24 Juli 2024

„Ganze Inkonsequenz der grünen Klimapolitik“ – Scharfe Kritik an EM-Flugkosten der Regierung (WELT+)

Bundesregierung flog für 531.000 Euro zu EM-Spielen
„Ganze Inkonsequenz der grünen Klimapolitik“ – Scharfe Kritik an EM-Flugkosten der Regierung (WELT+)
Mehr als eine halbe Million Euro ließ sich die Bundesregierung die Reise zu Spielen der Fußball-Europameisterschaft kosten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie mehrere Minister nutzten hierfür die Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums. Das zeigt eine Antwort des Ministeriums auf eine Schriftliche Frage der Linke-Gruppe, über die WELT am Dienstag berichtete.
Die 531.008,86 Euro Kosten für die Flüge, in denen auch Personalkosten enthalten sind, entstanden bei insgesamt sechs Reisen. An Bord waren Vertreter des Innenministeriums, des Gesundheitsministeriums, des Außenministeriums sowie des Forschungsministeriums. Anlass waren Spiele der deutschen Nationalmannschaft in Stuttgart, München, Frankfurt am Main und Dortmund.Die Bundesregierung steht nach der WELT-Recherche massiv in der Kritik. Sören Pellmann fordert weitere Aufklärung. Der Chef der Linke-Gruppe im Bundestag brachte die Kosten durch eine Schriftliche Frage an die Bundesregierung ans Licht. Die Bundesregierung untergrabe das Ziel eines nachhaltigen Fußballturniers, so Pellmann. „Es ist jedenfalls schon sehr seltsam, wenn von der Ampel-Regierung von ihrem moralischen Ross herab gegenüber dem Bürger ein Verzicht von Inlandsflügen gefordert wird, während man selbst kreuz und quer durch die Bundesrepublik jettet.“

Die Bundesregierung spare in ihrem aktuellen Haushaltsentwurf bei den Ärmsten. Und verpasse wichtige Investitionen in die Bahn oder den Ausbau der Verkehrswege. „Während eine im wahrsten Sinne des Wortes abgehobene Kaste sich die Flugbereitschaft gönnt, quetschten sich zehntausende Bürger in überlastete und überfüllte Busse und Bahnen, um an die Spielorte zu kommen – wenn überhaupt etwas fährt“, so Pellmann. „Bürgernähe geht anders!“

Auch bei den Grünen sind nicht alle über das Vorgehen der Ampel-Minister erfreut. „Ich hab wenig Verständnis für so viele EM-Flüge von Regierungsmitgliedern und hab auch wenig Lust das zu verteidigen“, schrieb Tim Achtermeyer, Landesvorsitzender der NRW-Grünen, auf X.

Die Ampel-Bundestagsfraktionen von Grünen, SPD und FDP wollten sich auf WELT-Anfrage hingegen nicht äußern und verwiesen an die entsprechenden Ministerien. Auch die Unionsfraktion äußerte sich auf Anfrage nicht.

Wie sich AfD und BSW positionieren

Die AfD nannte die Nutzung der Flugbereitschaft zu EM-Spielen „maßlos, schamlos und völlig unnötig“. Innerhalb Deutschlands stünden Linienflüge, die Deutsche Bahn oder Dienstwagen zur Verfügung, betonte Jörn König, Vize-Chef der AfD-Bundestagsfraktion. „Hunderttausende Euros Kosten sind ein ähnlicher Skandal wie Hunderttausende Euros für Friseur und Visagistin bei Frau Baerbock.“ Die Außenministerin stand zuletzt wegen hoher Kosten für eine Visagistin auf Reisen in der Kritik.

Grund für einen dienstlichen Besuch der Spiele sei nur bei Kanzler Olaf Scholz, Sport- und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) sowie Mitgliedern des Sportausschusses des Bundestags gegeben. „Alle anderen Minister haben auf einem solchen Sportereignis dienstlich nichts zu suchen und müssen sich die Karten, An- und Abreise privat besorgen und bezahlen“, so König zu WELT. „Kostenlose ‚Ehrenkarten‘ gehören abgeschafft.“ Politiker sollten jene Karten spenden oder bei Nutzung „den geldwerten Vorteil versteuern“.

Die Uefa stellte Repräsentanten der deutschen Verfassungsorgane insgesamt 669 sogenannte Ehrenkarten zur Verfügung. Damit sollte eine politische Repräsentation des Gastgeberlands sichergestellt sein. Die Ehrenkarten waren kostenlos, nicht käuflich zu erwerben und ausschließlich Mitgliedern der Bundesregierung, der Bundestagspräsidentin oder Mitgliedern des Bundestags vorbehalten. Auch Linke-Parteichef Martin Schirdewan forderte Politiker zuletzt auf, ihre Ehrenkarten an Ehrenamtliche aus dem Breitensport zu vergeben.

Die Flüge der Minister zu den Spielen zeigten „die ganze Inkonsequenz der grünen Klimapolitik“, findet das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Jessica Tatti, Parlamentarische Geschäftsführerin der BSW-Gruppe im Bundestag, sagte: „Annalena Baerbock wird von der Bundeswehr zum EM-Spiel chauffiert, während der Normalbürger dem Bahnchaos ausgesetzt ist.“ Es sei nicht verwunderlich, dass deutsche Politiker „als abgehoben wahrgenommen“ würden.

Sicher freue es die Nationalspieler, wenn die Bundesregierung bei den Spielen anwesend sei. „Was man aber keinem Menschen erklären kann, ist, dass sich die grüne Außenministerin mit der Flugbereitschaft vom Spiel in Frankfurt läppische 250 Autokilometer nach Luxemburg fliegen lässt und dafür noch das Nachtflugverbot umgeht“, so Tatti zu WELT. Baerbock flog nach dem Spiel der deutschen Mannschaft gegen die Schweiz in Frankfurt am Main dienstlich nach Luxemburg. Der Flug kostete laut Verteidigungsministerium gut 47.000 Euro.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen