15 März 2024

Immer mehr packen es nicht - „Klare Hinweise auf Verblödung“: Psychologe rechnet mit Führerschein-Durchfallern ab

1. Immer mehr Einser-Schüler: Inflation bei den Abiturnoten. Zahl der Eins-
    Nuller-Abis hat sich seit 2013 verfünffacht.
(MDR)
2. Immer mehr packen die Fahrschule nicht
„Klare Hinweise auf Verblödung“: Psychologe rechnet mit Führerschein-Durchfallern ab (Focus-Online)
FOCUS-online-Gastautor Prof. Dr. Florian Becker, Freitag, 15.03.2024
Jeder Zweite schafft beim Führerschein die theoretische Prüfung nicht. Psychologie-Professor Florian Becker hat eine harte These: Schuld daran seien nicht äußere Umstände, sondern eine bedenklich abnehmende Leistungsfähigkeit bei Jugendlichen. Ein Gastbeitrag.
Besorgniserregende Daten zu unserem Nachwuchs von den Führerscheinprüfungen: Etwa 50 Prozent raffen die Theorie nicht mehr, fallen durch. Jetzt kann das im Einzelfall jedem mal passieren. Aber 50 Prozent? Ein neuer Negativ-Rekord. Für mich ist das ein Hinweis auf das, was wir in der Psychologie gravierende „kognitive Defizite“ nennen. Konkret: Low-IQ, Verdummung. Und fehlende Selbstdisziplin.
Führerscheinprüfung: 50 Prozent raffen Theorie einfach nichtUnd nein, die üblichen Erklärungen kaufe ich nicht:

„Die Fahrschulen sind schuld, die erklären zu schlecht!“
„Das ist alles so komplex geworden, es gibt ja jetzt E-Roller!“
„Gieriger TÜV! Der will einfach reich werden damit.“

Zudem ist die Theorieprüfungen in 12 Sprachen verfügbar, so dass mangelnde Sprachkenntnisse auch nicht als Erklärung herhalten.

Sind wir ehrlich: Die theoretische Prüfung ist eine reine Lernprüfung . Hinsetzen, lernen, sich abfragen, wieder hinsetzen, weiterlernen… bis man es kann. Ja, vieles davon mag „praxisfern“ wirken, uninteressant, langweilig. Es muss nun mal beherrscht werden. Sehr ähnlich wie das, was in der Schule weitgehend stattfindet.

Alarmierende Daten zur Leistungsfähigkeit unserer Kinder

Leider passt das rapide zunehmende Scheitern bei den Theorieprüfungen in ein trauriges Muster an Daten zur Leistungsfähigkeit von Kindern, die uns aus verschiedenen Quellen erreichen. Unsere Zukunft in Deutschland:
Etwa 25 Prozent der Kinder können nach der Grundschule weder richtig lesen noch schreiben. (IGLU-Studie). Immer mehr dürfen dennoch auf das Gymnasium.
Die Leistung in Mathematik, Naturwissenschaft und Lesen ist seit über 10 Jahren im Sinkflug (PISA-Studie).
Damit die Kinder sich auch ja nicht entwickeln, hat man alle Standards immer weiter gesenkt. Noten werden immer besser – trotz objektiv schlechterer Leistung. So erhalten jetzt bundesweit etwa 30 Prozent ihr 1er-Abi.
Irgendwo der Beste zu sein oder gar zu gewinnen, ist mittlerweile verpönt und wird systematisch beseitigt. Beispielsweise der Wettbewerb bei Bundesjugendspielen in den Grundschulen.
Zunehmende Berichte aus der Praxis runden das Bild ab: Kinder, die zu spät kommen, keine Hausaufgaben mehr machen, ohne Frühstück erscheinen, weil es für Erziehungsberechtigte zu anstrengend ist morgens auszustehen, desinteressierte und passive Eltern, Regellosigkeit und Gewalt. Schulleiter, die sich dem entgegenstemmen und Disziplin einfordern, berichten von politischem Druck.

Motto: Lieber profitiert niemand als einige mehr als andere

Lobbyisten wollen derweil Hausaufgaben abschaffen und Noten verbieten, „weil davon manche Kinder mehr profitieren als andere“. Das bedeutet aber: Lieber profitiert niemand, als dass jemand mehr profitieren könnte als andere. Oberstes Ziel sind offenbar jetzt gleiche Ergebnisse für alle – statt einer hohen Durchschnittsleistung.
Fazit: Das Schulsystem droht zur leistungsfeindlichen Komfortzone und zur Spielwiese für Bildungsideologen zu werden, in der Kinder nicht mehr wachsen und verzerrtes Feedback erhalten. Alle sind angeblich überall super! Tatsächlich behindert man die Besten an ihrer Entfaltung, damit alle gleich sind. Gleich klein.

Leistungsfeindliche Komfortzone

Fahrlehrer schildern mir die Auswirkungen all dessen. Sie begegnen Fahrschülern, für die gründliche Prüfungsvorbereitung ein Fremdwort ist. Woher sollten sie es auch können? Mit dem Low-Performer-Mindset kann man sich zunehmend durch das Schulsystem schlängeln. Schwer umzuschalten, wenn es dann auf einmal härtere Standards gibt. Dazu beschreiben die Fahrlehrer Schüler, die aus Ländern kommen, in denen die Verkehrsregeln ganz eigen gelebt werden. Wer etwas in der Welt herumkommt, kennt das. Ich habe selbst tolle Fotos in anderen Ländern gemacht, was die für Ideen haben, wie man überholt, was man alles auf einem Moped transportieren kann, wie viel auf einen LKW passt ... Fahrlehrer unterrichten Jugendliche, die von Helikopter-Eltern mit dem Auto überall hingebracht wurden – am besten, während sie selbst ins Smartphone schauen. Ihnen fehlt die aktive Verkehrserfahrung, etwa als Radfahrer.

Fahrlehrer unterrichten Kinder von Helikopter-Eltern

Viele wundern sich über die schlechten Ergebnisse bei den theoretischen Führerscheinprüfungen. Doch stellt sich nicht viel eher die Frage: Wie könnten diese Menschen nicht scheitern an einfachsten Aufgaben wie einer Führerscheinprüfung?
Ich bin überzeugt: Die historisch schlechte Prüfungsbilanz der Fahrschüler ist nur ein Symptom von vielen für ein riesiges Problem, das in unserer Gesellschaft gedeiht. Das alles sind klare Hinweise auf eine zunehmende Verblödung und Demotivation. Kinder wachsen nicht mehr zu den Persönlichkeiten heran, die sie werden könnten.

Zunehmende Verblödung und Demotivation

Das darf uns nicht egal sein! Mit immer mehr Low-Performern sind wir nicht zukunftsfähig als Wissensgesellschaft. Soweit sind sich die meisten einig. Ganz politisch korrekt wird jedoch nur geredet über: „Das liegt an den Schulen, die faulen Lehrer, die erklären das zu schlecht, wir brauchen mehr Sprachförderung, die Kinder verstehen halt nichts, und überhaupt sind die Familien zu arm, daran liegt es, wir müssen die Familien reich machen!“

Kurz gesagt: Äußere Bedingungen sind angeblich schuld. Come on! Damit drehen wir uns seit Jahrzehnten im Kreis. Spannend ist, worüber nicht geredet wird: innere Bedingungen.

Was erfolgreiche Bildung ausmacht

Die stärksten psychologischen Prädiktoren des Bildungserfolgs sind:

Intelligenz (typischerweise gemessen mit dem IQ).
Selbstdisziplin (die Fähigkeit, etwas gegen Widerstand „durchzuziehen“; jetzt zu verzichten, um morgen mehr zu haben; das zu tun, was getan werden muss.)

Bei beiden sieht es leider schlecht aus in Deutschland. Der IQ von Kindern in Deutschland sinkt in zentralen Aspekten – seit rund 30 Jahren. Dieser Anti-Flynn-Effekt ist eine Bedrohung für unsere Wissensgesellschaft.
Dazu kommt das wachsende Unvermögen, etwas auch gegen Widerstand durchzuziehen. Überspitzt formuliert: Immer mehr Menschen erwarten für sich die 20-Stunden-Woche bei vollem Lohn. Nicht nur das aktuelle Schulsystem spielt eine traurige Rolle dabei. In den Talkshows sitzen Politiker, die uns erzählen, dass Arbeit krank macht, faul sein vernünftig ist und Unternehmer Menschen sind, die davon existieren, dass sie Arbeitnehmer ausbeuten und Kunden abzocken. Neulich meinte eine Nachwuchspolitikerin, man müsse das Bürgergeld verdoppeln, damit die Wirtschaft wächst. Den Wohlstand dafür sollen nach diesem um sich greifenden Gedankensystem andere erwirtschaften – „die Reichen“.

Wir brauchen eine tabulose Diskussion über Ursachen

Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit der Frage, was manche Menschen effektiv macht und völlig über sich hinauswachsen lässt. Während immer mehr andere schon am ganz normalen Alltag scheitern. Für mich ist das eine Schicksalsfrage: Wie können wir mit dem aktuellen Mindset als Gesellschaft, als Land, nachhaltig erfolgreich sein? Dafür sind unsere Wettbewerber zu smart, zu effektiv und zu fleißig.

Wir brauchen jetzt eine tabulose Diskussion der Ursachen von Verblödung und Demotivation . Um zukunftsfähig zu sein, müssen wir dafür sorgen, dass wieder mehr Kinder zu handlungsfähigen Persönlichkeiten reifen. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die Spitzenleistungen erzielen – und weniger Menschen, die schon an einfachsten Anforderungen des Alltags scheitern.

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