(Dazu: Polizeigewerkschaft schlägt Alarm - „Wir stecken schon mittendrin in der nächsten Flüchtlingskrise“)
Deutschland steuert auf eine neue Migrations- und Flüchtlingskrise zu, nur vollzieht sich dies bis anhin nahezu lautlos. In der öffentlichen Diskussion dominieren die anderen, miteinander verknüpften Krisen: Inflation, Energieversorgung, Ukraine-Krieg. Dass die Kommunen des Landes wegen der immer weiter steigenden Zahl der Zuwanderer Alarm schlagen, geht fast unter. Dabei meldet ein Landkreis nach dem anderen, keine Kapazitäten mehr zu haben. Zwölf von sechzehn Bundesländern nehmen schon seit Wochen niemanden mehr auf.
Die Angst vor russischen Agenten
Flüchtlinge aus der Ukraine bekommen vom deutschen Staat Wohnung, Heizung, Kleidung, medizinische Versorgung und die volle Grundsicherung finanziert – ohne Überprüfung der Bedürftigkeit. Bei manchen dürfte die Motivation zum Arbeiten unter diesen Bedingungen erlahmen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisierte am Montag einen grassierenden «Sozialtourismus»; viele Ukrainer pendelten zwischen Deutschland und dem Heimatland. Tags drauf nahm er die Äusserung nach Kritik zurück und bat um Entschuldigung. Es handle sich um Einzelfälle. Im Netz löste das Hin und Her starke Reaktionen aus. Viele stimmten dem Begriff des «Sozialtourismus» zu und bedauerten Merz’ Rückzieher.
Als Nächstes muss mit einem Zustrom russischer Deserteure gerechnet werden, die sich der Mobilmachung für den Ukraine-Krieg entziehen wollen. In welchem Ausmass Deutschland auch diese Menschen aufnehmen wird, ist noch in der Diskussion. Laut dem Bundeskanzleramt will man einerseits helfen, andererseits aber sicherstellen, dass keine neuen russischen Agenten eingeschleust werden. Die deutsche Regierung hat erst im April Dutzende Mitglieder des diplomatischen Personals der russischen Botschaft wegen des Verdachts der nachrichtendienstlichen Tätigkeit ausgewiesen.
Neben diesen kriegsbedingten «neuen» Flüchtlingsströmen steigen auch die Zahlen der Migranten aus Ländern wie Syrien, Afghanistan und Tunesien sowie aus afrikanischen Staaten in alarmierender Weise. Das zuständige Bundesamt registriert verstärkt Ankünfte über das Mittelmeer aus Tunesien und Libyen, aber auch aus der Türkei über die sogenannte Balkanroute nach Italien. Für die meisten Antragsteller, die vor allem vor der wirtschaftlichen Lage in ihren Heimatländern und nicht vor politischer Verfolgung flüchten, gibt es keine reguläre Möglichkeit der Zuwanderung nach Deutschland. Also versuchen sie es mit einem Asylantrag. Die Mehrheit wird abgelehnt – und bleibt trotzdem.
Aus den oppositionellen Unionsparteien kommt Kritik. «Das Abwarten der Bundesregierung in dieser Lage ist fahrlässig», sagt etwa die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Andrea Lindholz. «Die Bundesregierung muss jetzt mit den Schengen-Partnern den Schutz der EU-Aussengrenzen stärken und illegale Schleusungen aus der Türkei unterbinden.»
Die Ampelregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, das deutsche Ausländerrecht grundlegend zu reformieren. Die reguläre Zuwanderung dringend benötigter Fachkräfte wird deutlich erleichtert. Theoretisch sollen im Gegenzug all jene Antragsteller effektiver ausgeschafft werden, für die es in Deutschland keine Perspektive gibt. De facto fällt dieser Teil der Reform aber aus. Es wird seit Jahren kaum jemand, der abgelehnt wurde, auch tatsächlich aus Deutschland ausgeschafft.
Länder wie etwa die Türkei handhaben das anders. Von dort wurden allein im laufenden Jahr rund 40 000 Afghanen in ihre Heimat zurückgeflogen. Nun fürchten auch die rund vier Millionen aufgenommenen Syrer die Ausschaffung und machen sich auf den Weg nach Europa. Die neue deutsche Flüchtlings- und Migrationskrise hat gerade erst angefangen.
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