01 März 2024

Grünen-Chef schiebt Schuld auf den Gegner und ignoriert dabei die Fakten (Focus+)

"Bei allem Jammern über das, was den Grünen widerfährt, sollte Nouripour nicht vergessen, dass das Niederbrüllen Andersdenkender und Versuche, deren Versammlungen zu verhindern, für die Gründungsväter der Grünen fast zum Alltagsgeschäft gehörte."
Grünen-Chef schiebt Schuld auf den Gegner und ignoriert dabei die Fakten (Focus+)
FOCUS-online-Autor Hugo Müller-Vogg, 28.02.2024
Schuld sind nur die anderen. So hört sich der Grünen-Chef Nouripour an, wenn er auf die Fehler der vorherigen Bundesregierungen verweist. Doch er ignoriert dabei wichtige Tatsachen.
Omid Nouripour, der Co-Vorsitzende der Grünen, hat leider recht, wenn er die zunehmenden Störungen von politischen Veranstaltungen und Angriffe auf Politiker beklagt. „Wenn der gewaltfreie Diskurs unterbunden wird, dann ist das ein Problem für uns alle“, sagte er jetzt dem Sender RTL.

Tatsächlich werden seit einiger Zeit vor allem Veranstaltungen der Öko-Partei von Demonstranten belagert, ihre Spitzenpolitiker teilweise am Reden gehindert oder massiv gestört. Deren An- und Abfahrt muss die Polizei manchmal regelrecht freikämpfen.

Schroffe Ablehnung für Grüne

Ob Verbotspartei oder nicht: Es sind keine einfachen Zeiten für die Grünen. Vor zwei, drei Jahren waren sie noch „in“, träumten vom Kanzleramt. Inzwischen sind sie – nach der AfD – die unbeliebteste Partei im Land. Selbst die dahinsiechende Linke stößt Umfragen zufolge nicht auf so schroffe Ablehnung.

Warum ist das so? Mit seinem Hinweis auf die letzten 20 Jahre hat Nouripour Recht. Seit 2005 waren die Grünen im Bund in der Opposition. In der Bundesregierung sind sie erst wieder seit Dezember 2021. Da kann man ihnen wirklich nicht die Versäumnisse aus GroKo-Zeiten anlasten.

Nouripour ignoriert den „Heizungshammer“

Aber der „Heizungshammer“, mit denen der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck viele Hausbesitzer im vergangenen Jahr in Existenzängste stürzte, zählt zweifellos nicht zur schwarz-roten Erblast. Das war eine „Errungenschaft“ rot-gelb-grüner Klimapolitik.

Dasselbe gilt für das Bürgergeld, das innerhalb von zwölf Monaten um 25 Prozent erhöht wurde. Zugleich müssen Arbeitsverweigerer kaum noch Sanktionen fürchten. Auch das ist das Werk der Ampel.

Die Kürzungen bei Agrarsubventionen, die die Landwirte auf die Straßen gebracht haben, wurden ebenfalls von der Ampel beschlossen, also auch von den Grünen. Deren Landwirtschaftsminister Cem Özedmir konnte das jedenfalls nicht verhindern.

Die Gesellschaftspolitik der Ampel geht an vielen Stellen an den Bedürfnissen der meisten Menschen vorbei. Ob es um möglichst weit offene Grenzen geht, um die Möglichkeit, jährlich sein Geschlecht wechseln zu können, oder die übergroße Rücksichtnahme auf immer neue Minderheiten und vermeintliche Opfergruppen: Hier schimmert überall mehr Grün durch als Rot oder Gelb.

Das jüngste Beispiel ist der Streit um die Bezahlkarte für Flüchtlinge. Sie soll den Zugang zu Bargeld begrenzen. So wollen es SPD, FDP und die Länder.

Doch die Grünen auf Bundesebene nennen es eine „Asylrechtsverschärfung durch die Hintertür“, wenn Flüchtlinge mit dem Geld deutscher Steuerzahler ihre Schlepper nicht mehr bezahlen und ihre Familien in der Heimat nicht mehr unterstützen können. Sie sperren sich gegen eine bundeseinheitliche Lösung.

Nouripour ignoriert Tatsachen: Grüne regieren vielerorts mit

Trotz relativ kurzer Regierungszeit in Berlin haben die Grünen es geschafft, stärker in der Kritik zu stehen als SPD und FDP. Doch macht es sich Nouripour zu einfach, nur auf den Bund zu verweisen. Schließlich regieren die Grünen seit Jahrzehnten in vielen Ländern mit. Auch sind sie in Großstädten sehr stark und können dort das Leben der Menschen direkt beeinflussen.

Es stimmt ja: In keinem Programm der Grünen wird ein Auto-Verbot gefordert. Aber die Grünen tun, was sie können, um den Autofahrern das Leben schwer zu machen.

Die Sperrung von ganzen Straßen, der Wegfall von Parklätzen, unverschämt hohe Parkgebühren und überbreite Radwege – das alles gehört zu ihren Folterinstrumenten. Ja, Autofahren ist hierzulande nicht verboten. Aber den Menschen das Autofahren zu verleiden, das gehört zum grünen Markenkern.

Ähnlich ist es beim „gendergerechten“ Sprechen. In Hannover beispielsweise hat der grüne Oberbürgermeister für die Stadtverwaltung Sprachregelungen „empfohlen“. Sie sollen „der Vielzahl geschlechtlicher Identitäten Rechnung“ tragen.

Wenn aus dem Rednerpult eine Redepult und aus der Teilnehmerliste eine Teilnahmeliste wird, fühlen sich die Bürger – je nach Temperament – auf den Arm genommen oder bevormundet.

Lautstarker Protest gehört zu den Grünen

Ist jedoch eine „geschlechtsumfassende Formulierung“ nicht möglich, dann muss, so lautet die Anordnung, „der Genderstar (z.B. Antragsteller*innen)“ verwendet werden. Und da wundert sich Nouripour, dass die Bürger sich bevormundet fühlen?

Omid Nouripour isst selbst Fleisch, wie er einräumt. Aber wenn in städtischen Kantinen oder Kindergärten Fleisch ganz von der Speisekarte verbannt werden oder das entsprechende Angebot drastisch eingeschränkt worden sind, sind oft Grüne am Werk.

Bei allem Jammern über das, was den Grünen widerfährt, sollte Nouripour nicht vergessen, dass das Niederbrüllen Andersdenkender und Versuche, deren Versammlungen zu verhindern, für die Gründungsväter der Grünen fast zum Alltagsgeschäft gehörte.

Das rechtfertigt keineswegs die zum Teil gewalttätigen Methoden derer, die heute gegen die Grünen mobil machen. Aber gerade die Grünen sollten sich angesichts ihrer eigenen Anfänge hüten, im Rückblick solche Aktionen zu verklären, denen sie heute selbst ausgesetzt sind.

Adenauer Spruch: Menschen nehmen "wie sie sind, andere gibt's nicht“

Nouripour beklagt zu Recht alle Versuche, die Grünen daran zu hindern, Veranstaltungen abzuhalten und mit den Bürgern zu diskutieren. Aber er sollte sich eingestehen, dass die Grünen mit ihrer Politik im Bund, in den Ländern und Kommunen selbst dazu beigetragen haben, dass die Zahl ihrer Anhänger zurückgeht und die ihrer Gegner wächst.

Konrad Adenauer hat nach dem Grundsatz regiert, die Menschen zu nehmen, „wie sie sind, andere gibt's nicht“. Die Grünen dagegen wollen die Menschen belehren und erziehen. Denn sie halten ihre eigenen Ansichten nicht nur für richtig; sie fühlen sich auch gegenüber Andersdenkenden moralisch überlegen.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Die Grünen sind nach gut zwei Jahren unbeliebter als die Dauer-Regierenden von SPD und CDU. Das hat bisher noch keine Partei in so kurzer Zeit geschafft.

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