Das könnte Sie auch interessieren:
- AKW-Laufzeitverlängerung - Habecks Atomkraft-Kehrtwende reicht nicht aus (Daniel Gräber)
- Lage der Liberalen - FDP: Zuspitzen hilft nicht (Michael Freckmann)
- Die gespaltene Gesellschaft - Die Wut auf das grün geprägte Establishment (Alexander Grau)
- FDP macht Druck wegen Atomkraft - „Die Realität wird Herrn Habeck einholen“ (Interview mit Frank Schäffler)
- Habecks Atomkraft-Pläne - Mit Volldampf in den Öko-Sozialismus (Alexander Marguier)
Robert Habeck, der sich auf der Suche nach einem Atomkompromiss in einem argumentativen Gestrüpp zwischen Stresstest, Streckbetrieb und Einsatzreserve verheddert
hat, weiß, dass ihm der Laden auseinanderfliegen könnte, wenn er
diejenigen zu sehr herausfordert, die den fast vollendeten Atomausstieg
als persönlichen Triumph eines jahrzehntelangen Kampfes sehen. Und die,
so hört man es aus der Partei, versammeln sich derzeit hinter Annalena
Baerbock, die sich als weltgewandte Außenministerin nicht mit den Nöten
der mittelständischen Industrie befassen muss.
Anti-Atom-Märchen
Kompliziert ist die Lage zudem, weil es neben dem Spitzenduo noch ein
anderes gibt: Ricarda Lang und Omid Nouripour führen die Grünen als
Parteivorsitzende, weil Baerbock und Habeck als Minister nicht
gleichzeitig Parteichefs bleiben durften. Mit den realen
Machtverhältnissen hat dieser eher folkloristische Brauch – ein
Überbleibsel aus der Zeit der strickenden, bärtigen Männer – zwar nicht
viel zu tun. Dennoch lässt aufhorchen, wie klar sich Grünen-Chef
Nouripour am Freitagmorgen vor der Kamera des ARD-Morgenmagazins gegen
eine echte AKW-Laufzeitverlängerung gestemmt hat. In der leeren
Parteitagshalle, die Bühne im Hintergrund schon fertig aufgebaut,
wiederholte er die alte Mär vom bösen Atomstrom, der die Netze verstopfe
und den guten Windstrom blockiere, und warnte vor der
„Hochrisikotechnologie“. Im lapidar routinierten Tonfall verstieg sich
der Vorsitzende einer maßgeblichen Regierungspartei zu folgender
Behauptung: „Jeder Tag, an dem ein AKW läuft, ist ein Tag, an dem man
teilweise die Luft anhalten muss, damit es nicht zu verheerenden
Katastrophen kommt.“
Man hat sich an diese abgedroschene Phrasen gewöhnt. Es sind Glaubensbekenntnisse, die altgediente Grünen-Politiker auch dann noch herunterbeten können, wenn man sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf reist. Aber spätestens jetzt, am Vorabend des wirtschaftlichen Niedergangs einer einst auf ihre technologische Weltspitze stolzen Nation, sollte man ihnen diese Behauptungen nicht mehr durchgehen lassen.
Falls Herr Nouripour Recht hat und die drei letzten deutschen
Atomkraftwerke wirklich so gefährlich sind, dass wir jeden Tag nur noch
durch Luftanhalten gerade so an einer Katastrophe vorbeischliddern, dann
sollte man sie sofort stilllegen. Irrt er jedoch – und das bezeugen
nicht nur branchenfreundliche Fachleute, sondern auch die von Grünen
geführten Nuklearsicherheitsbehörden –, wird klar, worin die eigentliche
Gefahr besteht: einer industriefeindlichen, überideologisierten
Lehrerzimmerpartei die Verantwortung für die Energieversorgung unseres
Landes zu übertragen.
Gefährliche Rücksichtslosigkeit
Dass die letzten deutschen Kernkraftwerke, die zu den sichersten und
zuverlässigsten der Welt zählen, spätestens im kommenden Frühjahr
abgestellt werden sollen, ist der eisern vertretene Standpunkt vieler
Grüner. Sie beharren darauf mit einer Rücksichtslosigkeit und
Realitätsverweigerung, die für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands
eine ernsthafte Gefahr darstellt. Denn Energie wird nicht nur im
kommenden Winter knapp und teuer, mindestens der Winter darauf bleibt
herausfordernd. Vor diesem Bundesparteitag wird daher deutlich: Die
Grünen sind eine Hochrisikopartei.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen