Womit kann man heute provozieren?
Kein Zweifel: Das Pfingst-Gegröle war pubertär, dumm und stossend. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass Betrunkene nur selten brauchbare politische Urteile von sich geben. «Pubertär» ist aber in diesem Kontext das zentrale Stichwort. In einer infantilisierten Gesellschaft können auch Menschen in ihren Zwanzigern noch als Pubertierende gelesen werden, so wie die hopsenden, sich selbst mit der Handykamera filmenden «Ausländer raus»-Sänger von Kampen.
Und was tun Pubertierende? Genau: Sie provozieren, verletzen Grenzen und wollen Erwachsene bis aufs Blut reizen. Wie aber schafft man das in einer Gesellschaft, in der weite Teile von Politik und Medien ihr linkes und grünes Weltbild absolut setzen? Ganz einfach: mit allem, was rechts ist.
Man tut den politisch korrekten Eltern weh, indem man gegen den inklusiven, diskriminierungsfreien, achtsamen, klimabewussten Zeitgeist angrölt. Ein linker Tabubruch ist heute nur noch schwer zu bewerkstelligen. Die Klima-Kleber von der Letzten Generation haben es versucht, und wohin hat es sie gebracht? In die Talkshows.
Auch ein Teil der Umfragewerte der Rechtspartei AfD dürfte sich mit einer solchen Trotzhaltung erklären lassen. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach hat zu diesem Themenkomplex vor kurzem den französischen Philosophen Alexis de Tocqueville zitiert. Der schrieb vor fast 200 Jahren, in der freien Gesellschaft bestehe die Gefahr, dass der Staat immer mehr Zuständigkeiten an sich ziehe, bis die Regierenden schliesslich ihre Aufgabe darin sähen, den Bürger «zu leiten und zu beraten und notfalls gegen seinen Willen glücklich zu machen».
Regierende als Erzieher
Diese Beobachtung tönt auch in Bezug auf die Vertreter der Berliner Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP schlüssig. Indizien dafür, dass sich Regierungspolitiker mit medialer Verstärkung zu Erziehern der Bürger aufschwingen, gibt es einige.
Das beginnt mit dem Ton des Bundeskanzlers, der sich selbst «Besonnenheit» bescheinigt und allen anderen damit implizit vorwirft, weniger besonnen oder verständig zu sein. Es führt über einen Europawahlkampf der Einwortsätze («Frieden», «Gerechtigkeit») zu einem «Demokratiefest» im Berliner Regierungsviertel, das an Mitmachtheater und Kindergarten erinnert. Und es hört bei regierungsamtlich empfohlenen Demonstrationen «gegen rechts» nicht auf.
All dies bedeutet nicht, dass man sich im Fall Kampen nicht deutlich mehr Interventionsmut von den Umstehenden gewünscht hätte. Die beherzte Frage, ob die Krakeeler eigentlich noch alle Tassen im Schrank hätten, gerne kombiniert mit einem langfristigen Hausverbot, hätte möglicherweise für mehr unmittelbare Orientierung gesorgt als Internetpranger, Staatsschutz und Hyperempörung.
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