Die bedrohliche Botschaft der Brandmauer-Wächter
Wessen Interessen
außerdem durch die AfD-Brandmauer geschützt werden, machte die neue
Jeanne d’Arc der Linken, Heidi Reichinnek, klar, indem sie sofort in die
Bresche sprang, die Spahn vermeintlich geöffnet hatte. „Das sind
Demokratiefeinde, die zumindest in Teilen gesichert rechtsextrem sind“,
verkündete die Chefin der umbenannten Mauermörderpartei SED. „Einer
Partei, die die Demokratie von innen heraus zerstören will, werden wir
ganz sicher nicht den Teppich ausrollen.“
Eine selbstbewusste Union, die Partei von Helmut Kohl, hätte sich solche Belehrungen ausgerechnet von der äußersten linken Flanke verbeten. Sie hätte zum Beispiel auf die Aktivitäten der Linke-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel in der gewalttätigen Linksextremisten-Szene von Leipzig-Connewitz hingewiesen. Wenn Reichinnek wirklich „die Demokratie von innen heraus“ schützen wollte, hätte sie dabei in den eigenen Reihen genug zu tun.
Kiesewetters Unzeit und der Koalitionsvertrag
Aber
die CDU ist eben keine selbstbewusste, sondern eine Partei ohne inneren
Halt, weswegen sie buchstäblich zu zittern anfängt, wenn man ihr eine
Abweichung von dem vorwirft, was Grüne, Sozialdemokraten und
Linkspartei als „unsere Demokratie“ festgelegt haben. Und so sprang der
CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter eben nicht seinem Parteifreund
Spahn zur Seite, sondern fiel ihm in zwei Interviews in den Rücken: Die
Debatte komme zur Unzeit. „Wir haben noch keinen unterschriebenen
Koalitionsvertrag.“ Aus solcher Formulierung spricht die reine Angst,
dass die SPD-Basis vielleicht doch noch die Koalition und damit Merzens
Kanzlerwahl ablehnen könnte.
Also unterwirft sich Kiesewetter der Brandmauer-Sprachregelung: Die AfD sei keine normale Partei, die AfD-Abgeordneten gehörten nicht ins Parlamentarische Kontrollgremium, das die Nachrichtendienste kontrolliert, und „genauso wenig ins Vertrauensgremium, wo es um die Haushalte geht. Und dann ist jeder Abgeordnete frei, ob er jemanden von der AfD in seinem Ausschuss zum Vorsitzenden wählt oder nicht.“
Letzteres ist vermutlich eher als Warnung an potentielle Abweichler in den eigenen Reihen zu verstehen. Ebenso wie die öffentliche Schulmeisterei gegen Spahn, der habe sich bestimmt nur Gedanken gemacht (will wohl sagen: sollte sich nur solche Gedanken machen), wie man mit Bürgerinnen und Bürgern umgehe, die die AfD aus Protest gewählt hätten.
Politische Aussichten von der Brandmauer
In der CDU steht die kurzfristige Gier, nun ganz schnell und ungestört ins Kanzleramt und an andere politische Fleischtöpfe vorzudringen, gegen die lang- oder vielleicht angesichts der jüngsten Umfragen auch schon mittelfristige Gefahr, an der Brandmauer buchstäblich zerdrückt zu werden, wenn diese immer weiter nach links verschoben wird und immer größere Teile der Deutschen aus reiner Verzweiflung darüber zur AfD überlaufen.
Spahn hat diese Gefahr für seine Partei ganz
offenkundig erkannt. Und der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß
auch, der Spahn unterstützt. Der habe „völlig zu Recht darauf
hingewiesen, dass man die AfD nicht mit Geschäftsordnungsdebatten wieder
unter 20 Prozent bekommen kann, sondern nur mit inhaltlichen
Auseinandersetzungen“, sagte Ploß im Tagesspiegel.
Unionspolitiker wie Kiesewetter scheinen nicht zu begreifen: Ihre Wähler freuen sich im Gegensatz zu ihnen selbst nicht bedingungslos über einen CDU-Kanzler. Sie haben die Union gewählt, damit diese ihre Interessen, zum Beispiel Steuersenkungen und vor allem eine grundlegende Migrationswende, durchsetzt. Je mehr sie den berechtigten Eindruck gewinnen, dass es Merz und weiten Teilen der Union nur um die Machtpositionen geht und sie ihre Interessen bedenkenlos auf dem linken Altar der Brandmauer opfern, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie der Union künftig die Treue halten.
Je länger und bereitwilliger sich die Union an
die Brandmauer-Kandare der SPD nehmen lässt, desto mehr zwingt sie ihre
verzweifelten Wähler geradezu in die Arme der AfD. Und desto
dramatischer wird dann in nicht mehr allzu ferner Zukunft die
parteipolitische Krise (zusätzlich zu all den anderen Krisen, die
ungelöst vor sich hin wachsen) durch den schieren Druck noch größerer
AfD-Wahlerfolge. Oder will man eines Tages vielleicht ganze Bundesländer
einmauern?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen