In der ersten Phase stehe das Unverständnis, weil das Problem, zum Beispiel das Fehlen eines Frauenwahlrechts oder die Unsitte des Duellierens, nicht erkannt wird. Die zweite Phase ist dann die Anerkennung des Problems, aber ohne persönlichen Bezug. Dritte Phase: Anerkennung des persönlichen Bezugs, aber kein Handeln.
Wirklich bemerkenswert ist die vierte Phase. Dort wird das Handeln im Einklang mit den neuen Erkenntnissen als „Frage der Ehre“ geschildert. Fünfte Phase: Das ehrenhafte Verhalten wird gesetzlich vorgegeben. Der Gipfel dann in der sechsten Phase: im Rückblick das Unverständnis, dass das alte Verhalten jemals existieren konnte.„Transformation“ ist ein Quarkwort geworden, ein Wieselwort, wie der Ökonom Friedrich August von Hayek gesagt hätte. Niemand weiß mehr, was es bedeuten soll. Das zeitgenössische Transformationsgeschwätz meint alles und jeden, vom Gestus her aber, da ist das Buch der Bundestagsabgeordneten lehrreich, ist es eine Einübung in einen übergriffigen Staat, der sich selbstbewusst mit dem Fortschritt verwechselt.
Zeigt man Marxisten diese Art von Histomat, erschaudern sie und fühlen sich eher an das Clearing bei Scientology erinnert. Besonders bei dieser letzten Phase sechs, wo sich niemand mehr daran erinnern kann, dass es einmal anders war. Was eine Pointe ist, weil viel von der Transformationsästhetik eine geradezu vulgäre Legolandversion der Vergangenheit anbietet.
Keine kulturelle Ambition
Auf der Online-Plattform X sammelt der langhaarige Liberale Stephan Schorn die Kulturgeschichte des Fahrraddesigns, das in den vergangenen zehn Jahren mehr oder minder die Ästhetik des Automobilbaus des späten 19. Jahrhunderts kopiert. Es kommt ohne jede eigene ästhetische Idee daher. Hat keinerlei ästhetische und kulturelle Ambition. Muss es auch gar nicht, weil die Begründung dieser Form von Mobilität ja weitgehend eine moralische ist.
Ähnlich ist das bei der Hymne für die Demos gegen Rechts, die so wirkt, als wäre der Gegenentwurf zu einer „rächten“ eine linksreaktionär-kitschige Gesellschaft.
Diese Retro-Garde des Westens hat tief reaktionäre Wurzeln und betreibt auch symbolischen Antimodernismus. Beim Protest gegen einen Hi-Tech-Giganten wie Elon Musks Tesla setzen die antikapitalistischen Tribalisten auf Baumhäuser und Mittelalterfolklore. Das als Gegenentwurf zu einem Visionär, der zum Mars fliegen will und daran arbeitet, dass Menschen, gerade auch solche mit schwerer Körperbehinderung, Computer über Gehirnimplantate bedienen können.
Der Kitsch, der den ästhetischen Überbau der Transformationsgünstlinge verkleistert, lenkt allerdings nur notdürftig davon ab, wie tief autoritär das ist, was geplant ist.
Die Corona-Pandemie hat zu einem ins krass Autoritäre drängelnden Zwangssystem geführt. Und die vermeintlich liberalen Wissenschaftler und Intellektuellen haben munter mitgemacht. Die „Frage der Ehre“ war für sie, wie sehr man Zwang, Nötigung, Angst, Verunsicherung und Einschüchterung durchsetzen konnte, um den Durchgriff des Staates auf die widerständigen Individuen zu erhöhen.
Illiberales Spektakel
Bei Corona, so beschreibt es unser Autor Jörg Phil Friedrich gerade, ging es in den Worten des Soziologen Heinz Bude darum, „Zwänge zu verordnen und Zustimmung zu gewinnen und dabei die Deutungshoheit in der Hand zu behalten“. Dafür habe man dann eben auf jene nach Wissenschaft aussehenden Bilder der Abflachung der Kurven zugegriffen.
Die Transformation der Gesellschaft in der Pandemie war ein illiberales Spektakel, das insbesondere Tausenden von jungen Menschen Leid, Traumatisierung, eine verlorene Jugend, Missbrauch, Misshandlung beschert hat. Die Kinder waren eigentlich die vulnerabelste Gruppe – und man hat sie aus dem Blick verloren.
Die Aufarbeitung der Corona-Zeit wäre wichtig, um
die Mechanik der Transformationsideologen zu präsentieren. Nur wenige
sind so offen und ehrlich wie Frau Beck von den Grünen. Die Rolle der
Intellektuellen als willfährige Helfershelfer des autoritären Staates
ist insbesondere in Deutschland nicht neu.
In diesen Tagen feiert ein Buch seinen 80. Geburtstag, das wie kein anderes Werk die illiberalen Grundzüge aller kollektivistischen Ideologien problematisiert: Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“, 1944 erschienen – scharf gegen Sozialismus und Faschismus gleichermaßen. Hayek, leider abgesehen von kleinen (Ökonomen-)Kreisen weitgehend vergessen, fürchtete am Ende seines Lebenswerks vor allem die verhängnisvolle Anmaßung der Intellektuellen – gemeint waren die sozialistisch-planwirtschaftlichen Fantasien der „intelligenten Intellektuellen“, wie Hayek sie nannte.
„Wie man nicht planen kann, was man nicht wissen kann“, fragte Hayek, und antwortete mit Adam Smith, dass Menschen, Unternehmer, diese Entscheidungen besser treffen können als Pläne oder autoritäre Staatsmechaniken. Die Transformation ist das neue Gewand des autoritären Staates und der Planwirtschaft.
Der Protest gegen die Moderne ist ein Protest gegen den Westen und die Freiheit durch technologischen Fortschritt. Das Transformationsgeschwätz soll dem Irren und Wirren der rot-grünen Träumereien zum Gestus einer technokratisch sinnvollen Strategie verhelfen.
Innovation braucht Freiheit
Die Gesellschaft aber braucht Freiheit, um innovativ zu sein und auch überhaupt realistisch das Ganze erfassen und denken zu können: „Das soziale Leben ist so kompliziert“, schrieb Karl Popper, „dass wahrscheinlich überhaupt niemand fähig ist, den Wert eines Bauplans für soziale Maßnahmen im großen Maßstab richtig einzuschätzen; ob er praktisch ist; ob er zu einer wirklichen Verbesserung führt; welche Leiden aller Wahrscheinlichkeit nach mit ihm verbunden sind“, so Popper in „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.
Die meisten Vertreter:innen (sic!) der Transformationslyrik verstehen eine offene Gesellschaft als Bedrohung. Sie imaginieren sie als Sündenkollektiv Fleisch essender, Verbrenner fahrender, mit Kaminen heizender, kreuzfahrender Problemfälle. Sie verstehen sie nur wenig verklausuliert als Feinde. Dabei sind sie selbst zu Feinden der freien Gesellschaft mutiert. Ein entsetzlicher Befund.
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