Das Heimtückegesetz wurde zu einem der wichtigsten und wirksamsten Instrumente des NS-Staates zur Unterdrückung und Verfolgung „unerwünschter“ Meinungen. Hunderttausende wurden auf seiner Grundlage angezeigt und gerieten in die Mühlen der Gestapo und der Nazi-Justiz.
Unter anderen dazu im Cicero:
Was der Kampf gegen Hass und Hetze mit einem Nazi-Gesetz zu tun hat
Hass und Hetze ist schon lange nicht
mehr die – in der Tat üble und strafwürdige – Volksverhetzung im
strafrechtlichen Sinn. Schon vorsichtige und sachliche Kritik an der
Migrationspolitik oder an den Corona-Maßnahmen der Regierung wird als
Hass und Hetze bezeichnet – und dadurch ins gesellschaftliche Abseits
gedrängt. Wer einen Ex-Bundesminister kritisch als „Schwachkopf Professional“ kritisiert,
wird sofort als Hassredner und Hetzer abgestempelt. Völlig normale
parlamentarische Anfragen zu den Geschäftsmodellen und dem
Gemeinnützigkeitsstatus von NGOs: Hass und Hetze. Die zutiefst
undemokratische Brandmauer wird gerechtfertigt mit dem Kampf gegen Hass
und Hetze. Die Liste der Beispiele ließe sich endlos fortsetzen.
Hass und Hetze – das ist schon längst zu einem bösen politischen Etikett geworden, das eingesetzt wird, um kritische Meinungen zu stigmatisieren und aus dem Diskurs auszugrenzen. So wird der links-grüne Meinungskorridor verbissen verteidigt. Der Begriff richtet viel Unheil an. Er spaltet die Gesellschaft, schafft ein Klima, das zu Denunziationen ermutigt, und schüchtert Bürger ein. Das ist letztlich kein Wunder. Immerhin hat er Wurzeln im Denken und Reden der Nationalsozialisten.
Das Heimtückegesetz der Nationalsozialisten
Kurz vor Weihnachten 1934 erschien das Reichsgesetzblatt mit einem besonders üblen Inhalt. Es verkündete das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen“. Das Heimtückegesetz wurde zu einem der wichtigsten und wirksamsten Instrumente des NS-Staates zur Unterdrückung und Verfolgung „unerwünschter“ Meinungen. Hunderttausende wurden auf seiner Grundlage angezeigt und gerieten in die Mühlen der Gestapo und der Nazi-Justiz.
In
seinem § 1 stellt das Gesetz es unter Strafe, eine unwahre Behauptung
zu verbreiten, die geeignet ist, „das Ansehen … der
Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei … schwer zu schädigen“.
Der nachfolgende Paragraph stellt „gehässige, hetzerische oder von
niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten
des Staates oder der NSDAP“ unter Strafe. Voraussetzung: Sie sind
geeignet, „das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu
untergraben“.
Die juristischen Schlüsselbegriffe des Heimtückegesetzes waren also Hass und Hetze. Weil sie so unscharf formuliert und so weit gefasst waren, konnten alltägliche Äußerungen zur Straftat werden. Nicht nur eindeutige Kritik am Regime war strafbar, auch spontaner Unmut über den Alltag konnte vor Gericht führen. Jede nonkonforme Äußerung war eine potenzielle Straftat. Das Heimtückegesetz war die Allzweckwaffe der NS-Diktatur gegen unliebsame Meinungen und Äußerungen. Die Auswirkungen waren furchtbar: Hunderttausende Bürger wurden wegen „Heimtücke“ angezeigt, alle anderen wurden eingeschüchtert. Die Gesellschaft war von Denunziationen geprägt – und von der Angst vor ihnen. Private Beziehungen und Konflikte standen permanent im Schatten der potenziellen Denunziation. Alle misstrauten allen – das war die Wirkung, die das totalitäre Regime mit dem Heimtückegesetz erzielen wollte.
Hass und Hetze – die historische Lehre
Vor
diesem historischen Hintergrund ist das permanente Beschwören eines
Kampfes gegen Hass und Hetze extrem problematisch. In der freiheitlichen
Demokratie des Grundgesetzes sind Hass und Hetze grundsätzlich erlaubt
und sogar von der Meinungsfreiheit geschützt. Weder Hass noch Hetze sind
schön. Aber die Demokratie hält das aus. Hass und Hetze unter Strafe zu
stellen, verbietet sich vor dem historischen Hintergrund. Denn genau
das war der Inhalt des totalitären Heimtückegesetzes der
Nationalsozialisten.
Auch die zahlreichen Meldestellen in manchen Bundesländern oder die Trusted Flaggers nach dem Digital Services Act der EU sind in der historischen Perspektive äußerst problematisch. Eine Lehre aus dem Heimtückegesetz ist: Wenn der Staat Anreize zur Denunziation schafft, führt das zu verstärkter Denunziation. Und Denunziationen zerstören das Vertrauen unter den Bürgern – und langfristig die freiheitliche Demokratie. Kurz: Meldestellen und Denunzianten sind Gift für die Demokratie.
Die letzten Jahre: Einschüchterung
In
den letzten Jahren haben Politik und Justiz den Kampf gegen Hass und
Hetze deutlich verschärft. Vor allem Ex-Innenministerin Nancy Faser hat
sich dabei hervorgetan. Immer wieder betont sie: „Wer im Netz Hass und
Hetze verbreitet, bekommt es mit der Polizei zu tun.“ Das ist eine
verfassungswidrige Einschüchterung. Meinungsfreiheit umfasst und schützt
auch Hass und Hetze, solange sie nicht strafrechtlich relevant sind.
Vor dem Hintergrund des Heimtückegesetzes sollten sich solche Äußerungen
schon aus historischen Gründen verbieten.
Die Justiz reagiert ebenfalls auf die dauernden Aufrufe der Politik zum Kampf gegen Hass und Hetze. Hausdurchsuchungen wegen harmloser Memes, Freiheitsstrafen gegen Journalisten wegen satirischer Kritik – das sind nicht nur verfassungswidrige Einzelmaßnahmen, die von höheren Instanzen wieder aufgehoben werden. Das sind unsägliche Beiträge zu einem Klima der Einschüchterung. Und die Einschüchterungen wirken. 44 Prozent aller Bürger sagen: Es ist besser, vorsichtig zu sein, wenn es um die Äußerung der politischen Meinung geht. Das ist das Ergebnis des Freiheitsindex 2023, den Allensbach erhoben hat. Für eine Demokratie, die von der Meinungsfreiheit lebt, ist das ein schockierend niedriger Wert. Das war nicht immer so. 1990 waren sich noch 78 Prozent der Bürger sicher, dass man in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann.
Nie wieder ist jetzt
Nie wieder ist jetzt, heißt es. Jetzt müssten Lehren aus der NS-Zeit gezogen werden. Genau das hat die Verfassung getan, die 1949, kurz nach dem Ende des Nazi-Regimes, in Kraft getreten ist. Die ganze Verfassung lässt sich als Antithese zur Nazizeit verstehen, als in rechtliche Form gebrachtes „Nie wieder ist jetzt“. Deshalb garantiert sie die Meinungsfreiheit als Grundrecht für jeden Menschen. Und deshalb gibt sie gibt dem Staat die Aufgabe, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, das freie Meinungen ermutigt – und damit die Demokratie stärkt. Eine Politik, die Hass und Hetze als Kampfbegriff gegen unangenehme Meinungen einsetzt, tut das Gegenteil. Sie schafft ein Klima der Einschüchterung und der Denunziation. Deshalb ist es kein Versprechen, wenn die zukünftige Koalition ankündigt, den Kampf gegen Hass und Hetze zu verstärken. Es ist – ganz im Gegenteil – eine Drohung.
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