Etwas förmlicher ist das Wort «Mutter», es bezeichnet nicht nur im biologischen Sinne den weiblichen Elternteil eines Kindes, sondern auch sozial und rechtlich. Aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch: «Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.» Vielleicht ist es diese Eindeutigkeit, die dazu führt, dass es viele Menschen schwer irritiert, wenn sie statt von der Mutter von einer «gebärenden Person» lesen.
Verursacher der jüngsten Irritation war ein Bericht auf der Website der öffentlichrechtlichen «Tagesschau». Zwei ARD-Redaktorinnen schrieben dort mal von der «gebärenden», mal von der «entbindenden Person». Obwohl es im Artikel um einen Gesetzesentwurf für Sonderurlaub nach Geburt des Kindes ging, versuchten die Autorinnen den Begriff «Mutter» tunlichst zu vermeiden. Die Empörung war gross. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wetterte gegen den «Woke-Wahn».
Die Redaktion rudert zurück
Alsbald änderte die Redaktion den Text. In der aktualisierten Version ist nun doch von der Mutter die Rede. Auf Nachfrage der «Bild»-Zeitung antwortete die ARD, dass die vorherigen Begriffe gewählt worden seien, «um niemanden zu diskriminieren». Die Frage, wen genau der Begriff «Mutter» diskriminieren soll, blieb leider unbeantwortet.
Der Lapsus der «Tagesschau» wäre vernachlässigbar, stünde er nicht exemplarisch für eine postmoderne Denkschule, die im Eifer, besonders inklusiv zu sein, längst maximal exklusiv wirkt und weite Teile der Gesellschaft vor den Kopf stösst. Mutmasslich haben auch die ARD-Autorinnen ihre Formulierung aus dem Impuls heraus gewählt, Transpersonen oder gleichgeschlechtliche Partnerinnen (von denen immer nur eine Frau das Kind gebärt), nicht ausschliessen zu wollen.
In bestimmten Kreisen, die sich selbst als feministisch begreifen, gelten Wörter wie «Frau» oder «Mutter» heute als verletzend, weil ausgrenzend. Transpersonen oder Menschen, die sich als nonbinär verstehen, würden nicht mitgemeint und könnten sich deshalb diskriminiert fühlen, so die Überzeugung.
In den USA und in Grossbritannien tobt der Kulturkampf um die Ausweitung beziehungsweise Auflösung der Geschlechter schon länger. Als das Weisse Haus 2021 den Haushaltsentwurf fürs folgende Jahr veröffentlichte, war in einem Abschnitt über die Finanzierung des Gesundheitswesens erstmals regierungsamtlich von «birthing people» die Rede, also von ebenjenen gebärenden Personen, die nun mit zwei Jahren Verzögerung in der Redaktion der «Tagesschau» angekommen sind.
In Grossbritannien geriet die Harry-Potter-Erfinderin J. K. Rowling ins Visier von Aktivistinnen, weil sie sich über die Formulierung «people who menstruate» – Menschen, die menstruieren – amüsiert hatte. Seither ist sie bei denen, die nichts mehr von Frauen und Müttern wissen wollen, als «transfeindlich» verschrien. Zu den deutschen Adepten der Bewegung zählt unter anderem die Linkspartei. In einer Pressemitteilung der thüringischen Regierungsfraktion war erst kürzlich von «Menschen mit Uterus» die Rede.
Reaktionärer geht es kaum
Gebärende Menschen, menstruierende Menschen, Menschen mit Uterus: Worauf diese und andere fortschrittlich gemeinte Formulierungen hinauslaufen, ist das Ausradieren der Frau. Indem diese auf ihre reproduktive Biologie reduziert wird, wird sie letztlich unsichtbar. Unter dem Vorwand, Rücksicht zu nehmen auf eine sehr kleine Minderheit von Intersexuellen oder Transmenschen, wird die halbe Menschheit sprachlich getilgt. Reaktionärer geht es kaum.
In der Realität bleibt die Möglichkeit der Mutterschaft allein Frauen vorbehalten. Ein Mann wird nie erfahren können, was es bedeutet, schwanger zu sein, einen Menschen in sich heranwachsen zu lassen, ihn (unter unvergleichlichen Schmerzen) zur Welt zu bringen und dann mit dem eigenen Körper zu ernähren. Das gilt auch für jede als Mann geborene Transperson. Die Intention, diese sprachlich «mitzumeinen», mag gut gemeint sein. Sie bleibt aber absurd. Nicht die Sprache grenzt aus, die Natur tut es.
Wohin die kulturkämpferische Reise auch in Deutschland zu gehen droht, lässt sich in der angelsächsischen Welt beobachten. Es ist kein schöner Ausblick. Die Gräben der Gesellschaft werden dort immer tiefer. Transaktivisten und eine zusehends irritierte Mehrheitsgesellschaft finden im Kampf um die Wörter kaum noch eine gemeinsame Sprache. Das kann sich niemand wünschen.
Dass die «Tagesschau» zurückgerudert ist und Deutschlands Müttern nun doch nicht den Kampf ansagt, ist ein erfreuliches Zeichen. Es beweist: Sprachliche Fehlentwicklungen sind umkehrbar. Der Protest dagegen lohnt sich.
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