28 Februar 2024

Urteil nach Recherche - Correctiv erleidet eine Teil-Niederlage vor Gericht (Cicero+)

Urteil nach Recherche
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Correctiv erleidet eine Teil-Niederlage vor Gericht (Cicero+)
Das Landgericht Hamburg hat eine Einstweilige Verfügung gegen Correctiv erlassen. Der Grund: eine Falschbehauptung in Zusammenhang mit dem angeblichen „Geheimtreffen“ in Potsdam. Für die „gemeinnützige“ Rechercheplattform ist das Urteil überaus peinlich.
VON FERDINAND KNAUSS am 27. Februar 2024
Einer der Teilnehmer des angeblichen „Geheimtreffens“ von Potsdam hat gegen das Recherchenetzwerk Correctiv einen Erfolg vor Gericht erstritten. Das Landgericht Hamburg hat in einem Urteil, das Cicero vorliegt, heute eine Falschbehauptung von Correctiv in dem viel zitierten Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ verboten. In diesem wurde bisher der Staatsrechtler Dr. Ulrich Vosgerau aus seinem Vortrag – dem Urteil zufolge fälschlich – indirekt so zitiert: 

„Den Vorschlag, man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, hält Vosgerau für denkbar: je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit.“ 

Diese Passage in dem Artikel wurde verboten. Denn: Correctiv wollte offenbar den Eindruck erwecken, Vosgerau wolle eine große Flut an Klagen gegen Wahlergebnisse auslösen und diese dadurch delegitimieren. Doch Vosgerau, beziehungsweise sein Anwalt Carsten Brennecke von der Kanzlei Höcker in Köln, konnte das Gericht davon überzeugen, dass er das Gegenteil gesagt hat: Nicht auf die Zahl der Klagen kommt es an, sondern auf die Argumentation. Dass ein habilitierter Verfassungsrechtler wie Vosgerau nicht etwas rechtlich evident Falsches verkündet, hätte ein sachkundiger Autor bei Correctiv eigentlich wissen müssen. Die verbotene Passage im Correctiv-Artikel sei „prozessual unwahr“ heißt es im Urteil. 

Wahlfreiheit aufgrund familiärer Einflüsse

Für ein journalistisches Unternehmen, das sich vor allem als Fakten-Checker betätigt, ist das Urteil also zumindest sehr peinlich. Zumal es um einen Artikel geht, der landesweit extrem großes Aufsehen erregte und der Anlass für eine wochenlange Reihe von Demonstrationen gegen den Rechtsextremismus war.

Vosgerau klagte auch gegen zwei weitere Passagen, hatte hierbei allerdings keinen Erfolg. Es ging einerseits um eine Stelle, in der der Correctiv-Text seine angeblichen „Bedenken in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten“ erwähnt. Vosgerau sieht diese Passage als „verkürzt“ und „sinnentstellend“ an. Hier weist das Gericht die Klage aber ab und hält die Darstellung für vertretbar. Vosgerau sah den Eindruck erweckt, er würde pauschal türkischen Briefwählerinnen die Wahlfreiheit aufgrund familiärer Einflüsse absprechen.

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Politisch am brisantesten ist der dritte Teil der Klage, in dem es um die vermeintlichen Pläne der Teilnehmer des Treffens ging, Deutsche mit Migrationshintergrund aus dem Land zu treiben. Vosgerau beanstandete, dass er auf eine Presseanfrage von Correctiv mehr gesagt hatte, als Correctiv schließlich zitierte. Vosgeraus Stellungnahme an Correctiv lautete: 

„Es ist dort nach meiner Erinnerung von niemandem gesagt worden, es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert worden. Dies wäre ja rechtlich normalerweise auch gar nicht möglich.“ 

Correctiv machte daraus im Artikel: 

„An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können.“

Das Gericht verbot diesen Teil des Correctiv-Artikels nicht, weil laut Urteil die Wiedergabe der verschwiegenen Aussagen beim Leser nicht zu einem erheblich anderen Verständnis geführt hätte. Vosgeraus Anwalt Brennicke, der laut Website der Kanzlei Höcker Mitglied der Grünen ist, kommentierte nach dem Urteil: „Correctiv muss sich fragen lassen, weshalb es seinen Lesern diese wesentliche Information im Bericht vorenthielt. Platz genug wäre gewesen, um Vosgeraus Stellungnahme vollständig abzudrucken.“

Eine überspitzt inszenierte Wertung

Trotzdem sieht Brennicke den Prozess als „vollen Erfolg“. Nicht nur wegen des Verbots der Tatsachenbehauptung in Sachen Wahlklagen, sondern auch, weil man Correctiv in dem Verfahren habe zwingen können, „den Kernvorwurf von den angeblichen Ausweisungsplänen selbst zu revidieren“. In diesem Kernvorwurf steckte auch der politische Zündstoff, der schließlich zu der Demonstrationsbewegung der vergangenen Wochen führte. 

Allerdings hat Correctiv selbst vor Gericht zugegeben, dass das eigene vermeintliche Recherche-Ergebnis, nämlich, dass es beim Potsdam-Treffen um den Plan der Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien gegangen sei, keine Tatsache, sondern eine überspitzt inszenierte Wertung war.  Sieben Teilnehmer des Treffens hatten vor Gericht eidesstattlich versichert, dass solche angeblichen Pläne nicht diskutiert wurden. 

Brennicke sagt dazu: „Die medienrechtlich offenbar gut beratenen Correctiv-Aktivisten hatten dies zwar auch nie explizit behauptet. Fast jeder hatte die Andeutungen, Mutmaßungen und Meinungsäußerungen von Correctiv aber so missverstanden, als habe es die Ausweisungspläne tatsächlich gegeben.“ 

Meinungsäußerungen und Manipulation

Correctiv schreibt im Schriftsatz des Verfahrens laut Brennicke selbst: „Eine derartige Tatsachenbehauptung, die der Beweise oder der Glaubhaftmachung zugänglich wäre, wird in dem streitgegenständlichen Artikel nicht erhoben. Im Gegenteil: Die deutsche Staatsbürgerschaft hat Sellner in seinen Ausführungen ausdrücklich als juristische Sperre für eine Ausweisung anerkannt.“ 

Für Vosgerau und die anderen Teilnehmer ist das ein Problem, da die Meinungsäußerungen von Correctiv in der Öffentlichkeit und auch von Politikern als Rechercheergebnisse (also Tatsachen) gehandelt werden, aber juristisch nur Meinungsäußerungen sind, die auf Grund des Grundrechts der Meinungs- und Pressefreiheit vor Gericht nicht angreifbar sind. 

Brennicke sagt: 

„Es war den Teilnehmern der Veranstaltung dennoch wichtig, öffentlich klarzustellen, dass die von Correctiv geschickt insinuierten konkreten Ausweisungspläne nie Thema der Veranstaltung waren. Denn genau dieser Vorwurf hatte zu Recht die Menschen zu Massendemonstrationen auf die Straßen getrieben. Daher legten wir im Verfahren sieben eidesstattliche Versicherungen vor, die klarstellten, dass die Darstellung von Correctiv falsch ist. Correctiv hat sich wie erwartet hierzu geäußert und in einem Schriftsatz an das Gericht ausdrücklich bestätigt, dass Correctiv gar nicht behauptet habe, in Potsdam  sei die Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien besprochen worden.“ 

Es dürfte ein in der Geschichte der deutschen Öffentlichkeit wohl einzigartiger Vorgang sein, dass die juristische Einordnung eines journalistischen Textes (als Meinungsäußerung) so weit von der öffentlichen Wahrnehmung (als recherchierte Tatsache) abweicht. Der Correctiv-Artikel hatte die Wirkmacht einer vermeintlichen Tatsache und machte sich zugleich als formale Meinungsäußerung juristisch unangreifbar. Man kann das durchaus wie Brennicke für „manipulativ“ halten. 

Correctiv-Herausgeber David Schraven hat übrigens auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn Brennicke persönlich dafür angegriffen, „Public Relations für die Faschisten in der AfD gegen uns zu machen". Brennicke, wie gesagt Grünen-Mitglied, wies ihn darauf hin, dass er nicht für die AfD arbeite, sondern die anwaltliche Vertretung für Ulrich Vosgerau übernehme (der nicht AfD-Mitglied ist).

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