Das ist zunächst einmal nicht mehr als die Beschreibung eines offensichtlichen Fakts. Die entscheidende Frage ist, welche Schlussfolgerungen man aus diesem Fakt zieht. Vorausgesetzt, man verfolgt das Ziel, den Klimawandel aufzuhalten, sähe eine rationale Antwort auf diese Frage etwa wie folgt aus:
Es liegt nicht im Interesse eines einzelnen Landes, allein Klimaschutz zu betreiben, denn das Land müsste erhebliche Kosten tragen, ohne dass irgendjemand einen Vorteil hätte. Aber es liegt im Interesse aller Länder, dass alle Klimaschutz betreiben. Geschieht das, profitiert jedes Land von den Anstrengungen aller anderen und leistet im Gegenzug selbst Vermeidung von CO2, von der dann alle anderen profitieren. Die Lösung des Klimaproblems setzt also in diesem Sinne kooperatives Verhalten einer hinreichen großen Zahl von Ländern voraus. Zwei weitere Dinge müssen hinzukommen.
- Wirtschaftskrise: Klimapanik blockiert Produktivität
- Schrumpfende deutsche Wirtschaftskraft: Strukturkrise statt Rezession
- Deindustrialisierung: Die Erosion des deutschen Wirtschaftsmodells
Erstens brauchen wir Instrumente, die dafür sorgen, dass die kooperierenden Länder eine kosteneffiziente Vermeidung betreiben können. Nur dann, wenn die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 minimiert werden, können die Lasten des Klimaschutzes getragen werden. Das erreichen wir, wenn wir einen CO2-Preis benutzen, der durch eine globale Steuer oder einen globalen Emissionshandel entsteht.
Zweitens brauchen wir technischen Fortschritt, denn die bestehende Technik zur CO2-freien Stromerzeugung reicht nicht aus, bzw. hat gravierende Nachteile. Wir brauchen deshalb jede Form von Innovation, die hilft, CO2-frei Energie zu erzeugen, ohne dabei unerwünschte Nebenwirkungen zu entfalten.
Deutschlands klimapolitischer Sonderweg
Fassen wir zusammen: Wir brauchen internationale Kooperation, Innovation und einen CO2-Preis. Tut die deutsche Politik irgendetwas, um diese drei für einen gelingenden Klimaschutz absolut notwendigen Dinge zu erreichen? Nein.
Die Konsequenz, die in Deutschland aus dem eingangs geschilderten Fakt gezogen wird, sieht ganz anders aus: Da der Rest der Welt keinen oder zu langsamen Klimaschutz betreibt, müssen wir es eben machen. Wir tun deshalb so, als bestünde die Welt nur aus Deutschland, und fordern, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, weil nur so die Welt (=Deutschland) gerettet werden kann. Das ist der Grund, warum die Bundesregierung die Klimaziele als verbindliche Vorgaben in Gesetzesform gegossen hat und ihren Einfluss in der EU (der erheblich ist) in diesem Sinne geltend macht. Die Folge: Deutschland ist gezwungen, das gesamte Land, alle Bereiche, alle Sektoren bis 2045 zu dekarbonisieren. Das geht nur mit der Brechstange.
Dekarbonisierung mit der Brechstange
Wer schon einmal mit einer Brechstange gearbeitet hat, weiß, dass dabei einiges kaputtgehen wird. Das ist bei der Klimapolitik nicht anders. Das liegt daran, dass Dekarbonisierung in einem Land, dass fast 80 Prozent seiner Energie nach wie vor aus fossilen Brennstoffen bezieht, extrem teuer ist. In jüngster Zeit bekommen wir eine Ahnung davon, welche Dimensionen das annimmt. Unsere Klimaziele erzwingen, dass wir alle fossilen Heizungen ersetzen. Wie teuer das ist, wenn man als Alternative nur Wärmepumpen hat, bekommen wir gerade zu spüren. Für Eigenheimbesitzer stehen Kosten jenseits der 30.000 Euro Untergrenze an. Für Mehrfamilienhäuser wird es extrem schwierig und aufwändig und für die Mieter entsprechend teuer.
Die Wärmepumpen kommen als zusätzliche Stromverbraucher ans Netz, das, damit die Klimaziele erreicht werden können, mit entsprechendem CO2-freien Strom versorgt werden muss. Woher der kommt, ist unklar, klar ist nur, dass es schon wieder teuer wird. Wind- und Solarenergie sind schon teuer genug, reichen aber nicht. Wir brauchen zusätzlich enorme Speicheranlagen, die den Strompreis mindestens verdoppeln, weil durch die Zwischenspeicherung mindestens die Hälfte der Energie verlorengeht. Aber die Heizungen sind nur die Spitze des Eisberges. Dazu kommt die Elektrifizierung des Verkehrs, die Dekarbonisierung der Schwer- und aller anderer Industrien. Allein die Elektrifizierung der chemischen Industrie wird den Strombedarf Deutschlands verdoppeln.
Staat wird für gigantische Kosten aufkommen müssen
Alle diese Maßnahmen sind für sich genommen unwirtschaftlich, weil die Energieeinsparungen längst nicht ausreichen, um die enormen Kosten zu decken. Freiwillig wird deshalb niemand etwas tun. Natürlich kann man Zwang einsetzen (siehe die Heizungen), aber das hat spätestens bei der Industrie Grenzen. Die reagiert auf Zwang nämlich mit Abwanderung oder Schließung. Deshalb kann sie die Regierung dank der Klimaziele wunderbar erpressen: „Ihr wollt, dass wir klimaneutral werden? Dann zahlt dafür.“ Genau das passiert gerade. Vor wenigen Wochen hat der Wirtschaftsminister der Salzgitter AG einen ersten Förderbescheid über eine Milliarde Euro feierlich überreicht. Damit soll ein Stahlwerk dekarbonisiert werden.
Randbemerkung: Stahlwerke unterliegen dem Emissionshandel. Das bedeutet, dass die teure Dekarbonisierung in Deutschland keinen Rückgang der CO2-Emissionen bewirken kann, weil die Menge der europäischen Emissionsrechte unverändert bleibt. Aber wen interessiert das schon? Unser Ziel ist es ja nicht, den Klimawandel zu bekämpfen, sondern klimaneutral zu werden – was nun einmal nicht das Gleiche ist.
Im Ergebnis wird es darauf hinauslaufen, dass der Staat den größten Teil der Kosten tragen muss. Da die öffentlichen Haushalte schon jetzt am Limit sind, wird es zu massiven Einschränkungen an anderer Stelle kommen. Zuerst bei der Bildung (die kann sich am wenigsten wehren), dann bei den Investitionen (da fällt es erst mit Verzögerung auf), dann bei den Sozialleistungen (sorry, geht nicht anders). Auch die Einnahmen werden steigen müssen, die Steuerlast wird noch größer, die Energiepreise werden weiter steigen (da sind wir zwar schon Weltmeister, aber was soll‘s).
Horrorszenario für das Wirtschaftswachstum
Das alles wird zu Lasten des Standortes Deutschland gehen und zwar massiv. Wachstum ist unter diesen Bedingungen kaum noch zu erwarten, denn erschwerend kommt hinzu, dass wir neben der Klimapolitik noch ein paar andere Probleme schultern müssen. An allererster Stelle ist dabei die Demographie zu nennen, die sowohl auf der Einnahmenseite des Staatshaushaltes wirksam werden wird als auch bei den Ausgaben. Die Ausgaben werden steigen, weil nach der Massenverrentung der Babyboomer der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung ansteigen muss. Wenn es schlecht läuft, wird er 2040 die Hälfte des Bundeshaushaltes in Anspruch nehmen. Die andere Hälfte wird bis dahin vor allem für die Klimaneutralität Deutschlands herhalten müssen.
Das reicht schon, um ein Horrorszenario zu entwickeln, aber es kommt noch schlimmer. Die Staatseinnahmen hängen von der Wirtschaftsleistung ab, und die ist von der Verfügbarkeit der essentiellen Produktionsfaktoren abhängig. Die demographische Entwicklung wird im nächsten Jahrzehnt dafür sorgen, dass Arbeitskräfte aller Qualifikationsstufen zur Mangelware werden. Bei einem Fachkräftemangel wird es nicht bleiben, denn die Zahl der Köpfe, die im arbeitsfähigen Alter sind, wird dramatisch abnehmen. Migration kann helfen, das Problem vollständig lösen kann sie nicht. Die Folge wird sein, dass die eingeschränkte Verfügbarkeit des Faktors Arbeit sich zu einer massiven Wachstumsbremse entwickeln wird – mit erheblichen Folgen für die Staatseinnahmen.
Kooperationen scheitern an der moralischen Hochnäsigkeit
Erfolgreiche Klimapolitik setzt kooperatives Verhalten vieler Länder voraus. Das entsteht nicht von selbst. Daran muss man arbeiten, und man wird dafür auch Geld ausgeben müssen, denn die schwächer entwickelten Länder werden zu Recht auf die Verantwortung der Industrienationen für den Klimawandel hinweisen. Aber davon abgesehen entsteht Kooperation nur auf der Basis von wechselseitigem Vertrauen und Respekt. Aber wir betreiben eine werteorientierte Außenpolitik. Was nichts anderes bedeutet, als dass wir andere Länder gegen uns aufbringen, indem wir ihnen erzählen, dass sie gefälligst unsere Werte zu teilen haben. Die kulturellen und religiösen Wurzeln der Werte anderer Nationen interessieren uns dabei nicht.
Kooperation erreicht man so nicht – im Gegenteil, man treibt wichtige Staaten, die andere Werte haben als der Westen (China, Indien, die arabischen Staaten), in eine Allianz der nicht-demokratischen Länder. Diese Allianz wird sich beim Klimaschutz vornehm zurückhalten und auf die Verantwortung der westlichen Länder verweisen, anstatt mit dem Westen über kooperative Lösungen zum Vorteil aller zu verhandeln. Selbst wenn man von der Klimapolitik absieht, ist Konfrontation nicht in unserem Interesse, denn unser Wohlstand hängt in hohem Maße davon ab, dass diese Länder bereit sind, mit uns Handel zu treiben.
Im Ergebnis wird die gegenwärtig praktizierte Politik zu einem multiplen Desaster führen. Wenn wir weiter ausschließlich unsere Klimaziele verfolgen und alles außer Acht lassen, was zu einer Lösung des Klimaproblems notwendig ist, dann wird die globale Klimapolitik wahrscheinlich scheitern. Die Tatsache, dass wir den Klimawandel im einem klimaneutralen Zustand erleben werden, wird dann kein Trost sein. Die nationalen Folgen der Brechstangenpolitik werden zu einer massiven Überforderung der Staatsfinanzen führen und zu einem erheblichen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Beides wird den Sozialstaat und unseren Wohlstand stark beschädigen. Die deutschen Klimaziele sind keine Lösung für das Klimaproblem, sie sind selbst ein Problem.
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