Schritt zwei: Die Recherche eines „Monitor“-Teams soll die Frage beantworten. Der Aufbau folgt einem Muster. Zu Anfang belegt eine Stimme aus dem Volk scheinbare Unvoreingenommenheit, indem sie der These des Moderators widerspricht. „Ja, wir sind überfordert.“ Doch es folgt ein Reigen von Bildern und Aussagen, die das Gegenteil behaupten: Es gibt keine Probleme mit der Migration. Wir sind nicht überfordert. Wir sind dankbar für die Flüchtlinge. Und im Vergleich zu 2015 sind die Zahlen doch sehr gering, weswegen von einer Notlage keine Rede sein kann. Die Aussagen im Film bestätigen also die Meinung des Moderators.
Im dritten Schritt folgt das Resümee: Die Journalisten sind einer Frage nachgegangen und zu einer objektiven Erkenntnis gekommen. Der Zuschauer lernt: Es gibt kein Problem mit Migration, und darum ist die Debatte „aufgedreht“. Oder gemäß Bernays: Wer keine Debatte über Migration möchte, propagiere das positive Bild von flüchtenden Familien, um jeden Kritiker einer ungeregelten Migration als herzlosen Unmenschen erscheinen zu lassen.
Neutralität gibt es nicht?
Das
Verfahren der Scheinobjektivität verspricht vordergründig neutralen
Journalismus. Man stellt eine Frage und recherchiert die Problemlage.
Geschieht es aber wie in „Monitor“, ist die objektive Recherche nur
vorgetäuscht. Denn die Auswahl der Gesprächsteilnehmer und die
Reihenfolge der Aussagen folgen der Agenda.
Restle hatte in einem Beitrag für das WDR-Magazin „print“ 2018 die steile These aufgestellt: „Wenn Journalisten behaupten, sie seien neutral, dann lügen sie.“ Da es keine neutrale Berichterstattung geben könne, so der Schluss von Restle, sollten Journalisten es gar nicht erst versuchen, sondern sich auf die Seite des Guten stellen und die weniger guten Zuschauer belehren durch „werteorientierten Journalismus statt blinder Neutralität“.
Daraus folgen zwei Probleme: Zum einen müssten sich die ARD-Verantwortlichen fragen, wie sie zu einem Journalisten stehen, der seine Meinung zum Maßstab der Reportagen macht. Offenbar begrüßen sie dessen Meinung, schließlich ist „Monitor“ weiter auf Sendung. Damit folgt die ARD dem Motto aller Meinungsmacher: Wem die Propaganda gefällt, dem fällt sie nicht unangenehm auf.
Der Wolf kommt im Schafspelz
Das
zweite Problem betrifft die Techniken der Manipulation: Mit welchen
Mitteln wird Meinung zur Wahrheit erklärt? Da spielt die
Scheinobjektivität eine zentrale Rolle. Der Widerspruch besteht also
darin, dass der Moderator seine Parteilichkeit betont, während die
journalistische Form eine neutrale Berichterstattung vortäuscht. Erst in
dieser Kombination entsteht die Manipulation, da eine Meinung so
dargestellt wird, dass sie als belegte Wahrheit erscheint. Die
Manipulation liegt darin, dass Restle seine Meinung im Gewand einer
(schein)objektiven Recherche verkleidet.
Wer offen seine Meinung sagt, manipuliert nicht. Wer aber die Realität so verzerrt, dass sie seine Meinung legitimiert, und zugleich behauptet, alles sei objektiv recherchiert und neutral dargestellt, der manipuliert. Da solche Techniken allgegenwärtig sind, sollte zumindest in den Medien, die auf ihre Seriosität bedacht sind, ein kritisches Bewusstsein vorhanden sein.
Es stellen sich darum zwei Fragen an den ÖRR: Gibt es eine Begründung, warum ein parteiischer Meinungsmacher wie Georg Restle regelmäßig auf Sendung ist und andere Meinungen keinen Sendeplatz bekommen? Und gibt es in Gremien des ÖRR eine Diskussion über den Einsatz von Manipulationstechniken? Beide Fragen wären journalistische Recherchen wert. Ob diese jemals vom ÖRR beauftragt werden und ob die Ergebnisse jemals an die Öffentlichkeit dringen werden, ist fraglich. Welche Elite gibt schon gerne die Instrumente der Beeinflussung preis?
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