Wenn es ein
Kriterium gibt, an dem sich das Regierungshandeln in dieser
außergewöhnlichen Lage messen lassen muss, ist es die Effizienz der
geplanten wie auch der schon in Gesetze gegossenen Maßnahmen. Dafür
öffnet sich nach dem Karlsruher Urteil der Debattenraum.
Solange Geld keine Rolle zu spielen schien, war Klimaschutz um jeden
Preis ein Totschlagargument. Angesichts der dramatisch veränderten
Situation aber rückt – Dobrindt hat da einen Punkt – vor allem ein
Projekt zurück in den Fokus, über das sich die Republik zehn Monate lang
zerstritten hatte, ehe es nach zahlreichen Volten durch den Bundestag
gedrückt wurde: die Novelle des Gebäude-Energie-Gesetzes, dessen Kern
für viele Eigentümer bedeutet, nach einer möglichen Heizungshavarie nur
noch mit einer Wärmepumpe heizen zu dürfen. Denn auch die gerade
beschlossene neue Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) mit den neuen
Fördersätzen für den Heizungstausch steht jetzt im Feuer.
Das Projekt stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Der Entwurf, der Ende Februar vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangte, trug erkennbar die Handschrift des später geschassten Staatssekretärs Patrick Graichen. Die Kernidee des Gesetzes ließ sich dabei schon in Studien nachlesen, die Graichens vorheriger Arbeitgeber Agora Energiewende im Jahr 2017 veröffentlichte.
Wie stark bei diesem Konzept die Ideologie von der allein auf vermeintlich grünem Strom basierenden Energiewende die Notwendigkeit überlagerte, eine mit allen anderen Gewerken vernetzte Wärmewende zu planen, zeigt sich an einer einzigen Tatsache: Auf die naheliegende Idee, dem Inkrafttreten des Heizungsgesetzes eine kommunale Wärmeplanung voranzustellen, kam die FDP binnen weniger Tage. Freilich müssen sich auch die Liberalen vorhalten lassen, die Brisanz des Themas, das sich implizit bereits aus dem Koalitionsvertrag ableiten ließ, viel zu spät identifiziert zu haben.
Der nächste Lapsus in der Causa GEG war das kleinlaute Eingeständnis von rot-grüner Seite, die soziale Flankierung der Pläne vernachlässigt zu haben. Welche Vorstellung hatte man denn bei SPD und Grünen, was eine Wärmepumpe kostet? Welche Ahnung davon, mit welch enormem Aufwand ein Großteil des deutschen Gebäudebestands – zwei Drittel davon sind älter als 1979 – in Zeiten von Bauflation und Handwerkermangel ertüchtigt werden muss, damit eine Wärmepumpe so effizient arbeitet, dass die Eigentümer nicht von den Stromkosten erschlagen werden?
Ein in aller Eile von den Grünen erstelltes Papier
war dann die Basis für die Fördersätze, die mit Inkrafttreten des
Gesetzes Betroffenen die Wärmepumpe mit vielen Milliarden Euro
Steuergeld schmackhaft machen sollten.
Der verkorkste Gesetzgebungsprozess schadete vor allem dem Klima. Denn nun rissen, die Fristen des neuen Gesetzes vor Augen, Gas- und Ölheizungsnutzer auch funktionierende Geräte aus ihren Kellern und lösten mit dem Austausch einen Run auf neue fossile Heizungen aus.
Gleichzeitig setzte der Attentismus bei jenen ein, die mit der Wärmepumpe liebäugelten, dafür aber verständlicherweise die Fördergelder mitnehmen wollten. So brachen auch die Förderanträge für die Wärmepumpe ein – was wiederum dafür sorgte, dass Hersteller Kurzarbeit einführen mussten.
Schon niederschwellige Maßnahmen helfen
Das Urteil aus Karlsruhe bringt eine Frage mit Macht wieder auf die Tagesordnung, die im gesamten Jahr 2023 viel zu selten gestellt wurde: die nach der Verhältnismäßigkeit der Gesetzesnovelle. Es sei dahingestellt, ob es auf die Nachkommastelle stimmt, dass die Volksrepublik China an einem Tag die Menge CO₂ ausstößt, die das Heizungsgesetz in sechs Jahren einsparen soll.
Grotesk ist das Verhältnis von Aufwand, der selbst laut Wirtschaftsminister Robert Habeck bis 2045 bei durchschnittlich sechs Milliarden Euro pro Jahr liegen soll, zum Ertrag für den globalen Klimaschutz allemal.
Natürlich
ist der Weg richtig, die Emissionen aus dem Gebäudebereich zu
reduzieren. Doch der vergangene Winter hat gezeigt, was sich an Energie –
und damit Emissionen – einsparen lässt, wenn die Verbraucher allein
schon ihr Augenmerk darauf richten (müssen). Wenn sie bewusster heizen,
duschen, erstmals im Leben in die Tiefen von Vorlauftemperatur und
Heizkurve eintauchen, Fensterdichtungen erneuern und die Zwischendecken
dämmen.
Allein mit diesen niedrigschwelligen Maßnahmen kommt Deutschland seinem Ziel schon näher. Und darauf kann man einen Emissionshandel aufsetzen, der die Verbraucher von allein zum Umdenken bewegt und sie – mit der dafür nötigen Zeit – die für sie am besten geeignete Lösung suchen lässt. Zwang braucht es dafür nicht.
Mit den neuen Fakten zur Haushaltslage und der Erkenntnis, dass Mittel nicht nur begrenzt, sondern schlicht nicht vorhanden sein können, eröffnet sich die Chance, das ganze Vorhaben noch einmal zu hinterfragen. Das würde nicht nur das Land in einer gesellschaftspolitisch hochnervösen Situation ein Stück weit befrieden.
Es wäre auch ein Gewinn für die Demokratie: Der Anstieg der Umfragewerte für die AfD korreliert nicht ausschließlich, aber auch mit der Debatte um das Heizungsgesetz in diesem Jahr. Und im nächsten Jahr sind drei Landtagswahlen im Osten und die Europawahl.
Machen
wir uns nichts vor: An dieser Frage hängt das Fortbestehen der gesamten
Koalition. Es ist aber wahrlich nicht die einzige. Und wenn es nach
Kassenlage, Vernunft und gesundem Menschenverstand ginge, bliebe jetzt
nur ein Schritt: ein Stopp des Heizungsgesetzes.
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