Wer sich nur auf
deutschen Nachrichtenportalen informiert, bekommt von dem, was sich in
Frankreichs Städten in der vergangenen Nacht und den beiden
vorangegangenen Nächten ereignete, nichts bis wenig mit. Deutschlands
Journalisten sind zwar sicherlich in ihrer Selbstwahrnehmung so etwas
wie überzeugte Europäer, aber wenn es noch eines Beweises für die
Nichtexistenz einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit (zumindest
in Deutschland) bedurft hätte, so wurde er jetzt erbracht. Während in
Frankreichs Städten laut französischen Presseberichten 249 Polizisten
bei nächtlichen Gewaltexzessen verletzt und 667 Gewalttäter festgenommen
wurden, unzählige Autos brannten, Polizeiwachen angegriffen und
zahlreiche öffentliche Gebäude vandalisiert wurden, ist davon auf den
Websites von Bild und FAZ gar nichts zu lesen. Der Spiegel verharmlost diese Gewaltexzesse in einem kleinen Artikel als „massive Proteste gegen Polizeigewalt“, und die Süddeutschen Zeitung
berichtet unter der Dachzeile „Polizeigewalt in Frankreich“. Die Leser
könnten angesichts dieser und einer anderen SZ-Überschrift („Die Politik
muss ihre Macht über die Polizei zurückgewinnen“) den Eindruck
gewinnen, die französische Polizei versuche gerade, gewaltsam die Macht
zu ergreifen.
Die Erschießung eines 17-Jährigen ohne Führerschein durch einen Polizisten in Nanterre
bei Paris hat verständlicherweise in ganz Frankreich für Entsetzen
gesorgt. Allerdings ist längst offenkundig, dass die landesweiten
Gewaltexzesse in den Einwanderervororten Frankreichs nichts mehr mit
verständlicher Trauer oder Protest gegen die Polizei zu tun haben. Ein
Blick in französische Zeitungen oder die Ansicht einschlägiger
Youtube-Videos genügt, um das zu erkennen. Wie schon bei vergleichbaren
Krawallen im Herbst 2005, als der Tod zweier Jugendlicher mit
Migrationshintergrund den sie verfolgenden Polizisten angelastet wurde,
verloren die Gewalttäter schnell jedes Maß. Es ist offensichtlich:
Frankreichs mehrheitlich von Migranten und deren Nachkommen bewohnte
Vorstädte sind eine Art Pulverfass der Gewaltbereitschaft. Bezeichnend
für diese Form des Massenvandalismus ist, dass sich die Gewalt vor allem
gegen die Einrichtungen und Vertreter der Staatsgewalt richtet
(allerdings gingen auch eine Bankfiliale und zahllose private Autos in
Flammen auf). Einerseits sind das Polizisten, andererseits sind es vor
allem öffentliche Einrichtungen in den Wohngebieten der Randalierer
selbst.
Auch in Deutschlands Städten besteht ein enormes Gewaltpotential
Die Präsidentin der Region Île-de-France (Paris und seine Vororte),
Valérie Pécresse, kündigte eine Soforthilfe in Höhe von 20 Millionen
Euro an, um Bürgermeistern beim Wiederaufbau öffentlicher Einrichtungen
zu helfen, die durch die Unruhen zerstört oder beschädigt wurden. „Es
handelt sich um Schulen, Polizeiwachen, Nebengebäude von Rathäusern,
Sozialzentren, Busse und Straßenbahnen, die angegriffen, zerstört und
geplündert wurden“, sagte sie und prangerte „unerträgliche“ Taten gegen
„öffentliche Dienstleistungen an, die die Bewohner benötigen“. Anders
gesagt: Die Randalierer zerstören vor allem das, was ihren Angehörigen
und auch ihnen selbst eine Teilhabe am öffentlichen Leben und am
französischen Gemeinwesen ermöglicht.
Die deutsche Ignoranz gegenüber diesen erschreckenden Ereignissen,
die in Frankreich seit drei Tagen die öffentliche Aufmerksamkeit
bestimmen und auch die Regierung von Präsident Emmanuel Macron zu großer
Betriebsamkeit zwingen (es wird schon von der Ausrufung eines Notstands
gesprochen, mehrere Städte haben Ausgangssperren verhängt), ist aus
zwei Gründen besonders fatal.
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Erstens, weil zuletzt die Massenschlägereien zwischen
Einwanderer-Clans im Ruhrgebiet und andere Gewaltverbrechen zeigten,
dass auch in Deutschlands Städten ein enormes Gewaltpotential besteht.
Auch die Ablehnung der Institutionen des Staates, in dem sie leben,
dürfte unter vielen Migranten hierzulande nicht viel geringer als in
Frankreich sein. In der bisherigen Geschichte Europas war Frankreich in
kulturellen und soziodemographischen Fragen Deutschland immer nur ein
bisschen voraus. Das scheint auch für die aktuellen Migrations- und
Integrationsprobleme zu gelten.
Zweitens aber ist das Desinteresse der deutschen Öffentlichkeit und
politischen Klasse fatal, weil die Gewaltexzesse in Frankreichs
Einwanderervierteln mit den Verhandlungen auf dem EU-Gipfel über die
Migrationspolitik zusammenfallen, die Frankreichs Präsident Macron
vorzeitig verließ, um an einem Krisengespräch in Paris teilzunehmen.
Einen deutlicheren Hinweis auf die enormen Gefahren einer scheiternden
Einwanderungs- und Integrationspolitik kann es wohl kaum geben.
Orban muss nach Argumenten für seine Ablehnung nicht lange suchen
Die Regierungen Polens und Ungarns, die beim Gipfel in Brüssel den wenige Tage zuvor von den Außenministern ausgehandelten Kompromiss zur zukünftigen gemeinsamen Asylpolitik
blockieren, können die Gewaltnächte in Frankreich als Bestätigung für
ihre Ablehnung der vorgesehenen Verteilung von Asylbewerbern
interpretieren. Was Frankreich in diesen Tagen erlebt, dürfte Ungarns
Ministerpräsident Viktor Orban in seiner Haltung nur bestärken. Er
sprach martialisch von einem „Migrationskrieg“ im Sitzungssaal und
beschrieb die Haltung Ungarns und Polens mit den Worten: „Es war ein
Freiheitskampf, kein Aufstand!“ Die von Ungarn und Polen abgelehnten
Pläne sehen vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr
freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine
Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen.
„Man will Ungarn dazu zwingen, Migranten-Ghettos zu errichten“, sagte
Orban nun in einem Radio-Interview. „Dagegen werde ich mit Händen und
Füßen, mit Zähnen und Klauen ankämpfen.“ Ungarn und Polen, jedenfalls
deren aktuelle, gewählte Regierungen, wollen unter keinen Umständen zu
Einwanderungsländern werden. Angesichts der Gewaltnächte von Frankreich,
aber auch der Clan-Gewalt in Deutschland und den Zuständen in Schweden
und anderen westeuropäischen Einwanderungsländern, müssen sie nach
Argumenten für diese Ablehnung nicht lange suchen.
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