29 März 2024

So hoch ist der Anteil der Bürgergeld-Empfänger mit Migrationshintergrund (WELT+)

Sozialhilfe und Zuwanderung
So hoch ist der Anteil der Bürgergeld-Empfänger mit Migrationshintergrund (WELT+)
, 28.03.2024, Politikredakteur
Die Arbeitsagentur gibt Daten zum Bürgergeld-Bezug von Menschen mit Migrationshintergrund bekannt. In Westdeutschland ist der Anteil deutlich höher als im Osten. Ein Bundesland sticht besonders hervor. Eine positive Entwicklung verzeichnet die Behörde bei der Beschäftigung einer Zuwanderergruppe.
Durch die relativ zurückhaltend gesteuerte Einwanderungspolitik der Bundesrepublik steigt der Anteil der Zugewanderten in der Sozialhilfe seit Langem an. Inzwischen haben laut Bundesagentur für Arbeit (BA) 62,8 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach Sozialgesetzbuch (SGB) II – früher Hartz IV, heute Bürgergeld genannt – Migrationshintergrund. In absoluten Zahlen ausgedrückt trifft das auf fast 2,5 Millionen von insgesamt mehr als 3,9 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu.Die Daten wurden im Rahmen einer Befragung aller Leistungsberechtigten erhoben und hochgerechnet; eine Antwortpflicht bestand allerdings nicht.

In Westdeutschland haben demnach sogar mehr als zwei Drittel der Bürgergeld-Empfänger Migrationshintergrund: Den jüngst von der BA veröffentlichten Daten zum Stand September 2023 zufolge waren es 67,5 Prozent. In den ostdeutschen Bundesländern inklusive Berlin waren es nach der WELT vorliegenden Statistik 47,6 Prozent. Der Extremfall im Ländervergleich ist Hessen mit 76,2 Prozent.

Unter den Berechtigten mit Migrationshintergrund waren in der BA-Befragung knapp zwei Millionen „mit eigener Migrationserfahrung“ und fast 430.000 „ohne eigene Migrationserfahrung“ sowie rund 62.000 „mit Migrationshintergrund ohne nähere Angabe“. Von allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Migrationshintergrund waren rund 1,8 Millionen Ausländer; die übrigen hatten – nur oder auch – die deutsche Staatsangehörigkeit.

Nach amtlicher Definition hat eine Person einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. 29 Prozent der Bevölkerung erfüllen dieses Kriterium; etwa jeder Zweite in dieser Gruppe besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.

Blickt man auf die Gruppe der insgesamt 2,63 Millionen Arbeitslosen in Deutschland zum Jahresbeginn 2024, liegt der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund laut der BA-Statistik inzwischen bei 53,4 Prozent. In den oben genannten Zahlen zu den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind neben den Arbeitslosen auch Aufstocker enthalten; das sind Menschen, die vom Jobcenter ergänzende Leistungen erhalten, weil ihr Erwerbseinkommen nicht zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes ausreicht, etwa weil sie nur wenige Stunden arbeiten.

In den vergangenen zehn Jahren gab es einen merklichen Anstieg der Bevölkerung mit Migrationshintergrund: von 20 Prozent im Jahr 2013 auf 29 Prozent aktuell. Ende 2013, vor Beginn der Migrationskrise, lag der Migrantenanteil unter den Arbeitslosen bei 36 Prozent, jener unter den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bei 43 Prozent.

Die aktuell viel höheren Anteile (53 beziehungsweise 63 Prozent) sind laut BA stark von Ukraine-Flüchtlingen geprägt. So seien seit Kriegsbeginn 2022 bis Februar dieses Jahres 480.000 Bürgergeld-Bezieher aus dem von Russland angegriffenen Land hinzugekommen. Von ihnen seien 67 Prozent weiblich und 33 Prozent männlich. Darüber hinaus waren demnach rund 216.000 nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte (in der Regel Kinder) registriert.

Zahl der ukrainischen Beschäftigten steigt leicht

Auch bei der Beschäftigung gibt es eine Aufwärtsbewegung – wenn auch auf geringem Niveau. Laut BA ist die ukrainische Bevölkerung seit Kriegsausbruch um 1,1 Millionen auf 1,25 Millionen in Deutschland gewachsen. Die Untergruppe der Ukrainer im erwerbsfähigen Alter habe seit dem Ausbruch des Krieges im Februar 2022 um 725.000 zugenommen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen sei von 57.000 im Februar 2022 auf 172.000 im Februar 2024 gestiegen und entwickele sich weiter positiv.

Die Hälfte dieser 115.000 zusätzlichen Beschäftigungsverhältnisse sei „im Helferbereich aufgenommen“ worden. Ein Fünftel des Beschäftigungszuwachses gehe auf wirtschaftliche Dienstleistungen wie Zeitarbeit, Gartenbau und Gebäudemanagement zurück. Viele ukrainische Kriegsflüchtlinge seien „im Verarbeitenden Gewerbe (ein Siebtel), im Baugewerbe (ein Neuntel) sowie im Gastgewerbe (ein Zehntel)“ untergekommen.

Ukraine-Flüchtlinge erhalten direkt nach Ankunft einen Schutztitel, ohne in ein Asylverfahren zu müssen. Mit der Anerkennung erhalten sie gleichzeitig den Bürgergeld-Anspruch.

Die übrigen Schutzsuchenden „wachsen“ erst verzögert in diese SGB-II-Leistungen hinein. Sie durchlaufen erst das Asylverfahren und erhalten dann mit ihrer Anerkennung, was oft neun Monate nach Einreise der Fall ist, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, die auch einheimische Arbeitslose beziehen. Während des Verfahrens erhalten sie Asylbewerberleistungen, die etwas niedriger liegen.

Nach einer Ablehnung erhalten Asylbewerber ebenfalls Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, bis sie meist früher oder später einen Aufenthaltstitel erhalten. Insgesamt erhalten etwa 500.000 Personen diese Form der Sozialhilfe und nicht die oben genannten SGB-II-Leistungen für erwerbsfähige Leistungsberechtigte.

Insgesamt stellt das Institut für Arbeitsmarktforschung der Arbeitsagentur einen kräftigen Beschäftigungszuwachs durch Zuwanderung fest: So sei die Beschäftigung der ausländischen Staatsangehörigen im Dezember 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat um rund 312.000 Personen (plus 5,5 Prozent) gestiegen. Unter EU-Zuwanderern sei sie um rund 37.000 (plus 1,4 Prozent) und unter den Staatsangehörigen aus den acht wichtigen Asylherkunftsländern sogar um rund 62.000 Personen (plus 10,4 Prozent) gestiegen, schreiben die Forscher in ihrem aktuellen „Migrationsmonitor“. Diese acht Länder umfassen Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia, andere sehr zugangsstarke Asylherkunftsländer wie die Türkei aber nicht.

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