"Ich bedauere, dass es mir mein hohes Staatsamt verbietet, den Kerlen selbst eins auf die Fresse zu hauen."
Oder, auch sehr deftig:
"Früher auf dem Bau hat man solche Dinge mit der Dachlatte erledigt".
Die SPD ist diesmal fein raus. Lars Klingbeil muss nicht den Börner machen. Er und seine Freunde können diese Integrationsleistung auf der rechten Seite des Spektrums nicht leisten.
Jetzt ist die CDU dran, zumal die AfD ihr dicht auf den Fersen ist.
Von den Christdemokraten muss aus vier Gründen erwartet werden, dass sie es wenigstens versuchen. Es geht dabei auch um Hilfe zur Selbsthilfe.
#1 Druck führt zur Verhärtung
Die harte Haltung von Armin Laschet
(„Die Brandmauer steht. Unumstößlich. Mit der AfD gibt es keine
Kommunikation, keine Kooperation, keine Koordination und erst recht
keine Koalition.“) klingt zwar moralisch hochwertig, ist aber von nur
geringem Gebrauchswert.
Auch wenn die CDU-Funktionäre in Ländern und Kommunen sich (noch) daran halten, die Wähler tun es nicht. Die hopsen millionenfach über die Brandmauer hinweg. Die Dämonisierung der AfD scheint sie nicht zu stören, sondern zu stimulieren. Gestern meldete Forsa, dass der Vorsprung der Union vor der AfD auf nur noch einen Prozentpunkt geschmolzen ist.
#2 Dämonisierung funktioniert – aber nur in den USA
In den USA funktioniert das Konzept von Diffamierung
und Dämonisierung wahltaktisch hervorragend. Es gibt für die Demokraten
keinen einzigen Grund, Trump die Hand zu reichen. Und
es gibt für Trump keinen einzigen Grund, auf die Demokraten zuzugehen.
Die USA besitzen ein Mehrheitswahlrecht, in dem gilt: the winner takes
it all.
Der Wahlkampf besteht im Kern aus einer Polarisierung, die zur Aktivierung der Massen führt. Der Kompromiss liegt den Beteiligten fern, weil es ja auch nach dem Wahltag keine Koalitionsregierung gibt.
In der Bundesrepublik mit seinem Verhältniswahlrecht liegen die Dinge anders. Hier hängt die Stärke eines Politikers von der Anschlussfähigkeit seiner Partei ab. Dämonisierung macht einsam.
Helmut Kohl lag 1976 deutlich vor Helmut Schmidt. Aber ihm fehlte ein Koalitionspartner. So blieb er Oppositionsführer.
Franz Josef Strauß holte 1980 mit der Union mehr Stimmen als Helmut Schmidt und wurde wieder nicht Kanzler. Er war nicht anschlussfähig.
Kurt Georg Kiesinger ging 1969 vor Willy Brandt ins Ziel. Aber ihm fehlte die FDP zum Regieren. Der neue Kanzler hieß Brandt.
Edmund Stoiber lag 2002 gleichauf mit Gerhard Schröder.
Beide holten exakt 38,5 Prozent der abgegebenen Stimmen. Pech für
Stoiber: Schröder hatte mit den Grünen den stärkeren Partner und kam so
auf die notwendige Mehrheit im Parlament.
#3 Leben in der Gefangenschaft der SPD
Das Wechselspiel der Antagonisten ist mit dem Konzept der Brandmauer außer Kraft gesetzt worden. De facto gibt es jetzt keine Regierungsmehrheit mehr ohne Grüne oder Sozialdemokraten.
Friedrich Merz (und jeder, der danach kommt) befindet
sich im Würgegriff seines weltanschaulichen Antagonisten. Der
bundesdeutsche Parlamentarismus würde – wenn es bei der Brandmauer
bleibt – nie wieder eine Richtungsentscheidung ermöglichen, nur noch den
Ämtertausch.
Das aber bedeutet den kulturellen Tod der CDU. In der Koalition mit der SPD, das zeigt sich durch die jetzt geplante Aufnahme von einer Billion Euro Schulden, wird den Konservativen das Konservative ausgetrieben. Merz wird zu dem, was die Amerikaner „a man without balls“ nennen. Die CDU wäre fortan eine Partei ohne Grandezza.
#4 Man kann nicht nicht kommunizieren
Der Glaube, eine Kontaktsperre zu den Rechtspopulisten helfe der Union kommunikativ, ist ein Irrglaube. Wer die Kommunikation einstellt, überlässt sie anderen. Der alte Satz des Philosophen und Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick – „Man kann nicht nicht kommunizieren“ – gilt auch für Friedrich Merz und seine Mannschaft.
Hinter der Brandmauer ist längst ein eigenes Biotop der Meinungsbildung entstanden, das davon profitiert, dass dieses Biotop ein Geschlossenes bleibt. Ohne den Einfluss fremder Personen, Argumente und Ideen entwickelt sich hier eine Kultur der Demokratieverachtung. Es gilt das Motto: Die Etablierten verachten uns, also verachten wir zurück.
Der durchtrennte Gesprächsfaden, den die CDU für eine Errungenschaft hält, lässt sich schwerlich als Symbol der Demokratie verkaufen. Zumal Extremisten diese durchtrennten Gesprächsfäden längst mit ihren Gehirnen (und Medien) verknotet haben.
Dabei ist ja schon das Wort „AfD-Wähler“ eine
Fragwürdigkeit sondergleichen, weil es eine Konsistenz vortäuscht, die
es so nicht gibt. Viele von diesen Wählern wollen nur, dass die
bürgerliche Politik wieder so wird, wie sie einmal war. Sie sehnen sich
nicht nach Adolf Hitler, sondern nach Helmut Kohl.
Fazit: Die Frankfurter Zeitung schrieb nach den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 einen Satz, den die heutige CDU auch für sich annehmen sollte:
Die meisten Wähler, denen die extremen Parteien ihren Mandatzuwachs verdanken, sind gar nicht radikal, nur ohne Glauben an das Alte.
Das aber bedeutet:
Die Merz-CDU ist in der Bringschuld. Die Brandmauer muss nicht gleich
eingerissen, aber sie muss für diese vom Glauben Abgefallenen geöffnet
werden. Sonst ähnelt diese Mauer einer Gefängnismauer, aber nicht für Höcke, sondern für Merz.
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