Nun aber – in diesem historischen Augenblick – könnte die Augstein-Regel wieder Geltung erlangen. Indem formuliert wird, worum es geht, oder eben: was ist. Man kann sich in Erfüllung dieser Aufgabe auch der Form des Zitats bedienen. Wie beispielsweise aus dem Berliner Tagesspiegel, der auf Seite eins fragt: „Sind die Juden in Deutschland noch sicher?“
Die schrecklichste aller deutschen Fragen
Ist eine schlimmere Frage denkbar – eine schrecklichere deutsche Frage zur schrecklichsten aller deutschen Fragen? Die Antwort gibt das Hauptstadt-Blatt einige Seiten weiter, indem es die Terror-Anhänger beim Namen nennt, die sich in Berlin mit Auftritten gegen Israel inszenieren: Samidoun, Hamas, Rote Hilfe. Man kann diese drei Namen auch gleich übersetzen: muslimische Migranten und Linke.
Ist das eine Erkenntnis? Nein, lediglich das, was bisher nicht beim Namen genannt werden durfte, wenn es um Demokratie, Rassismus und Antisemitismus ging. Der jüdische Rapper Ben Salomo berichtet aus Neukölln, der hauptstädtischen Hamas-Heimat: „Wenn dort demonstriert wurde, dann wurden Fahnen der Hamas, der PFLP und der Hisbollah geschwenkt und Vernichtungsparolen gegen Israel und Juden ausgerufen.“
Hat das in der linksgrün regierten Metropole sonst niemand bemerkt? Toleriert und verharmlost hat man jahrelang, was jetzt plötzlich als verabscheuenswert erklärt wird. Für Bürger wie den Rapper Salomo kommt die Abscheu zu spät, weil die linksgrüne Hamas-Duldung für ihn ganz praktische Folgen hat: „Mir wurde von der Polizei abgeraten, nach Neukölln zu gehen.“
Man geht in Deutschland als Jude besser nicht mehr überallhin. Wieder einmal. Diesmal im Grundgesetz-Deutschland, das seit drei Generationen Demokratie übt.
Das Neukölln-Desaster überall im Land lässt sich zurückführen auf Angela Merkel, die 2015 mehr als einer Million Demokratie-Fremdlingen die Tore öffnete, sie willkommen hieß, begeistert sekundiert von den Medien, inklusive der Bild-Zeitung, die sich heute als besonders migrationskritisch profiliert. Was konnte man damals anderes erwarten von einer Kanzlerin, deren politische Unbedarftheit Resultat von 30 Jahren DDR-Sozialisation war – von einer Lehrertochter im Fach Demokratie?
Der Flüchtling als Spießgeselle perverser Sehnsuchte
Der deutsche Modeschöpfer Karl Lagerfeld (1933–2019) geißelte die Geschichtsvergessenheit seiner Landsleute in der Asylpolitik mit folgenden Worten: „Selbst wenn Jahrzehnte dazwischenliegen, kann man nicht Millionen Juden töten und später Millionen ihrer schlimmsten Feinde (ins Land) holen.“ Nicht allein Merkel hat nichts verstanden. Auch die linksgrüne Kaste, die Universitäten, Medien, Kultur und NGOs beherrscht, wollte und will nichts verstehen. Sie stilisiert den Schutzsuchenden, den Flüchtling, den Asylbewerber, den Migranten zur Kultfigur ihrer Weltgerechtigkeit. Was auch immer ihn beseelt, ob Verachtung für Frauen und Homosexuelle, ob Israelhass und Antisemitismus – der Flüchtling ist Rousseaus „Edler Wilder“ und damit das romantisierte Objekt patriarchaler Fürsorge postkolonialer Kolonialisten.
Die Hinwendung der staatlich durchsubventionierten Szene zur demokratiefremden Religionskultur des Islam war kein Irrtum. Im Gegenteil: Man suchte gezielt Komplizen für den Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus – gegen den Westen ganz grundsätzlich, im konkreten Fall gegen die USA, diesen großen Satan, der sich in Gestalt des kleinen Satans Israel handlicher bekämpfen ließ.
- BND warnt vor ganz akuten Bedrohungen
- Der Traum von der Zweistaatenlösung ist zuende (Julien Reitzenstein)
- Egal, was Israel tut... (Ingo Way)
Oh ja, Hamas, Hisbollah, Fatah und die Mullahs genießen großen Respekt in den Reihen der grünen und linken Rechten. Auch ließ sich – wie praktisch! – der eigene Antisemitismus an die neuen Judenfeinde delegieren.
Woher das kommt? Der Schweizer Schriftsteller Claude Cueni brachte es auf den historischen Punkt: „In den 1970er-Jahren war es schick, mit dem Schal des damaligen PLO-Terrorchefs Jassir Arafat in die Schule zu gehen, man zitierte aus der roten Mao-Bibel und huldigte Che Guevara, den Stalinverehrer und ,Marlboro-Man‘ der Linken. Man schwärmte für die DDR, die selbst nach dem Olympia-Massaker (1972) auf der Seite der Palästinenser blieb und ihnen weiter schwere Waffen lieferte. Die Liebe zum Totalitären war genauso verbreitet wie die Judenfeindlichkeit. Das war (…) die eingebildete ,Wokeness‘ der Siebziger.“
Westliche Werte unter Raketenbeschuss
Wokeness gestern, Wokeness heute – der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ausnahmsweise schweigt der grünlinke Stammtisch gerade betreten. Aber wie lange? Der globale Kampf gegen die Wertewelt des Westens hat eben erst richtig begonnen. Der Überfall auf die Ukraine war der kriegerische Startschuss, der Überfall auf Israel die kriegerische Fortsetzung.
Die weltpolitischen Akteure dieses Feldzugs: Russland, China, Iran – und Islam. Die zur Religion überhöhte Herrschaftsideologie fühlt sich von nichts so sehr herausgefordert wie von der wissenschaftlich und wirtschaftlich erfolgreichen westlichen Welt – also vom demokratischen Rechtsstaat Israel.
Deshalb soll Israel nicht sein – seit der Gründung vor 75 Jahren steht seine staatliche Existenz unter ständiger Bedrohung, leidet es unter fortwährenden Kriegen, vom Sechstagekrieg 1967 über den Jom-Kippur-Krieg 1973 bis zum Gazakrieg 2008/2009.
Krieg, Krieg, Krieg! Nie Frieden, ständig Gefahr – dem deutschen Bürger wäre das vielleicht näherzubringen durch ein Bild: Man sitzt in Berlin am Pariser Platz, draußen vor dem Hotel Adlon, und genießt den Sonnenuntergang hinter dem Brandenburger Tor – und es schlägt eine Rakete ein! Tel Aviv lebt damit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen