25 April 2023

Olaf Scholz - Das Schweigen des Kanzlers (Cicero)

Olaf Scholz
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Das Schweigen des Kanzlers (Cicero)
Straßenblockaden von Klimaklebern, Heizungs-Irrsinn, drohende Deindustrialisierung: Die Deutschen sind teilweise verunsichert, teilweise wütend – und können bei der Ampel-Regierung keinen Plan erkennen. Eigentlich müsste der Bundeskanzler jetzt klar Position beziehen. Doch das tut er nicht. Dabei hat die „Methode Merkel“ erkennbar ausgedient.
VON ALEXANDER MARGUIER am 23. April 2023
Wer Führung bei ihm bestellt, der würde sie von ihm auch bekommen: Mit diesem Spruch bewarb sich Olaf Scholz bekanntlich für die Kanzlerschaft. Nun ist es durchaus möglich, dass die Bestellungen nicht aufgegeben worden sind beziehungsweise den Adressaten einfach nicht erreicht haben. Irgendetwas, das auch nur annäherungsweise den Eindruck von Führung vermittelt, ist jedenfalls weit und breit nicht zu erkennen. Das ambitionslose Wegmoderieren und Durchwursteln mag bei seiner Vorgängerin noch den beruhigenden Anschein von Souveränität und Unaufgeregtheit erweckt haben – weshalb Scholz dem Regierungsstil Angela Merkels ja auch geradezu zwanghaft nachzueifern scheint. Doch die Zeiten sind nicht mehr so. Scholz hat wenige Tage nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine in einem Akt unvermeidlicher Richtungsweisung jene „Zeitenwende“ ausgerufen, die ihm selbst am allermeisten Unbehagen zu bereiten scheint. Er wirkt bei alledem mehr wie ein Getriebener denn wie ein Staatenlenker und fährt wie die frischgebackene Großkreuz-Trägerin „auf Sicht“. Obwohl im Kanzleramt ventiliert wird, Olaf Scholz sei doch so etwas wie „Merkel, aber mit einem Plan“.

Eher ein Grund zum Fürchten

Worin dieser Plan allerdings besteht, bleibt derweil das Geheimnis des deutschen Regierungschefs. Sollte er tatsächlich darauf hinauslaufen, eine Deindustrialisierung der Bundesrepublik zu verhindern (genau das ist nämlich mitunter zu hören), wäre das eher ein Grund zum Fürchten. Denn es hieße implizit, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort bereits derart in die Defensive geraten ist, dass es jetzt nur noch Schlimmeres abzuwenden gilt. Wobei – und das ist Scholzens eigentliches Problem – die ökonomischen Abwracker in seiner eigenen Regierung versammelt sind: Dass die Grünen mit ihrer kopflosen und in sich völlig widersprüchlichen Klima- und Energiepolitik ein brandgefährliches Spiel treiben, dürfte außerhalb der öffentlich-rechtlichen Jubelmedien inzwischen hinreichend deutlich geworden sein. Aber auch sozialdemokratische Kabinettsmitglieder lassen sich nicht lumpen, wenn es darum geht, die Wirtschaft gegen sich aufzubringen. Man blicke nur auf Arbeitsminister Hubertus Heil, der mit seinen Mindestlohn-Ankündigungen („deutliche Steigerung“) mal eben die Tarifautonomie aushebelt und das Kunststück fertigbringt, mit seinem Arbeitszeiterfassungsgesetz Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen in Fassungslosigkeit zu versetzen.

Die Ampel als Waldorf-Kindergarten: Jeder kann machen, wonach ihm der Sinn steht – Politik als Selbsterfahrungsprojekt zu Lasten der Bürger, denen praktisch im Wochentakt neue Zumutungen als Fortschritts-Projekte aufgedrängt werden, die sich entweder als widersinnig, realitätsfern oder mindestens als für den Einzelnen derart teuer erweisen, dass entsprechende Umverteilungskonzepte zulasten solider Haushaltsführung gleich mitgeliefert werden. Und der deutsche Bundeskanzler steht daneben, grinst „schlumpfig“ (um ein Bonmot Markus Söders aufzugreifen) und lässt seine Leute gewähren. Und zwar ganz offenbar selbst dann, wenn der grüne Wirtschaftsminister mit einer übers Knie gebrochenen Heizkörper-Revolution nicht nur den sozialen Frieden zerstört, sondern faktisch die Enteignung von Eigenheim- und Immobilienbesitzern durch die Hintertür betreibt. Oder in der Migrationsfrage, die ebenfalls tonnenweise sozialen Sprengstoff in sich birgt: Auch hier schweigt der Mann im Kanzleramt. Man muss schon ein seltsames Verständnis von Führung haben, um darin Leadership zu erkennen.

Wofür steht Scholz?

Es wäre wirklich einmal interessant, Leute auf der Straße nicht nur danach zu befragen, ob ihnen die Inflation Sorgen bereitet oder wer demnächst Cheftrainer von Bayern München werden sollte. Sondern stattdessen normalen Bürgern die einfache Frage zu stellen: „Wofür steht Ihrer Ansicht nach Olaf Scholz?“ Ratlose Blicke dürften die häufigste Reaktion sein – nicht nur, weil da beim Bundeskanzler gegenüber der Öffentlichkeit eben eine totale inhaltliche Leerstelle klafft. Sondern weil den Deutschen ohnehin abtrainiert wurde, von einem Kanzler noch so etwas wie einen Regierungskompass zu erwarten. Moderation hinter den Kulissen gilt ja seit Merkel als höchste Form der Staatskunst und auch dann noch ordenswürdig, wenn die Ergebnisse sich hinterher als totales Desaster erweisen. Oder besser gesagt: galt als höchste Form der Staatskunst, denn die Einschläge rücken den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes inzwischen derart nahe, dass nicht wenige sich nach den alten Basta-Zeiten eines gewissen Gerhard Schröder sehnen dürften.

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Wenn zum Beispiel die Klimakleber aus den Reihen quasireligiöser Erweckungsbewegungen wie „Letzte Generation“ mit absoluter Selbstgewissheit ankündigen, von diesem Montag an die Hauptstadt „lahmlegen“ zu wollen, wäre es womöglich auch für einen Regierungschef höchste Zeit, sich zu positionieren – zumal der grüne Koalitionspartner mit seinen läppischen Distanzierungen alles andere als glaubwürdig wirkt (die Grünen pflegen nämlich erkennbar ein sehr funktionales Verhältnis zu den aktivistisch-halbkriminellen Milieus, die ihnen bis vor kurzem noch als politische Vorfeldorganisationen zu Dienste waren).

Wo bleibt der „Respekt“?

Was also hält Olaf Scholz von den Klimaklebern, deren Tun in klarem Widerspruch zu rechtsstaatlichen und demokratischen Gepflogenheiten steht? Wäre es hier nicht doch mal an der Zeit für eine klare Ansage? Immerhin hatte der Bundeskanzler sich im Wahlkampf mit dem Schlagwort „Respekt“ auf den Werbeplakaten in Szene setzen lassen. Es wäre in der Tat eine Geste des Respekts gegenüber seinen Wählern (und dem ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung), machte Scholz deutlich, dass er es nicht duldet, wenn eine manichäische Bewegung ein ganzes Land in Geiselhaft zu nehmen und nebenbei auch noch die parlamentarische Demokratie aus den Angeln zu heben gedenkt.

Sollte Olaf Scholz aber der Meinung sein, die von Tag zu Tag immer mehr verunsicherte, unzufriedene, ja regelrecht verbitterte Gesellschaft durch hartnäckiges Schweigen befrieden zu können, dann ist er wahrlich auf dem Holzweg. Die Methode Merkel hat ausgedient. Und ohnehin: Wer wünscht sich heute schon noch einen Orden aus den Händen von Frank-Walter Steinmeier?

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