In
der Debatte um die Klimaerwärmung gibt es ein starkes Ungleichgewicht:
Klimawissenschafter und Aktivisten kommen häufig zu Wort. Stimmen von
anderen Naturwissenschaftern, Ökonomen und Sozialwissenschaftern werden
oft nicht gehört. Das muss sich dringend ändern.
Frank Scheffold
Die
Auswahl der Referenten und des Veranstaltungsortes (im Pavillon des
Botanischen Gartens) lässt vermuten, dass es den Organisatoren vor allem
um die Vernetzung und Rekrutierung neuer Aktivisten aus dem
akademischen Milieu ging. Die Gruppe, welche hinter dem Symposium steht,
nennt sich Scientist Rebellion und ist eng mit Renovate Switzerland
verbunden.
Stimmen anderer Wissenschaften
Diese
fragwürdige Mischung aus Aktivismus und universitärer Veranstaltung
zeigt einmal mehr, dass die Klimadebatte auch im akademischen Umfeld auf
eine breitere Basis gestellt werden muss. Universitäten und ihre
Wissenschafter dürfen das Thema nicht einer kleinen Gruppe von Personen
überlassen. Wie in der Corona-Krise, wo die Meinung einiger weniger
Experten grosses Gewicht hatte, gibt es auch in der Klimadebatte ein
starkes Ungleichgewicht. Klimawissenschafter und Aktivisten kommen
ständig zu Wort, aber die Stimmen von anderen Naturwissenschaftern,
Ökonomen und Sozialwissenschaftern werden oft nicht gehört oder nur am
Rande erwähnt.
Dabei
ist zu bedenken, dass gewisse Disziplinen durch einen massiven Zuwachs
an Forschungsgeldern, Aufmerksamkeit und Anerkennung von der Klimakrise
profitieren. Es ist daher fahrlässig, zu glauben, dass Klimaexperten die
Situation in der politischen Debatte immer objektiv einschätzen werden.
So werden ausgewogene Positionen aus den Fachberichten, zum Beispiel
jene des Weltklimarats IPCC, oft verzerrt und dramatisiert
wiedergegeben; insbesondere von Wissenschaftern und Aktivisten, die in
der Öffentlichkeit stehen. Die Folgen des Klimawandels und der
Kollateralschäden der Gegenmassnahmen müssen jedoch von der gesamten
Gesellschaft getragen werden.
Ruf nach «Klimarevolution»
Die
Blockade der Hardbrücke sowie ähnliche Proteste – in der Schweiz und in
unseren Nachbarländern – lässt vermuten, dass die Häufigkeit solcher
Aktionen weiter zunehmen wird. Allein in der letzten Woche hat die
Organisation Renovate Switzerland mehrmals den Verkehr auf einer
Hauptverkehrsstrasse des Landes unterbrochen. Auf der Website rufen die
beteiligten, meist jungen Wissenschafter sogar zu einer
«Klimarevolution» auf.
Wie
Terrorismusexperten in Deutschland warnen, besteht die Gefahr, dass
sich Splittergruppen bilden, denen gewaltfreier Widerstand nicht mehr
ausreicht. Um dieser Gefahr vorzubeugen, ist eine ehrliche Debatte über
den Klimawandel und die dagegen zu ergreifenden Massnahmen unerlässlich.
Insbesondere müssen die Gefahren für die Schweiz und die Welt
realistisch dargestellt werden, und die zu diskutierenden
Gegenmassnahmen dürfen sich nicht allein auf die Reduktion von
Klimagasen beschränken.
Das CO2-Gesetz
wurde unlängst vom Stimmvolk abgelehnt. Das Netto-Null-Ziel der
Energiestrategie 2050 ist ohne neue Kernkraftwerke ohnehin kaum oder nur
unter Inkaufnahme von exorbitant hohen Kosten zu erreichen.
Unerreichbare Ziele in den Raum zu stellen und dort zu belassen, ist
nicht nur sinnlos, sondern auch gefährlich.
Wenn
Politik und Gesellschaft eine offene und ehrliche Diskussion weiter
hinauszögern, werden sowohl die wirtschaftlichen Kollateralschäden als
auch das Frustrationspotenzial bei den Aktivisten zunehmen – beides mit
unabsehbaren Folgen.
Frank Scheffold
ist Professor für Physik an der Universität Freiburg und ehemaliges
Mitglied des Nationalen Forschungsrats beim Schweizerischen
Nationalfonds.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen