Dieter Nuhr - Cancel-Cultur gibt es nicht? Von wegen... "Immer wieder höre ich: „Cancel Culture gibt es nicht.“ Das ist natürlich
Quatsch. Dass sie bei mir nicht erfolgreich ist, bedeutet ja nicht,
dass es sie nicht gibt. Die früher häufig gehörte Forderung, meine
Sendung einzustellen, ist heute perfideren Mechanismen gewichen. Heute
wird versucht, mich durch stete Diffamierung als „rechter Comedian“ aus
dem Kreis ernstzunehmender Stimmen auszuschließen.
Der Tagesspiegel
schreibt begeistert über den Auftritt von Trevor Noah, einem
Comedysuperstar in den USA. Wie lautet die Überschrift? „Der Anti-Nuhr“ -
so, als sei ich das Gegenteil von Trevor Noah. Wieso mir unterstellt
wird, ich sei sein Antipode, wird im Artikel mit keinem Wort erwähnt.
Der Leser muss es sich, da ihm keine Fakten genannt werden, selber
ausmalen. Wie könnte es denn aussehen, das Gegenbild zu einem schwarzen,
lässigen, lustigen, antirassistischen Komiker? Welche Bilder sollen im
Kopf des Lesers erscheinen? Es wird wohl ein weißer humorloser Rassist
sein, oder?Im Spiegel wird das Ausscheiden von Christine Prayon in
der heute-Show relativiert. Das sei ja nun keine - wörtlich -
„Nuhrwerdung“. Was soll der Leser hier zwischen den Zeilen lesen? Auch
hier wird manipulativ Platz gelassen für die Fantasie… Frau Prayon ist
offenbar noch nicht ganz abgedriftet… Teile unserer Medien erzeugen
so durch stete Adressierung ein Bild von mir, das mich aus der
demokratisch-freiheitlich-liberalen Mitte der Gesellschaft nach rechts
rücken soll. Ich werde offensichtlich abgestraft für dauerhafte
Regierungskritik, weil es mir an Begeisterung fürs vermeintlich
Progressive mangelt. Meine Kritik richtet sich eben zwar auch, aber
nicht nur gegen Rechte. Da nun einmal die breite Mehrheit meiner Branche
auf dem linken Auge blind ist, nehme ich mir heraus, auch und vor allem
die Widersprüche von Linken und Grünen satirisch aufzuarbeiten. Das
wird ganz offenbar beim Spiegel ebenso wenig gern gesehen, wie beim
Tagesspiegel,Süddeutscher Zeitung (wo ich ebenfalls schon als „rechter
Comedian“ geführt wurde) und anderen…
Ich könnte zahllose weitere
Etikettierungen aufführen wie den der Sendung „Kontraste“, die mir
gleich manipulativ und völlig faktenfrei „antisemitisches
Verschwörungsraunen“ unterstellte. Auch wenn es das Gegenteil von dem
ist, was ich tue, es wird schon etwas hängenbleiben… So funktioniert
Cancel Culture heute: Wenn der Feind nicht entfernt werden kann, muss
man ihn langsam aber sicher durch dauerhafte Bearbeitung nach rechts aus
dem Diskursraum hinausschieben…
Wenn ich rechts sein soll, dann
muss sich der Begriff in sein Gegenteil verkehrt haben. Und tatsächlich:
War es vor 20 Jahren noch links, die Freiheit der Sicherheit
vorzuziehen und gegen die Staatsmacht zu sein, hat sich das Ganze
spätestens in der Coronazeit gedreht. Plötzlich galt es als links, nach
Law und Order zu rufen, Debatten zu unterbinden und stattdessen Experten
zu folgen, die nicht infrage gestellt werden durften, individuelle
Freiheit der Sicherheit zu opfern, Berufsverbote für Abweichler an
Universitäten zu fordern und den Staat als Heilsbringer zu betrachten.
Selbst
die Freiheit des Journalismus gilt nicht mehr als unantastbar. Im
Gegenteil! Harald Staun hat im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung einem Artikel über die Rolle des Journalismus in Zeiten
der Klimaerwärmung die Überschrift vorangestellt: „Neutralität, nein
danke!“ Das war bemerkenswert ehrlich, aber leider auch verräterisch:
Wenn sich der Journalist als Aktivist versteht, wird Neutralität, also
Abwägung von Argumenten aller Seiten, zum überflüssigen Ballast. Der
Journalist sucht nicht nach der Wahrheit, er besitzt sie. Widerspruch
gilt als anmaßend. Viele Journalisten - sogar in ehemals konservativen
Medien - sehen ihre Aufgabe nicht mehr in Information und Einordnung,
sondern in Aktivismus. Und das ist keine Erfindung von rechten Spinnern
aus dem Lager der Lügenpresseschreier, sondern ist das offen
ausgesprochenen Selbstverständnis vieler Medienschaffender.
Wer sich
da wundert, gilt in diesen Kreisen schon als potentieller AfD-Wähler.
Meiner Erfahrung nach lehnt aber der Großteil unserer Bevölkerung SOWOHL
die AfD ALS AUCH manipulativen Journalismus ab, selbst wenn er dem
hehren Zweck der links-grünen Gesellschaftsbesserung dient. Diesem Teil
der Wählerschaft, den ich jetzt einfach mal als Mitte der Gesellschaft
bezeichne, fühle ich mich zugehörig.
Und ich bedaure sehr, dass es
unsere freie Presse den echten Rechten so einfach macht. Harald Staun
bezeichnete Kritiker des pädagogischen Klimakatastrophenjournalismus in
der FAS als „notorische Freiheitsjournalisten“ und warf Ihnen „naives
Nachplappern“ und „ideologische Haltungslosigkeit“ vor. Da ist der Weg
zur ideologischen Einheitszeitung nicht mehr weit…
Offensichtlich
glaubt Herr Staun, die Leserschaft der FAS bedürfe geistiger Führung –
durch ihn. Es scheint ihm nicht klar zu sein, dass einmal offenbarter
Wille zur Meinungslenkung wohl kaum zum gewünschten Ergebnis führt,
sondern eher zu Renitenz. Das hätte ihn die Geschichte der DDR lehren
können – und erklärt auch, warum es gerade im Osten unseres Landes einen
starken Widerwillen gegen Manipulation von oben gibt. Wer nach den
Ursachen der Erfolge der AfD bei Wahlumfragen forscht, sollte hier
anfangen zu suchen.
Wenn der strikte Wille zur ideologischen Formung
der Leser bereits in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
angekommen ist, dann stellt sich die Frage, wo wir uns in Zukunft noch
informieren können. Auf der anderen Seite warten bereits freudig die
Bauernfänger von der völkischen Partei, um die Frustrierten abzuholen,
die nicht rational, sondern wütend auf ihre pädagogische Gängelung
reagieren. Insofern ist die Schlagseite vieler Medien gefährlich. Sie
ist ursächlich verantwortlich für den Aufschwung der echten Rechten,
also Rechtsextremen.
In der Mitte der Gesellschaft wird es gerade
eng… Immer mehr Menschen bedienen sich inzwischen ausländischer
Zeitungen, um sich zu informieren. Meine Erfahrung aus zahllosen
Gesprächen, übrigens auch in klassisch grünen und sozialdemokratischen
Kreisen, ist: Die Mitte fühlt sich nicht mehr repräsentiert. Nur extrem
wenige zweifeln daran, dass unsere Medien mit wenigen Ausnahmen eine
politische Schlagseite haben.
Abwägende Töne, liberale oder gar
konservative Positionen sind selten geworden und werden allzu oft gleich
als faschistisch oder demokratiefeindlich gebrandmarkt.
Dabei wird
rechts von rechtsextrem oft gar nicht mehr unterschieden, wie gerade das
öffentlich-rechtliche Internetangebot bewiesen hat, wo Friedrich Merz
auf eine Stufe gestellt wurde mit Björn Höcke, einem gerichtlich
anerkannten Faschisten. So geraten die politischen Begriffe völlig
durcheinander. Nicht selten sehen sich selbst Liberale absurderweise als
Nazis denunziert. Auch ich wurde bereits als Nazi, Querdenker,
Klimaleugner diffamiert. Wie irre kann es noch werden?
Der
inflationäre Gebrauch einer Vokabel wie „rechts“ als gleichbedeutend mit
„rechtsextrem“ oder „rassistisch“, nutzt nur einer Gruppe: den
wirklichen Rechtsradikalen, die sich nun freuen können, keine Randgruppe
mehr zu sein, ist doch im Grunde jeder rechts, der nicht kritiklos
links-grün mitmarschiert in die deindustrialisierte Gesellschaft".
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