08 April 2025

Haftstrafe für Journalisten - Ein Urteil wie aus einer Diktatur (WELT+)

Eine satirische Bildmontage auf X
Haftstrafe für Journalisten -
Ein Urteil wie aus einer Diktatur (WELT+)
Von Andreas Rosenfelder, Chefkommentator und Ressortleiter Meinungsfreiheit, 3 Minuten
Sieben Monate auf Bewährung für ein Internet-Meme über die deutsche Innenministerin? Das Urteil gegen den Chef des „Deutschland-Kuriers“ passt in eine Diktatur, nicht in eine Demokratie. Es zeigt, wie schlimm es am Ende von Nancy Faesers Amtszeit um ein elementares Verfassungsgut steht.
Hasst Nancy Faeser die Meinungsfreiheit? Das weiß nur die Bundesinnenministerin selbst, so man nicht über die Fähigkeit zum Gedankenlesen verfügt. Als außenstehendem Beobachter bleibt einem nur, Taten und Worte der SPD-Politikerin zu betrachten – und daraus Schlüsse zu ziehen. Grundsätzlich gilt natürlich auch bei solchen Spekulationen die Unschuldsvermutung, also die Unterstellung guter Absichten bis zum Beweis des Gegenteils.
Zieht man eine Bilanz der Amtszeit von Faeser, so finden sich vor allem Indizien für ein angespanntes Verhältnis zum Recht auf freie Meinungsäußerung, das verfassungsgeschichtlich als Abwehrrecht der Bürger gegen den Staat entstand und die Machtkritik deshalb unter besonderen Schutz stellt. Das sieht Faeser offenbar genau andersherum: „Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen“, so drohte sie im Februar 2024 – ein Satz, der, wie die „Zeit“ zu Recht bemerkte, eher zu Orbán oder Erdogan passt als zum Repräsentanten einer freiheitlichen Demokratie.
Im Kampf gegen die sogenannten „Staatsdelegitimierer“ sah die Ministerin, die 2021 selbst noch einen Gastbeitrag im linken Kampfblatt „Antifa“ veröffentlicht hatte, ihre Kernaufgabe. Unrühmlicher Höhepunkt dieses Feldzugs war das Verbot des rechten Kampfblatts „Compact“ im Juli 2024 – ein hochproblematischer Angriff auf die Pressefreiheit, denn strafrechtlich hatte sich das Magazin nichts zuschulden kommen lassen. Was aber nicht ausdrücklich verboten ist, bleibt in einem Rechtsstaat erlaubt – weshalb das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung aufhob, eine Blamage für die Ministerin. Trotz der juristischen Niederlage, die eine vorläufige bleibt, hat Faeser die Meinungsfreiheit mit dem Verbotsversuch nachhaltig beschädigt. Denn eine Razzia in einer Redaktion, medienwirksam von anderen Pressevertretern begleitet, hat eine abschreckende Signalwirkung.
Lassen sich all diese Beispiele mit viel Mühe noch wohlwollend auslegen, so ist nun ein Urteil gefällt worden, das ein grelles, ja schockierendes Licht auf Faesers Verständnis von Meinungsfreiheit wirft – und die grundsätzliche Frage aufwirft, welchen Rang das in Artikel 5 geschützte Grundrecht in Deutschland noch genießt. Das Amtsgericht Bamberg hat David Bendels, den Chefredakteur des rechtsnationalen „Deutschland-Kuriers“, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil seine Zeitung im sozialen Netzwerk X am 28. Februar 2024 ein Foto teilte, das die Innenministerin zeigt, wie sie ein weißes Blatt Papier vor ihre Brust hält. Darauf steht, mit fetten, kursiven Computerbuchstaben gedruckt: „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“

Strafanzeige hatte im Mai 2024 Faeser selbst gestellt. Das Urteil erging wegen „gegen Personen des politischen Lebens gerichteter Verleumdung“, definiert im während der Corona-Pandemie verschärften Paragrafen 188. Die Freiheitsstrafe von sieben Monaten wurde zur Bewährung ausgesetzt, eine Entschuldigung des Verurteilten bei Faeser verlangt.

Betrachtet man die Bildmontage – schon durch die unrealistische Typografie klar als Meme, also als Internetgag erkennbar –, dann will man nicht glauben, dass dieses Urteil in einem demokratischen Land gesprochen wurde. Noch der dümmste Internetnutzer wird ahnen, dass eine Bundesministerin sich nicht selbst öffentlich als Feindin der Meinungsfreiheit anklagt. Und selbst wenn man davon ausgeht, dass ein paar extrem Begriffsstutzige das Bild nicht als Montage erkennen könnten, ist doch der Schutz dieser satirischen Machtkritik, die jeder vernunftbegabte Bürger als solche erkennt, in der Güterabwägung unendlich viel höher zu veranschlagen.

Gefängnis für einen polemischen Witz über Politiker? Die Wirkung, die von dieser nur mangels Vorstrafen zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafe ausgeht, ist katastrophal und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wahrscheinlich präzedenzlos. Dass Journalisten für satirische Regierungskritik womöglich hinter Gitter müssen, ist ein Erkennungszeichen von Diktaturen. Wenn Nancy Faeser sich von diesem skandalösen Urteil nicht klar distanziert, muss man fast vermuten, dass sie die Meinungsfreiheit tatsächlich hasst.

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