Nena Brockhaus |
Frau Brockhaus, was halten Sie vom
vielfach gehörten Gen Z-Appell, die Alten müssten den Jungen
respektvoller und wertschätzender begegnen?
Nena Brockhaus: Ich
empfinde diesen Appell als fehlende Demut vor dem Alter und der damit
verbundenen Lebensleistung. Gerade als Journalistin erlebe ich in meiner
Branche Angehörige der Gen Z, die noch nie einen Arbeitsplatz für
jemand anderen geschaffen haben, die kein bahnbrechendes Patent erfunden
haben, die keine Verantwortung für Kinder tragen, aber mit größter
Selbstsicherheit ihre zumeist linke Weltsicht verbreiten und fordern,
dass die Alten da oben mal ganz still sein sollen. Bestenfalls Platz
machen, zur Seite gehen. Wie können die Jungen sich anmaßen, mit solchen
Forderungen zu kommen?
Die jungen Frauen, mit denen wir
gesprochen haben, wollen die Alten allerdings nicht weghaben, sondern
wünschen sich mehr Kooperation. Mehr Augenhöhe.
Brockhaus: Der
Begriff Augenhöhe ist für mich an dieser Stelle gänzlich unpassend. Denn
er suggeriert, dass etwas, das erst erarbeitet werden muss, schon da
ist. Die 18-jährige Berufsanfängerin befindet sich selbstverständlich
nicht auf Augenhöhe mit dem 65-jährigen Boss.
Reden wir von Leistung?
Brockhaus:
Ja, und von Bildung. Zu viele aus der Gen Z empfinden Leistung und
Ausbildung heute als etwas nebensächliches. Es gab noch nie so viele
Ausfälle und Lehrabbrüche wie in der Gen Z. Nach dem Motto: Es geht auch
ohne Ausbildung und ein Studium abzubrechen ist doch nichts Schlimmes…
Sicher, es gibt Ausnahmen wie Steve Jobs oder Mark Zuckerberg, aber
selbst diese Ausnahmebeispiele ändern nichts daran, dass Bildung ein
Privileg ist. Ich war für mein Studium an der Universität Maastricht und
meine Zeit an der Handelsblatt Journalistenschule jeden einzelnen Tag
sehr dankbar.
Also sollen die Jungen erst mal ranklotzen, buckeln – und die Klappe halten?
Brockhaus:
Um Klappe halten geht es mir überhaupt gar nicht. Ganz im Gegenteil.
Wer mich kennt, weiß, dass die Wildheit und das Laute ein großer Teil
meiner DNA sind. Für mich selbst einzustehen, wurde mir früh
beigebracht. Ich habe bereits in meiner Jugend auf die Meinung der
anderen gepfiffen. Nein, Duckmäusertum ist nicht das Thema, aber mir
wurde im selben Maße Respekt vor Lebensleistung anerzogen und dieser
Respekt fehlt mir bei vielen Angehörigen der Gen Z. Und ranklotzen?
Warum wird das so negativ gesehen? Ich bin überzeugt: Man kann eine
Tätigkeit erst lieben, dafür leidenschaftlich brennen, wenn man
ranklotzt. Und ja, bereit ist alles zu geben.
Eine unsere
Interviewpartnerinnen, die „Baufluencerin“ Isabelle Vivianne ,
kritisiert die aus ihrer Sicht verbreitete Auffassung, Respekt sei an
Leistung gekoppelt – und die Haltung, die Gen Z müsse sich Respekt mal
verdienen. Sie selbst sieht das anders: Respekt ist für sie eine
Voraussetzung.
Brockhaus: Ja, Isabelle Vivianne fordert viel. Eine
weitere Erwartungshaltung von ihr, die mir sehr missfällt: „Begegnet den
Jungen mit mehr Empathie. Geht liebevoll ran. Ja genau, die Liebe
fehlt. Da geht es immer nur um Baam – Wirtschaft, Zahlen, Fakten.“ Ich
kann bei solchen Aussagen nur den Kopf schütteln. Nicht nur, dass
Wirtschaft, Zahlen, Fakten die Arbeitsplätze sichern. Isabelle Vivianne
offenbart mit ihrer Aussage auch eine Grundhaltung, die ich bei der Gen Z
allgemein schwierig finde: Ich, Ich und Ich.
Muss man sich Respekt verdienen?
Brockhaus:
Sicherlich. Nicht nur von anderen. Man schuldet auch sich selbst
gegenüber Respekt, indem man stets das Maximum aus sich herausholt. Es
ist doch im eigenen Interesse in jeder Disziplin ins leidenschaftliche
Brennen zu kommen. Ein Beispiel aus der Freizeit: Ich habe dieses Jahr
mit Zumba begonnen. Die ersten fünf Stunden waren furchtbar. Erst als
ich begann, auch außerhalb des Fitnessstudios die Schritte zu studieren,
ging der Knoten auf.
Lässt sich das auf das Berufsleben übertragen?
Brockhaus:
Absolut. Wenn man im Journalismus Fuß fassen willst, erledigt man am
Anfang die Straßenumfragen und schreibt Pressemitteilungen, bevor die
großen Reportagen kommen. Im Consulting bleibst du anfangs eben mal vier
Stunden länger und steigerst dich in deine Excel-Tabellen rein. Von
nichts kommt nichts.
Und wenn dann „nichts kommt“, gibt man dem „alten weißen Mann“ die Schuld?
Brockhaus:
Dass dieses Feindbild aufgebaut wird, ist ein verbreitetes Muster. Mir
wäre so was im Leben nicht eingefallen. Vielleicht auch, weil ich an
dieser Stelle anders sozialisiert bin.
Was meinen Sie?
Brockhaus:
In meiner Kindheit und Teenagerzeit hat meine Uroma oft auf uns
aufgepasst. Martha wurde 1923 geboren, vier Jahre nachdem die Frauen in
Deutschland das erste Mal wählen durften. Sie war eine kluge und im
Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus auch politische Frau. Ich bin
überzeugt: Hätte sie später gelebt, wäre sie eine grandiose Journalistin
geworden. Die Liebe zum geschriebenen Wort und zum Lesen habe ich von
ihr. Auch meine Werte, die heute teils als reaktionär gelten.
Sie haben eben Ihre „Wildheit“ und „das Laute“ angesprochen…
Brockhaus:
Ja, ohne meine Erziehung wäre ich vermutlich bloß wild und laut. Zu
meinem 18. Geburtstag schrieb mir meine Uroma einen langen Brief.
Sinngemäß stand da: Du hast einen unbändigen Ehrgeiz und große Träume,
gut so. Wenn sich mit diesem Ehrgeiz jetzt noch Disziplin, Respekt und
Pünktlichkeit paaren, sollte es passen. Eine zweite wichtige Lebenslehre
kam von meinem Vater: Wer viel redet, braucht Substanz. Beide
Ratschläge würde ich der Gen Z gerne mitgeben.
Was hat das
Mitgegebene mit Ihnen gemacht? Waren Sie – siehe die Uroma – dann hier
und da weniger laut? Beim Einstieg in den Job zum Beispiel?
Brockhaus:
Nein, das eine schließt das andere doch nicht aus. Um eines
klarzustellen: Selbstverständlich muss man aufbegehren, wenn man unfair
behandelt wird. Es gibt schlechte Vorgesetzte, keine Frage. Aber mit
einer von Grund auf fordernden, missmutigen Haltung kommt man nicht
weit. Fakt ist doch: Irgendwann trifft man auf den Menschen, der einen
fördern will. In diesen Momenten muss man bereit sein, die Extrameile zu
gehen. Niemand verspürt Lust, einer Person etwas beizubringen, die
nicht mal in der Lage ist, die Wochenstunden einzuhalten. Kürzlich hat
mir eine Freundin erzählt, dass ihre Mitarbeiterin ihr um 14 Uhr via
Whatsapp geschrieben habe, sie habe leider verschlafen.
Das mag ein Einzelfall sein.
Brockhaus:
Fast jeder, der mal mit der Gen Z zusammen gearbeitet hat, kennt diese
neue Arbeitsrealität. Ich hatte mal einen Praktikanten, der sich am
zweiten Tag krankmeldete. Am nächsten Tag folgte die Blitzgenesung. Eine
Woche später meldete er sich erneut krank mit der lapidaren Aussage:
„Glaube, ich hab Corona“. Auf die Idee ein, zwei Mails aus dem
Homeoffice abzuarbeiten, kam er nicht. In Woche zwei habe ich ihn von
der Personalabteilung aus meinem Team abziehen lassen. Jeder darf krank
sein, keine Frage, aber die Art und Weise war schlicht unverschämt.
Warum sollte ich meine Zeit und die meines Teams mit Praktikant Faul
verschwenden? Die Gen Z ist zu satt.
Woher kommt diese Sattheit?
Brockhaus:
Mein Eindruck: Es sind vor allem die gehobenen Mittelschichtskinder,
die sich mit ihren hohen Ansprüchen gepaart mit fehlender
Leistungsbereitschaft selbst im Weg stehen. Der Vater Anwalt, die Mutter
Lehrerin…..sowas. Wie kann ich meinen Chef bestmöglich unterstützen?
Was kann ich für die Firma tun? Solche Fragen kommen selten.
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – dieser Spruch scheint bei der Gen Z besonders unbeliebt.
Brockhaus:
Ja, da kommt reflexartig Empörung auf. Vergessen wir aber nicht: Es
geht hier ja nicht darum, die Jungen ausbeuten oder grillen zu wollen.
Um was geht es dann?
Brockhaus:
Um einen Deal der Generationen. Es gibt nun mal in jedem Bereich Jobs,
die nicht sonderlich attraktiv sind, die aber dennoch gemacht werden
müssen. Da ist jeder Berufseinsteiger mal dran – so wie jeder an dieser
Stelle später Entlastung durch die nächste Generation erfahren sollte.
Für mich war es immer eine Selbstverständlichkeit, dass ich als
Praktikantin den Kopierer bedient habe, oder öde Weihnachtsumfragen
gemacht habe. Aber das scheint heute anders. Eine PR-Managerin hat mir
kürzlich erzählt, wie sie nach Ende der Arbeitszeit allein Goodie Bags
gepackt hat….
Was ist das?
Brockhaus: Sie wissen schon,
diese Taschen, die bei den Events verteilt werden. Jemand muss diese
Arbeit machen. Aber die Praktikantin war bereits pünktlich im
Feierabend. Also hat die Managerin das erledigt. Ich finde das absurd:
Eine hochkarätige Entscheiderin, die in ihrem Leben als
Berufseinsteigerin genügend Tüten gepackt hat, muss es machen, weil die
Praktikantin sich dafür zu schade ist? Wie weit sind wir gekommen, wenn
so was in den Unternehmen mehr und mehr Realität wird? Wer arbeitet, ist
oft der Dumme. Ich frage mich hingegen: Was soll am Rumchillen so geil
sein? Man kann dank dem freizeitlichen Ruhemodus auch sein ganzes Leben
verpassen!
Ist die Gen Z verloren?
Brockhaus: Bei einem
Großteil der Generation Z besteht die ganze Mentalität leider darin, die
eigene berufliche Zukunft der Life-Work-Balance anzupassen. Das ist
fatal. Ausnahmen bestätigen die Regel. Rund um die Startup-Szene und die
Initiative Startup-Teens registriere ich viele Talente der Gen Z, die
brennen. Auch die Macher des Zukunftswiesen Summit imponieren mir. Eine
wunderbare, kluge Veranstaltung für die Region Hohenlohe, ausgerichtet
von der Gen Z. Und was mir seit Jahren auffällt: Auffällig viele junge
Menschen mit Migrationshintergrund sind sich nicht zu schade, die
Extrameile zu gehen oder eben mal den Kopierer zu bedienen.
Für
Ihr Buch haben Sie und Franca Lehfeldt mehrere ältere Männer interviewt.
Wie geht es diesen Männern mit der fordernden Haltung der Jungen?
Brockhaus:
Unterschiedlich. Journalist Stefan Aust geht hart mit der Gen Z ins
Gericht und bezeichnet die in den Arbeitsmarkt tretende Generation
geradeheraus als faul. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert
Reul ist da weicher. Er ist mit vielen Einstellungen und
Verhaltensweisen der Jungen nicht einverstanden, aber ist dann
gleichzeitig auf sich selbst sauer und denkt: „Das sagst du nur, weil du
der alte weise Mann bist und meinst, früher war alles besser, also rede
keinen Blödsinn.“
Wagen Sie mal eine Prognose: Wohin werden die Forderungen der Jungen führen?
Brockhaus:
Es wird sich beruhigen. Die vehementen Forderungen der Jungen
beeinträchtigen aktuell unseren Wohlstand als Industrienation. Aber
warten Sie mal zehn Jahre, dann ist die Blase weg. Spätestens.
Simon
Schnetzer , ein Jugendforscher, mit dem wir gesprochen haben, sieht das
anders. Für ihn sind die Älteren am Zug. Im Interview meinte er,
„Altherrenvereine“ würden früher oder später allein dastehen.
Brockhaus:
Allein das Wort „Altherrenvereine“ ist eine Frechheit. Ich stimme Herrn
Schnetzer auch in Gänze nicht zu. Schauen Sie: Die Generation Z kennt
keine Arbeitslosigkeit. Aktuell gibt es Jobs in Hülle und Fülle. Das
wird nicht so bleiben. Immer mehr deutsche Unternehmen wandern ab, nach
Polen, in die USA. Ein Trend, der sich meiner Einschätzung nach
fortsetzten wird. Vier Tage Woche, Vollzeit Home-Office – das sind alles
Wohlstandsdebatten. Wenn es richtig kracht, werden die Jungen dankbar
sein für die Jobs und nicht mehr nach der Vier-Tage-Woche fragen. Dann
werden sie sich zweimal überlegen, wie sie sich den Älteren gegenüber
aufstellen.
Vita von Nena Brockhaus
Nena Brockhaus,
geboren 1992, ist Wirtschaftsjournalistin, Fernsehmoderatorin,
politische Kommentatorin und vierfache Spiegel-Bestsellerautorin
(Unfollow, Pretty Happy, Ich bin nicht grün, Alte Weise Männer). Nach
Stationen bei Handelsblatt und BUNTE moderierte sie von 2021-2023 für
Europas größte Medienmarke BILD die Polit-Talkshow Viertel nach Acht.
Seit Sommer 2023 konzentriert Brockhaus sich auf ihre unternehmerischen
Tätigkeiten als Buchautorin und Moderatorin und konzipiert aktuell ein
neues Talk-Format für die deutsche Fernsehlandschaft. Literat Michel
Abdollahi beschreibt Brockhaus in seinem Stern Podcast „Heute wichtig“
als „das Gegenstück zu Luisa Neubauer und Sophie Passmann.“
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