05 Juli 2023

Dieter Nuhr - Cancel-Cultur gibt es nicht? Von wegen...

Dieter Nuhr - Cancel-Cultur gibt es nicht? Von wegen...
"Immer wieder höre ich: „Cancel Culture gibt es nicht.“ Das ist natürlich Quatsch. Dass sie bei mir nicht erfolgreich ist, bedeutet ja nicht, dass es sie nicht gibt. Die früher häufig gehörte Forderung, meine Sendung einzustellen, ist heute perfideren Mechanismen gewichen. Heute wird versucht, mich durch stete Diffamierung als „rechter Comedian“ aus dem Kreis ernstzunehmender Stimmen auszuschließen.
Der Tagesspiegel schreibt begeistert über den Auftritt von Trevor Noah, einem Comedysuperstar in den USA. Wie lautet die Überschrift? „Der Anti-Nuhr“ - so, als sei ich das Gegenteil von Trevor Noah. Wieso mir unterstellt wird, ich sei sein Antipode, wird im Artikel mit keinem Wort erwähnt. Der Leser muss es sich, da ihm keine Fakten genannt werden, selber ausmalen. Wie könnte es denn aussehen, das Gegenbild zu einem schwarzen, lässigen, lustigen, antirassistischen Komiker? Welche Bilder sollen im Kopf des Lesers erscheinen? Es wird wohl ein weißer humorloser Rassist sein, oder?Im Spiegel wird das Ausscheiden von Christine Prayon in der heute-Show relativiert. Das sei ja nun keine - wörtlich - „Nuhrwerdung“. Was soll der Leser hier zwischen den Zeilen lesen? Auch hier wird manipulativ Platz gelassen für die Fantasie… Frau Prayon ist offenbar noch nicht ganz abgedriftet…

Teile unserer Medien erzeugen so durch stete Adressierung ein Bild von mir, das mich aus der demokratisch-freiheitlich-liberalen Mitte der Gesellschaft nach rechts rücken soll. Ich werde offensichtlich abgestraft für dauerhafte Regierungskritik, weil es mir an Begeisterung fürs vermeintlich Progressive mangelt. Meine Kritik richtet sich eben zwar auch, aber nicht nur gegen Rechte. Da nun einmal die breite Mehrheit meiner Branche auf dem linken Auge blind ist, nehme ich mir heraus, auch und vor allem die Widersprüche von Linken und Grünen satirisch aufzuarbeiten. Das wird ganz offenbar beim Spiegel ebenso wenig gern gesehen, wie beim Tagesspiegel,Süddeutscher Zeitung (wo ich ebenfalls schon als „rechter Comedian“ geführt wurde) und anderen…

Ich könnte zahllose weitere Etikettierungen aufführen wie den der Sendung „Kontraste“, die mir gleich manipulativ und völlig faktenfrei „antisemitisches Verschwörungsraunen“ unterstellte. Auch wenn es das Gegenteil von dem ist, was ich tue, es wird schon etwas hängenbleiben… So funktioniert Cancel Culture heute: Wenn der Feind nicht entfernt werden kann, muss man ihn langsam aber sicher durch dauerhafte Bearbeitung nach rechts aus dem Diskursraum hinausschieben…

Wenn ich rechts sein soll, dann muss sich der Begriff in sein Gegenteil verkehrt haben. Und tatsächlich: War es vor 20 Jahren noch links, die Freiheit der Sicherheit vorzuziehen und gegen die Staatsmacht zu sein, hat sich das Ganze spätestens in der Coronazeit gedreht. Plötzlich galt es als links, nach Law und Order zu rufen, Debatten zu unterbinden und stattdessen Experten zu folgen, die nicht infrage gestellt werden durften, individuelle Freiheit der Sicherheit zu opfern, Berufsverbote für Abweichler an Universitäten zu fordern und den Staat als Heilsbringer zu betrachten.

Selbst die Freiheit des Journalismus gilt nicht mehr als unantastbar. Im Gegenteil! Harald Staun hat im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einem Artikel über die Rolle des Journalismus in Zeiten der Klimaerwärmung die Überschrift vorangestellt: „Neutralität, nein danke!“ Das war bemerkenswert ehrlich, aber leider auch verräterisch: Wenn sich der Journalist als Aktivist versteht, wird Neutralität, also Abwägung von Argumenten aller Seiten, zum überflüssigen Ballast. Der Journalist sucht nicht nach der Wahrheit, er besitzt sie. Widerspruch gilt als anmaßend. Viele Journalisten - sogar in ehemals konservativen Medien - sehen ihre Aufgabe nicht mehr in Information und Einordnung, sondern in Aktivismus. Und das ist keine Erfindung von rechten Spinnern aus dem Lager der Lügenpresseschreier, sondern ist das offen ausgesprochenen Selbstverständnis vieler Medienschaffender.

Wer sich da wundert, gilt in diesen Kreisen schon als potentieller AfD-Wähler. Meiner Erfahrung nach lehnt aber der Großteil unserer Bevölkerung SOWOHL die AfD ALS AUCH manipulativen Journalismus ab, selbst wenn er dem hehren Zweck der links-grünen Gesellschaftsbesserung dient. Diesem Teil der Wählerschaft, den ich jetzt einfach mal als Mitte der Gesellschaft bezeichne, fühle ich mich zugehörig.

Und ich bedaure sehr, dass es unsere freie Presse den echten Rechten so einfach macht. Harald Staun bezeichnete Kritiker des pädagogischen Klimakatastrophenjournalismus in der FAS als „notorische Freiheitsjournalisten“ und warf Ihnen „naives Nachplappern“ und „ideologische Haltungslosigkeit“ vor. Da ist der Weg zur ideologischen Einheitszeitung nicht mehr weit…

Offensichtlich glaubt Herr Staun, die Leserschaft der FAS bedürfe geistiger Führung – durch ihn. Es scheint ihm nicht klar zu sein, dass einmal offenbarter Wille zur Meinungslenkung wohl kaum zum gewünschten Ergebnis führt, sondern eher zu Renitenz. Das hätte ihn die Geschichte der DDR lehren können – und erklärt auch, warum es gerade im Osten unseres Landes einen starken Widerwillen gegen Manipulation von oben gibt. Wer nach den Ursachen der Erfolge der AfD bei Wahlumfragen forscht, sollte hier anfangen zu suchen.

Wenn der strikte Wille zur ideologischen Formung der Leser bereits in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung angekommen ist, dann stellt sich die Frage, wo wir uns in Zukunft noch informieren können. Auf der anderen Seite warten bereits freudig die Bauernfänger von der völkischen Partei, um die Frustrierten abzuholen, die nicht rational, sondern wütend auf ihre pädagogische Gängelung reagieren. Insofern ist die Schlagseite vieler Medien gefährlich. Sie ist ursächlich verantwortlich für den Aufschwung der echten Rechten, also Rechtsextremen.

In der Mitte der Gesellschaft wird es gerade eng… Immer mehr Menschen bedienen sich inzwischen ausländischer Zeitungen, um sich zu informieren. Meine Erfahrung aus zahllosen Gesprächen, übrigens auch in klassisch grünen und sozialdemokratischen Kreisen, ist: Die Mitte fühlt sich nicht mehr repräsentiert. Nur extrem wenige zweifeln daran, dass unsere Medien mit wenigen Ausnahmen eine politische Schlagseite haben.
Abwägende Töne, liberale oder gar konservative Positionen sind selten geworden und werden allzu oft gleich als faschistisch oder demokratiefeindlich gebrandmarkt.

Dabei wird rechts von rechtsextrem oft gar nicht mehr unterschieden, wie gerade das öffentlich-rechtliche Internetangebot bewiesen hat, wo Friedrich Merz auf eine Stufe gestellt wurde mit Björn Höcke, einem gerichtlich anerkannten Faschisten. So geraten die politischen Begriffe völlig durcheinander. Nicht selten sehen sich selbst Liberale absurderweise als Nazis denunziert. Auch ich wurde bereits als Nazi, Querdenker, Klimaleugner diffamiert. Wie irre kann es noch werden?

Der inflationäre Gebrauch einer Vokabel wie „rechts“ als gleichbedeutend mit „rechtsextrem“ oder „rassistisch“, nutzt nur einer Gruppe: den wirklichen Rechtsradikalen, die sich nun freuen können, keine Randgruppe mehr zu sein, ist doch im Grunde jeder rechts, der nicht kritiklos links-grün mitmarschiert in die deindustrialisierte Gesellschaft".

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