Die Finanzierung von Entwicklungsprojekten in Indien
hat eine lange Tradition. Schon in den 1950er- und 1960er-Jahren
unterstützte die Bundesrepublik das damals bitterarme Land beim Bau von
Industrieanlagen oder Brücken. Seitdem zählt Indien konstant zu den
wichtigsten Empfängerländern. Im Jahr 2020 lag es mit Geldern in Höhe
von knapp 580 Millionen Euro noch auf dem zweiten Rang hinter Syrien.
Seitdem ist die Zusammenarbeit noch einmal deutlich ausgebaut worden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der indische Ministerpräsident Narendra Modi unterzeichneten
im Mai vergangenen Jahres eine „Partnerschaft für grüne und nachhaltige
Entwicklung“, für die Deutschland bis 2030 insgesamt zehn Milliarden
Euro aus verschiedenen Ministerien bereitstellen will. Im Rahmen der
Partnerschaft vereinbarte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) im
November bilaterale Projekte im Umfang von einer Milliarde Euro für
dieses Jahr.
Zählt man die nichtstaatliche Zusammenarbeit hinzu,
etwa über kirchliche Träger oder politische Stiftungen, beläuft sich das
Portfolio des BMZ in Indien auf rund elf Milliarden Euro. Gelder aus
anderen Ministerien wie dem Auswärtigen Amt oder dem
Wirtschaftsministerium kommen noch hinzu. Staatssekretär Jochen
Flasbarth erklärte Indien kürzlich zum „wichtigsten Partner in der
bilateralen Entwicklungszusammenarbeit“.
Laut einem Sprecher des Ministeriums werden die Milliarden
überwiegend als Kredite über die staatliche Förderbank KfW zur Verfügung
gestellt und sollen zu günstigen Konditionen verzinst zurückgezahlt
werden. Zum Vergleich: Dem vom Bürgerkrieg erschütterten Land Syrien hat
das BMZ im vergangenen Jahr rund 115 Millionen Euro zugesagt.
Allerdings
läuft die Zusammenarbeit dort ausschließlich über nichtstaatliche
Träger und wird nicht als Kredit, sondern als Zuschuss gezahlt. Die
Bundesregierung begründet die riesigen Summen für Indien unter anderem
damit, dass in dem Land noch immer die meisten armen Menschen der Welt
leben.
In absoluten Zahlen stimmt das. Anteilsmäßig hat das
bevölkerungsreichste Land der Welt die Armut aber deutlich reduzieren
können – trotz des rasanten Bevölkerungswachstums. Gemessen am Global
Multidimensional Poverty Index der Vereinten Nationen
lag die Quote im Jahr 2005 bei 55 Prozent. Dagegen waren es im Jahr
2021 nur noch 16 Prozent. Insbesondere in den ländlichen Regionen haben
sich die Lebensbedingungen der Menschen der Erhebung zufolge deutlich
verbessert.
Das zweite Ziel der dortigen Entwicklungszusammenarbeit ist laut dem
zuständigen Ministerium der Klima- und Umweltschutz. „Über 90 Prozent
der BMZ-Vorhaben in Indien helfen, Treibhausgasemissionen einzusparen
beziehungsweise unterstützen bei der Anpassung an den Klimawandel und
stärken die Resilienz gegenüber seinen Folgen“, heißt es auf der
Homepage des Ministeriums.
So finanziert Deutschland den Ausbau
erneuerbarer Energien bis 2025 mit einer Milliarde Euro. In eine
„Initiative zu agrarökologischer Landwirtschaft und nachhaltigem
Ressourcenmanagement“ fließen in diesem Zeitraum 300 Millionen Euro.
Weitere Schwerpunkte sind etwa nachhaltige Mobilität und
Stadtentwicklung oder Energieeffizienz.
Pro Kopf nur ein Viertel der Emissionen
Zwar verzeichnete Indien im Jahr 2021 mit 2,7 Milliarden Tonnen CO2
die drittgrößten Emissionen weltweit. Pro Kopf gerechnet liegt das Land
allerdings weit abgeschlagen auf Rang 29, mit einem Viertel der
deutschen Emissionen. Dennoch sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf:
„Die schwierigen Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz haben
deutlich gezeigt, dass wir mit herausgehobenen Partnern wie Indien
konkret vorangehen müssen“, sagte Ministerin Schulze bei den bilateralen
Verhandlungen im November.
Die Kooperation mit Indien ist Teil
einer größeren Strategie des BMZ, mit wirtschaftlich aufstrebenden
Ländern „an der Lösung globaler Zukunftsfragen“ zu arbeiten. Zu den
sogenannten Globalen Partnern gehören neben Indien auch Brasilien,
China, Indonesien, Mexiko, Peru, Südafrika und Vietnam. Zudem verspricht
man sich im BMZ aus der Zusammenarbeit positive Effekte auf
Drittländer, denen über eine Dreieckskooperation Expertise und Geld etwa
für landwirtschaftliche Entwicklung zur Verfügung gestellt wird.
Deutschland ist mit mehr als 150 geförderten Projekten eines der
größten Geberländer für solche Dreier-Partnerschaften. Kritik an diesem
Ansatz kommt etwa von der Welthungerhilfe und dem Kinderhilfswerk Terres
des hommes. In einer gemeinsam herausgegebenen Analyse fordern sie,
dass Deutschland seine Entwicklungszusammenarbeit stärker an menschenrechtlichen Prinzipien ausrichten sollte.
So
bekämen die ärmsten Länder trotz eines Rekordbudgets von mehr als 33
Milliarden Euro im vergangenen Jahr nicht genug Unterstützung von der
Bundesrepublik. Angesichts des für 2024 voraussichtlich deutlich
gekürzten BMZ-Haushalts und den langfristigen Förderzusagen für Indien
dürfte sich das in den nächsten Jahren allerdings kaum ändern.
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