Kein Journalismus, sondern Propaganda
Aus Versehen vor der Kamera
Angeblich geriet sie ganz aus Versehen vor die Kamera ihrer Kollegen, erklärte der WDR-Chefredakteur,
nachdem die Sache aufgeflogen war. „Die Kollegin ist zufällig nach
ihrer Frühschicht in der Umfrage angesprochen worden. Sie hat dem
Reporter, der sie nicht kannte, sinngemäß gesagt: ‚Ich komme gerade vom
WDR-Radio.‘“ Der Reporter habe allerdings verstanden: „Ich habe es im
WDR-Radio mitgekriegt.“
Diese Erklärung wirkt konstruiert und unglaubwürdig. Viel wahrscheinlicher ist, dass das Fernsehteam auf die Schnelle keinen Penny-Kunden fand, der die Preiserhöhungen begrüßt und deshalb eine telegene Kollegin darum bat, die Lücke zu füllen. Mich erinnerte das ein Erlebnis, das schon einige Jahre zurückliegt.
Wütenden Bankkunden gespielt
Als Praktikant in einer SWR-Hörfunkredaktion fragten mich damals Fernsehkollegen, ob ich sie zu einem Dreh in eine Bank begleiten könnte. Dort sollte ich mich vor der Kamera über die hohen Gebühren fürs Geldabheben aufregen. Das fiel mir leicht. Denn die Gebühren fand ich tatsächlich zu hoch. Und was tut man nicht alles, um ins Fernsehen zu kommen?
Der Beitrag wurde in der „Landesschau“ ausgestrahlt, natürlich ohne einen Hinweis, dass der verärgerte Bankkunde ein SWR-Praktikant ist. Aus heutiger Sicht hätte ich damals nicht mitspielen sollen. Denn solche Inszenierungen sind ein klarer Verstoß gegen journalistische Standards, auch wenn ich meine tatsächliche Meinung vertreten habe.
Vermutlich kauft sie keine Penny-Würstchen
Vermutlich gilt das für die WDR-Kollegin genauso. Dass
Penny-Würstchen teurer werden, findet sie wahrscheinlich wirklich gut.
Denn wahrscheinlich kauft sie selbst keine und will Penny-Kunden, die
Würstchen kaufen, zum Nachdenken anregen. Und damit kommen wir zum
eigentlichen Kern des Problems.
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Fingierte Umfragen sind das eine. Deren inhaltliche Stoßrichtung ist das andere. Die Frage lautet: Weshalb kommt ein Discounter wie Penny (Rewe-Gruppe), der sein Billigimage jahrzehntelang gepflegt hat, weil er davon lebt, preisbewusste Kunden anzulocken, auf die Idee, mit Preiserhöhungen zu werben? Und das auch noch mitten in einer Phase hoher Inflation und wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit.
Grüne Ideen kommen in den Redaktionen gut an
Weil man bei Penny darauf gesetzt hat, dass in den Redaktionen der großen deutschen Medien grüne Ideen gut ankommen und darüber wohlwollend berichtet wird. Hat ja auch bestens geklappt. Welche Werbeaktion eines Einzelhändlers schafft es sonst in die Hauptnachrichtensendung der ARD, in das Flaggschiff der öffentlich-rechtlichen Informationskompetenz?
Und wie gut, dass die WDR-Journalisten in dem Beitrag für die notwendige „Ausgewogenheit“ gesorgt haben. Denn eine Umfrage, die aufzeigt, dass Kunden, die auf Penny-Preise angewiesen sind, sich nicht über die „wahren Preise“ freuen, wäre für Penny ein Eigentor gewesen. So wurde es allerdings auch zu einem. Und zwar für Penny und die ARD.
Wirklichkeitsverzerrende Berichterstattung
Der Fall steht damit fast sinnbildlich für die tiefe Glaubwürdigkeitskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seine einseitige, wirklichkeitsverzerrende Berichterstattung über die Flüchtlingskrise ab 2015 und über die Corona-Pandemie haben viele Bürger am Sinn des aufgeblähten und in die Jahre gekommenen Systems zweifeln lassen.
Nun erleben sie, wie sie tagtäglich auf allen Kanälen eingebläut bekommen, dass sie weniger Fleisch essen, fliegen und Autofahren sollen, um den drohenden Weltuntergang aufzuhalten. Die WDR-Mitarbeiterin, die bei Penny zum Nachdenken über Würstchen anregen will, ist nur eine kleine Facette dieser medialen Dauerberieselung. Das ist.kein Journalismus mehr, das ist Propaganda.
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