Ein Ort des freien Diskurses
Solche Vorfälle ereignen sich häufig an Hochschulen, die eigentlich ein Ort des freien Diskurses
sein sollten. Das zeigte sich jüngst gleich mehrfach, als die
Universitäten nicht in der Lage waren, antisemitischer Störer Herr zu
werden. Aber das war keine neue Entwicklung. Vor einiger Zeit konnte an
der Berliner Humboldt-Universität eine Biologin nicht sprechen, weil sie
der Ansicht ist, es gebe nur zwei Geschlechter. Auch an der
Goethe-Universität in Frankfurt kommt es häufiger vor, dass sogenannte
Aktivisten unliebsame Redner massiv stören oder ihren Auftritt
verhindern. Eine Diskussion über ein mögliches Kopftuchverbot führte zu
einer Schlägerei, ein Vortrag des Polizeigewerkschafters Rainer Wendt
musste aus Sicherheitsgründen abgesagt werden.
- „Wir sind ehrliche Unternehmer, keine verblendeten Radikalen“
- Unzufriedenheit mit der Ampel: Wut ist nicht undemokratisch
- „Robert Habeck soll wieder Kinderbücher schreiben“
Die pöbelnden und teilweise gewalttätigen Landwirte und die aggressiven studentischen Störer haben eines gemeinsam: ihre Intoleranz gegenüber anderen Ansichten. Doch der dadurch ausgelöste mediale Aufschrei fällt unterschiedlich aus. Solche Proteste gegen Grünen-Politiker werden – zu Recht – als undemokratisch, ja demokratiefeindlich gebrandmarkt. Kommt es dagegen unter dem Label „gegen rechts“ zu massiven Einschränkungen der Redefreiheit, dürfen die Störer mit viel Verständnis rechnen. Der Tenor: Eigentlich sei das nicht in Ordnung. Aber man müsse auch den guten Zweck beachten.
Der Staat muss AfD-Veranstaltungen schützen
Offenbar gibt es Zustände, an die wir uns in einer Demokratie durchaus gewöhnen sollen. Dazu zählen viele Aktionen gegen die AfD. Es gibt viele gute Gründe gegen die in Teilen rechtsextremistische Partei zu demonstrieren. Aber es macht einen Unterschied, ob man der AfD die rote, besser: die braune Karte zeigt, oder ob man die Höcke-Partei daran hindert, eigene Veranstaltungen durchzuführen.
Immer häufiger versuchen Mitglieder linker Parteien und linkradikaler „antifaschistischer“ Gruppierungen AfD-Veranstaltung durch Blockade des Versammlungsorts zu verhindern. Dann muss die Polizei eingreifen. Denn in unserem Rechtsstaat gilt eben Artikel 8 des Grundgesetzes: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.“
Im Grundgesetz steht nicht, dass nur bestimmte Parteien Versammlungen abhalten dürfen. Da die AfD ungeachtet offenkundiger völkischer und rassistischer Tendenzen nicht verboten ist, kann der Staat ihre Versammlungen nicht untersagen; er muss sie sogar schützen. Dass linke und linksradikale Gruppen, von denen einige vom Verfassungsschutz beobachtet werden, per Selbstjustiz ein Versammlungsverbot durchzusetzen versuchen, sollte in einem demokratischen Rechtsstaat nicht als „normal“ gelten.
Keine völlig neue Erscheinung
Was die Grünen-Vorsitzende als nicht „normal“ bezeichnet, ist überdies keine völlig neue Erscheinung. In den 1970er-Jahren war es gängige Praxis der sich hauptsächlich aus Studenten zusammensetzenden Außerparlamentarischen Opposition (APO), Veranstaltungen von CDU und CSU massiv zu stören oder nach Möglichkeit zu verhindern. Unionspolitiker konnten oft nur unter massivem Polizeischutz auftreten. Wegen des Radikalenerlasses der Regierung Brandt waren bisweilen auch SPD-Politiker von solchen rabiaten Formen der politischen Auseinandersetzung betroffen.
Zu den APO-Aktivitäten gehörte es auch, die Auslieferung von Zeitungen aus dem Haus Springer mit Gewalt zu blockieren. Straßenschlachten zwischen APO-Kämpfern und der Polizei waren in Universitätsstädten keine Seltenheit. In Frankfurt tat sich dabei besonders Joschka Fischer hervor. Er war Anführer einer sich „Putztruppe“ nennenden Schlägerbande, die Angriffe auf die Polizei „auf einer Waldlichtung und im Karatekeller der Uni“ trainierte, wie der spätere RAF-Terrorist Hans-Joachim Klein schrieb. Klein: „Wir züchteten uns zu einer elitären Militanz-Elite-Truppe heran“.
Nicht wenige APO-Anführer fanden schließlich ihre politische Heimat in der SPD und bei den Grünen. Ohne Joschka Fischer wären die Grünen kaum so stark geworden, dass sie von 1998 an in der ersten rot-grünen Bundesregierung mitregieren konnten. Fischers revolutionäre Vergangenheit war bei seinem Aufstieg zum Außenminister kein Hindernis; sie wurde von den meisten Medien geradezu verklärt. Auch wenn wir uns, um mit Lang zu sprechen, an bestimmte Zustände niemals gewöhnen sollten: Dass hierzulande bei Demonstrationen und Demonstranten zweierlei Maß gilt, daran haben wir uns längst gewöhnt.
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