Demokratie der Lemminge“, so
Martin H.
Besonders perfide, aber effektiv fand er, dass bestimmte
Aktivisten Feigenblätter der „Vielfaltsgestaltung“ sammeln würden.
Gemeint sind damit zum Beispiel Projekte aus den Bereichen
Migranten-Selbsthilfeorganisationen, Diversität oder Transgender. Diese
Themen seien moralisch derart aufgeladen, dass sie bei jeder
grundsätzlichen Debatte über die Ausrichtung der Demokratieförderung in
Stellung gebracht werden könnten. Es gehe darum, Diskussionen durch
öffentlichen Druck abzuwürgen.
Nicht im Sinne einer lebendigen Demokratie
Mit
dem neuen Demokratiefördergesetz sollen die bisherigen Förderkulissen
nicht nur verstetigt, sondern noch weiter ausgebaut werden. Auf 200
Millionen Euro dürfte die Finanzausstattung der Demokratieförderung
ansteigen, sollte das Gesetz erfolgreich den Bundestag passieren. Von
ihm profitieren würden aber nicht nur Vereine und Organisationen, deren
Mitglieder aus ehrenwerten Gründen ihre Zeit opfern, um diese
Gesellschaft ein bisschen besser zu machen. Sondern auch solche, die vor
allem Vorfeldorganisationen linksgrüner Politik sind und an Vielfalt im
meinungspluralistischen Sinne überhaupt kein Interesse haben – was
offensichtlich nicht im Sinne einer funktionierenden und lebendigen
Demokratie sein kann.
Organisationen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung zum Beispiel,
die alles dafür tun, um ihre Vorstellung von „Demokratie“ – als
Metapher für alles Linksgrünwoke – auf geradezu militante Weise in die
Gesellschaft zu tragen; inklusive Petz-Portalen. Und Organisationen und
Vereine, die womöglich hier und da gute Projekte mit Steuergeldern
finanzieren, hinter denen aber Köpfe mit einer klaren linksradikalen bis
linksextremen Agenda stecken, zu der freilich auch gehört, den
öffentlichen Raum zu säubern von Aussagen, die durch und durch legitim
sind, aber dezidiert nicht linksgrün: Aussagen in Diskussionen übers
Gendern, Klimapolitik oder Migrationspolitik.
Ein riesiger Etikettenschwindel
Es
ist leider zu vermuten, dass Lisa Paus und Nancy Faeser genau wissen,
dass auch Leute von der von ihnen angedachten „Demokratieförderung“
profitieren würden, die genau genommen gar keine überzeugten Demokraten
sind. Denn ein solcher tritt auch ein für Meinungspluralismus und würde
zum Beispiel nie auf die Idee kommen, ein Parteienverbot, wie es derzeit
mit Blick auf die AfD gefordert wird, zum Instrument einer „wehrhaften
Demokratie“ zu verklären. Und ein solcher würde auch Zweifel anmelden an
Organisationen und Vereinen, die sich Nichtregierungsorganisation
nennen, aber nicht nur vom Staat finanziert, sondern mit Teilen der
Bundesregierung eng verbandelt sind; vom Recherchezentrum Correctiv bis zu Annalena Baerbocks Staatssekretärin Jennifer Morgan, die zuvor Chefin von Greenpeace war.
Interessant
ist entsprechend, dass sich Organisationen, deren Tätigkeiten ja
angeblich die Demokratie stärken sollen, nicht einmal schriftlich
bekennen müssten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, um vom
Demokratiefördergesetz zu profitieren. Eine solche Grundbedingung, die
nüchtern betrachtet nur logisch ist, lehnen SPD und Grüne kategorisch
ab. Wohlwissend, dass es im Dunstkreis der „Demokratieförderung“ eben
auch Leute und Strukturen gibt, die die Demokratie nicht stärken,
sondern in ihrem Sinne schwächen wollen.
Was aus dem angedachten Demokratiefördergesetz folgen würde, bringt die Neue Zürcher Zeitung schön auf den Punkt: „Viel Geld für viele linke Organisationen.“
Anders formuliert: Eine „Demokratieförderung“, von der vor allem
Organisationen und Vereine mit einer konkreten Weltanschauung
profitieren würden, fördert vieles – aber sicherlich nicht „die
Demokratie“. Das von Paus und Faeser vorangetriebene
Demokratiefördergesetz hat also nicht nur Sicherheitslücken – etwa bei
der Bekenntnisfrage – sondern ist insgesamt ein einziger großer
Etikettenschwindel. Weg damit!
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