08 April 2025

CDU, Grüne und AfD - Auch die Grünen wurden mal ausgegrenzt – ohne Erfolg (Cicero)

CDU, Grüne und AfD
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Auch die Grünen wurden mal ausgegrenzt – ohne Erfolg (Cicero)
Neue Parteien werden von den etablierten nicht gemocht. Das ist nicht erst seit dem Aufstieg der AfD so. Schon vor 40 Jahren, als die Grünen „the new kid on the block“ waren, versuchte die Union, sie auszugrenzen. Es hat nicht funktioniert. Im Gegenteil.
VON HUGO MÜLLER-VOGG am 3. April 2025 4 min
„Die Union wollte sich aber niemals um der Macht willen auf Absprachen oder gar Koalitionen mit einer politischen Kraft einlassen, an deren staatlicher Zuverlässigkeit und demokratischer Glaubwürdigkeit begründeter Zweifel bestand.“ Nein, hier ging es nicht um die Brandmauer zur AfD. Hier blickte Altkanzler Helmut Kohl im zweiten Band seiner „Erinnerungen“ auf die 1980er-Jahre zurück, als eine neue Partei namens „Die Grünen“ zuerst in den Bundestag (1983) und danach in die Länderparlamente einzog. Allerdings räumte Kohl ein, dass niemand die Grünen daran hindern könne, in den Parlamenten „ebenso zu stimmen wie die CDU“.
Die wesentlichen Vorwürfe der CDU an die Adresse der Grünen bestanden darin, dass diese sich nicht eindeutig zum demokratischen Verfassungsstaat und Gewaltverbot bekannten, aus der Nato austreten wollten und einen neutralistischen Kurs zwischen den Blöcken empfahlen. Noch 20 Jahre später sprechen „Abscheu und Empörung“ aus Kohls Rückblick. Das Gegenrezept der Union: Abgrenzung und Ausgrenzung.Wolfgang Schäuble, damals Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, räumt in seinen „Erinnerungen“ ebenfalls ein, es sei gar nicht einfach gewesen, „die erklärten Antiparlamentarier in den parlamentarischen Betrieb zu integrieren“. Das ging nach der Bundestagswahl 1983 schon damit los, wo die Neulinge im Parlament sitzen sollten. Die Union hätte die Grünen gern am linken Rand neben der SPD gesehen. Dagegen verwahrte sich die SPD: Sie wollte keine Linken links neben sich haben. So gab Schäuble dem Drängen von SPD und Grünen nach und platzierte Petra Kelly, Otto Schily und Joschka Fischer in der Mitte des Plenarsaals – genau gegenüber dem Rednerpult und sehr nahe an der Regierungsbank.

Erste grüne Vizepräsidentin wurde Antje Vollmer 

Helmut Kohl konnte sich noch Jahre später über diesen Fehler aufregen. So hätten es die Grünen, allen voran Fischer, leicht gehabt, die Redner mit Zwischenrufen ständig zu stören, was sich auch im Fernsehen zugunsten der Grünen ausgewirkt habe. Kohl war sogar überzeugt, ohne diese strategische Position hätte Fischer nicht so schnell einen so hohen Bekanntheitsgrad erreichen können.

So großzügig wie bei der Platzzuweisung waren die „etablierten“ Parteien bei der Besetzung des Parlamentspräsidiums nicht. Bis 1994 war in der Geschäftsordnung des Bundestags nicht festgelegt, dass jede Fraktion „durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten“ sein soll – sofern dieser die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält. Bis dahin war jeweils zu Beginn der Legislaturperiode ausgehandelt worden, wer welche Positionen besetzen durfte. Für die Grünen ließen CDU/CSU und SPD im Präsidium des Bundestags nie einen Platz frei – weder 1983 noch 1987 noch 1990.

Das änderte sich erst mit der Neufassung der Geschäftsordnung 1994. Auch hier hatte Wolfgang Schäuble, inzwischen zum Fraktionsvorsitzenden aufgestiegen, seine Finger im Spiel. Die Grünen waren drittstärkste Fraktion geworden und erhoben abermals Anspruch auf einen Vizepräsidenten-Posten. Die SPD war strikt dagegen. So setzten Union und Grüne gemeinsam die neue Geschäftsordnung durch – zum großen Ärger der SPD. Erste grüne Vizepräsidentin wurde Antje Vollmer und füllte das Amt elf Jahre lang, so Schäuble, „mit Umsicht und Würde“ aus.

Schäuble verfolgte gegenüber den Grünen zunehmend einen Kurs der „Normalisierung und Entdramatisierung“

Schäuble, der im Gegensatz zu Helmut Kohl nicht viel vom Denken in politischen Lagern – hier Schwarz-Gelb, dort Rot-Grün – hielt, verfolgte gegenüber den lange Zeit ausgegrenzten Grünen zunehmend einen Kurs der „Normalisierung und Entdramatisierung“, wie er rückblickend schrieb. Er ebnete ihnen den Weg in das Parlamentarische Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste und demonstrierte so im Gegensatz zur SPD „staatspolitische Gelassenheit“. Schäuble im Rückblick: „Jedenfalls glaubte ich nicht, dass man den Grünen als normaler Oppositionspartei den Zugang zu diesen Gremien verweigern sollte.“ Dass die Mitwirkung in demokratischen Institutionen die Grünen verändern würde, hatte Schäuble nach eigener Darstellung vorausgesehen.
Ob Schäuble wirklich so weitsichtig war, wie er sich das – altersmilde – selbst bescheinigt hat, sei dahingestellt. Unstrittig ist jedoch, dass die CDU gegenüber den „undemokratischen“ Grünen mit ihrem ungeklärten Verhältnis zur Gewalt zunächst ebenso aufgetreten ist wie 30 Jahre später gegenüber der von Anfang an rechtslastigen, inzwischen in Teilen rechtsextremen AfD. In beiden Fällen hat die Ausgrenzung die neuen Wettbewerber nicht klein halten oder gar ausschalten können. Ungeachtet vorenthaltener Positionen mancher Geschäftsordnungstricks zu ihren Lasten haben die beiden neuen Parteien stetig an Stärke gewonnen. Mit einem Unterschied: Die Grünen hatten sich nach gut zehn Jahren parlamentarischer Teilhabe in Richtung linke Mitte bewegt. Die AfD hingegen hat sich mit jedem Wahlerfolg weiter radikalisiert.

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