27 April 2025

Umfragerekord So machen die aktuellen Eliten die AfD groß (WELT+)

Umfragerekord
So machen die aktuellen Eliten die AfD groß (WELT+)
Von Ulf Poschardt; Herausgeber WELT, „Politico“, „Business Insider“
Stand: 25.04.2025 Lesedauer: 6 Minuten
Die AfD erreicht einen neuen Umfragerekord, ohne viel dafür tun zu müssen. Sie kann auf die politischen, kulturellen und medialen Eliten zählen, die jede Lernkurve im Umgang mit der Partei verweigern.
Am bizarrsten sind die Reaktionen ungläubigen Staunens über den mittlerweile kometenhaften Aufstieg der AfD. Spätestens hier an dieser Stelle wird in vielen Medien mit gefühlt vier bis sieben Adjektiven ergänzt, wie schlümm, schlümm, schlümm die Partei ist – um sich dann wieder damit zu beruhigen, dass man ja im Namen aller Anständigen und „unserer Demokratie“™ spreche.
Dabei ist die AfD zum ersten Mal in einer Umfrage bei 26 Prozent angekommen und liegt damit erneut vor der Union. Besonders traurig, 2018 sprach Friedrich Merz davon, die AfD halbieren zu können, mittlerweile aber hat sie sich glatt verdoppelt. Mehr noch, sie liegt mittlerweile satte elf Prozentpunkte vor der doch eher ehemaligen Volkspartei SPD, die nur noch mit 15 Prozent dasteht, sich aber in den Koalitionsvereinbarungen mit der Union zum erstaunlich einflussreichen Juniorpartner verhandeln konnte.
Die AfD hat einen miserablen Wahlkampf gemacht und präsentiert sich auch in diesen Tagen weitgehend fahl und indisponiert. Aber: Sie hat geniale Wahlkämpfer in den aktuellen politischen, kulturellen und medialen Eliten, die schlicht und ergreifend jede Lernkurve im Umgang mit der AfD verweigern. Die erregte Selbstbefriedigung der Anhänger „unserer Demokratie“™, der „Anständigen“™, von „Maß und Mitte“™ über die Brandmauer wird auch deshalb fortgesetzt, weil diese ein nostalgisch wärmendes Gefühl erzeugt. Damals, weißt du noch, als die Republik auf unseren ideologischen Kram gehört hat und fast alle gespurt haben, flüstern die Neu-Frustrierten. Die Brandmauer ist der letzte Triumph des Shitbürgertums, das dort weitermacht, wo Rezo, der schlichte Influencer mit den blauen Haaren, aufgehört hat: bei der Zerstörung der CDU.
Todsünde Habgier, ÖRR-Edition
Auch in diesen Tagen erweist sich die stolze Partei Adenauers, Erhards und Kohls als Hasenfuß-Ballett, das sich von linken und ganz linken Parteien sagen lässt, was sie darf und was nicht. Natürlich war das, was Jens Spahn zum Umgang mit der AfD im Parlament gesagt hat, eine Selbstverständlichkeit. Und zumindest ein kleiner Hinweis darauf, dass zumindest er verstanden hat, dass es so nicht weitergehen kann. Das Heulsusen-Konzert abgewählter linker Überheblichkeit aber hat die Angsthasen in der Union wieder zurückschrecken lassen. Die AfD muss gar nichts machen. Alice Weidel kann mit einem milden Weißburgunder in der Schweiz sitzen und sich mit ihrer bunten Familie über den Zirkus amüsieren.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht mit der Hetze gegen bürgerliche Positionen ungebremst weiter, selbst wenn die Spitzen der Union den moralischen Appellen des vorpolitischen Raums Folge leisten, der ausschließlich rot-rot-grün besetzt ist. Der Deutschlandfunk etwa illustriert zu Ostern ein Zitat zur Todsünde Habgier mit Friedrich Merz im Privatflieger. Da hilft auch das ganze Appeasement nichts, das die Union so deprimierend vorgeturnt hat in den Koalitionsverhandlungen. Die NGO-Anfrage hat sie gebückt wieder eingerollt – und damit auch den so wichtigen Kulturkampf, den sie seit Jahren so beeindruckend verliert wie zuvor nur Tasmania Berlin in der Bundesligasaison 1965/66. Grüne, Linke und Sozialdemokraten lachen hier wahrscheinlich ebenso laut wie Weidel über die Union.
Jetzt werden die Schlachten für den künftigen Wahlkampf vorbereitet. Und die kulturell wie politisch komplett aus der Zeit gefallenen Sozialdemokraten, Grünen und Linken haben ihre ideologischen Bodentruppen finanziell abgesichert. Dass die Union das immer noch nicht verstanden hat, dass sie kulturell irrlichtert und sich im Zweifelsfall den ebenso tumben wie bösartigen Ideologen fügt, ist ein Signal der Selbstaufgabe. Bestens illustriert dadurch, wie Merz (und mit ihm die Union) die Abfuhr bei der NGO-Anfrage hinnimmt, ohne aufzumucken. Was pars pro toto für ein Signal an viele Wählerinnen und Wähler der Mitte steht, dass die Union der Linken im Land keine ernsthafte Gegenwehr mehr liefert.
Und wer an dieser Stelle darauf hinweisen will, dass SPD und Grüne weiterhin Mitte seien, der schließt einfach beide Augen, was in deren Jugendorganisationen und deren vorpolitischem Raum an linksradikalem Unsinn gefördert und toleriert wird. Am Ende werden dann selbst im Reich von Markus Söder und der Nürnberger Kunstakademie mutmaßliche Links-Terroristinnen eifrig gefördert, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einem hoch dotierten Preis ausgezeichnet, bis dann die rechte Nischenpublikation „Tichys Einblick“ den offensichtlichen Skandal aufdeckte.

Mit 2342 Unterschriften von Wissenschaftler*innen (sic!) des akademischen Establishments wehrte man sich auf dem meist sehr linken „Verfassungsblog“ gegen die NGO-Anfrage der Union. Wohl auch diese große Anzahl hat die Union wieder zurückschrecken lassen. Deren Hoffnung besteht offenbar zunehmend darin (ganz auf SPD-Linie), dass man die unliebsame AfD-Opposition (denken Sie bitte wieder kurz daran, wie schlümm, schlümm, schlümm sie ist) einfach verbieten kann. Und das so schnell wie möglich, bevor die AfD ernsthaften Schaden in Gestalt eines Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern anrichten kann. Aber allein die Tatsache, dass die AfD ankündigt, im Falle einer Ministerpräsidentschaft den Rundfunkstaatsvertrag zu kündigen, könnte auch Wähler bis tief hinein in die mittigste Mitte in Versuchung führen. Die Reformunfähigkeit des tendenziösen und spaltenden ÖRR steht pars pro toto für ein Tolerieren unhaltbarer Zustände, an denen die Union herzlich wenig ändern kann – oder will.

Hochmütige Moralisierer und Belehrer

Die AfD ist nicht aus eigener Stärke stark, sondern aufgrund der katastrophalen Schwäche auch der Union. Die SPD hingegen ist mittlerweile ein hoffnungsloser Fall. Die Bürger wollen eine Migrationswende, eine Wirtschaftswende und eine Rückkehr zu Common Sense und Normalität in den Debatten. Sie haben die hochmütigen Moralisierer und Belehrer satt. Seien sie in der Kirche, in den Schulen oder in unzähligen Talkshows, die an Betschulen „unserer Demokratie“ erinnern.

Die eine Erzählung der AfD ist, dass man – wenn man rot, grün, gelb oder schwarz wählt – immer dasselbe bekommt. Und diese KleiKo zeigt leider genau das. Dass die meisten Medien das weiter verklären, statt das Elend scharf zu kritisieren, bestätigt (ungewollt) eine weitere Erzählung der AfD: dass die Eliten in Medien und Politik unter einer Decke stecken. Dass die Migration kultur- und integrationsfernster Milieus die ökonomischen Unterschiede vergrößern wird, wird gar nicht erst thematisiert, um dann aber anschließend noch mehr Umverteilung zu fordern, schließlich nimmt die Armut ja zu. Auch damit werden rechte Verschwörungstheorien halbintentional bestätigt.

Die AfD wird ohne jedes Zutun weiter wachsen, wenn nicht mehr Leute wie Jens Spahn, Carsten Linnemann, Andreas Rödder oder Mario Voigt die Klappe aufmachen. Und vor allem, wenn die Union nicht langsam kapiert, dass sie Antonio Gramsci lesen – und verstehen! – muss, dass sie den Kulturkampf lustvoll annehmen muss, damit Ludwig Erhard, überfällige Sozialreformen, vermeintlich altmodische Sekundärtugenden und Common Sense wieder durchsetzungsfähig werden. Aktuell sieht es nicht danach aus. Es wird ganz bitter werden.

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