Stefan Aust zur Lage
„Dann könnte schnell ganz Europa in Flammen stehen“ (Welt+)
24.04.2022
Jedes
Wochenende beantwortet WELT AM SONNTAG-Herausgeber Stefan Aust Fragen.
Das Thema diesmal: Schlägt Bundeskanzler Olaf Scholz mit
Blick auf Waffenlieferungen an die Ukraine den richtigen Kurs ein? Und:
Was ist vom Auftreten des ukrainischen Botschafters Melnyk zu halten?
Auszüge
Frage:
Bundeskanzler Olaf Scholz ist wegen seiner Haltung zu
Waffenlieferungen an die Ukraine in die Kritik geraten, auch in den
Reihen der Ampelkoalition. Wie beurteilen Sie sein Verhalten?
Aust: Mir ist ein vorsichtiger, besonnener Bundeskanzler in einer so gefährlichen Lage lieber als einer, der den Krieg – möglicherweise in der besten Absicht – weiter eskalieren lässt. Eine Unterstützung der Ukraine auch durch Waffenlieferungen ist sicher notwendig, aber mit welchen „schweren Waffen“ die Schwelle zur Kriegsbeteiligung überschritten würde, ist schwer abzuschätzen.
Aust: Mir ist ein vorsichtiger, besonnener Bundeskanzler in einer so gefährlichen Lage lieber als einer, der den Krieg – möglicherweise in der besten Absicht – weiter eskalieren lässt. Eine Unterstützung der Ukraine auch durch Waffenlieferungen ist sicher notwendig, aber mit welchen „schweren Waffen“ die Schwelle zur Kriegsbeteiligung überschritten würde, ist schwer abzuschätzen.
- Wer aus berechtigter moralischer Empörung und Solidarität dem ukrainischen Präsidenten und seinem Berliner Botschafter jeden Wunsch nach militärischer Hilfe von den Augen abliest, könnte schnell selber zur Kriegspartei werden. Und ob damit der Ukraine geholfen ist, kann durchaus bezweifelt werden.
- Frage: Täuscht der Eindruck, oder kann sich in der Regierung insbesondere die SPD nicht zu einer klaren Haltung
gegenüber dem Agieren Russlands durchringen?
Aust: Die bisherigen Maßnahmen und Sanktionen des Westens und damit auch der Bundesrepublik zeugen von einer klaren Haltung gegenüber dem verbrecherischen Angriff Russlands auf die Ukraine.
Aber mit einem plötzlichen Lieferstopp die Wirtschaft lahmzulegen, dürfte die Stabilität und damit die Verteidigungsfähigkeit des Landes auch nicht gerade stärken.
Auch die eigene Verteidigungsfähigkeit sollte langsam mal in den Vordergrund rücken - etwa die Frage, ob die „Aussetzung“, in Wirklichkeit wohl Abschaffung der Wehrpflicht nicht dringend rückgängig gemacht werden müsste. Und die auf unbegrenzte russische Gaszufuhr basierende Energiewende mit ihrer Abkehr von Atomkraft, Steinkohle und Braunkohle dürfte sich schon jetzt als Windei entpuppt haben. Der Ukraine-Feldzug Putins sollte wenigstens die politischen Träumer im Lande auf den Boden der Wirklichkeit zurückbringen. - Frage: Wie
sehen Sie
die Rolle des ukrainischen Botschafters Melnyk, der für einen Diplomaten
eine sehr deutliche Sprache spricht und viele Forderungen stellt?
Aust: Melnyk vertritt die Interessen seines Landes ziemlich forsch. Das ist sein gutes Recht. Dass er sich dabei manchmal im Ton und in der Sache vergreift, gehört nicht zu den schlimmsten Vorkommnissen in diesem Krieg. Er hat seine öffentlichkeitswirksame Rolle gefunden, ob er damit auf Dauer die Sympathie und Solidarität mit der Ukraine fördert, wird sich herausstellen.
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