25 April 2024

Der andere Blick Jetzt ist bewiesen, dass der deutsche Atomausstieg Ideologie war (NZZ)

Der andere Blick
Jetzt ist bewiesen, dass der deutsche Atomausstieg Ideologie war (NZZ)
Interner Schriftverkehr belegt: Mitten auf dem Höhepunkt der Energiekrise ignorierten die grünen Ministerien Warnungen ihrer Fachleute. Sie drückten den Atomausstieg durch, koste es, was es wolle. Das Ergebnis ist eine energiepolitische Tragödie.
Morten Freidel, Berlin,
Es war schon auf dem Höhepunkt der Energiekrise bemerkenswert, wie hartnäckig die Grünen an der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke festhielten. Nicht einmal ein geopolitisches Erdbeben der grössten Magnitude konnte sie davon abbringen. Dem Atomausstieg musste sich alles unterordnen, die Energiesicherheit, die Strompreise, sogar das Klima.
Andere Länder entschieden nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, ihre Kernkraftwerke für Jahre laufen zu lassen. In Deutschland brauchte es schon ein Machtwort des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, damit sie für wenige Monate am Netz blieben.
Damals drängte sich der Verdacht auf, dass die Grünen vor allem ideologisch argumentierten. Der letztgültige Beweis dafür aber fehlte. Es fehlte der Nachweis, dass die grün geführten Bundesministerien Fakten wissentlich ignorierten oder in ihrem Sinne umdeuteten. Dieser Beweis scheint heute erbracht.
Wurden Habeck Fakten vorenthalten?

Minuziös haben das Magazin «Cicero» und sein Redaktor Daniel Gräber nachgezeichnet, wie sich das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium intern im Streit über die Laufzeitverlängerung verhielten. Sie haben dafür den internen Schriftverkehr aller Beteiligten vor einem Gericht eingeklagt und anschliessend ausgewertet. Das Ergebnis ist niederschmetternd.

Ranghohe Ministerialbeamte der Grünen ignorierten demgemäss die eigenen Fachleute. In einigen Fällen verdrehten sie ihre Argumente ins genaue Gegenteil. Plötzlich war es aus Sicherheitsgründen nicht mehr vertretbar, die Meiler weiterzubetreiben. Dabei hatten die Fachleute vorher das genaue Gegenteil gesagt. Sie hatten keine Bedenken, Atomkraftwerke noch für Jahre länger am Netz zu lassen. Und in einem Fall sollen die Informationen Bundesminister Habeck nicht einmal erreicht haben. Wenn das stimmt, dann wurden ihm also Fakten vorenthalten.

Man muss sich klarmachen, in welcher Situation sich Deutschland damals befand: Das ganze Land diskutierte darüber, wie sich russisches Gas ersetzen liess. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann empfahl den Bürgern, sich mit dem Lappen zu waschen, statt zu duschen. Angeblich zählte «jede Kilowattstunde» Strom, zumindest wenn es nach Habeck ging. Aber im Ministerium drückten sie zur gleichen Zeit den Atomausstieg durch, koste es, was es wolle, und setzten die Versorgungslage im Land auf Spiel. Das beweist: Es ging sehr wohl um Ideologie.

Genau genommen ist das wenig überraschend. Den wenigsten Deutschen dürfte es bewusst sein, aber das eigentliche Ziel der Energiewende war nie der Klimaschutz. Es ging darum, die Kernenergie loszuwerden. Man muss sich nur die Genese des Begriffs anschauen.

Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde er erstmals durch eine Publikation des Öko-Instituts von 1980, heute eines der mächtigsten grünen Umweltforschungsinstitute im Land. Sie trug den Titel: «Energiewende. Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran». Die Autoren argumentierten, dass Deutschland sich komplett selbst versorgen könnte, und zwar zur Hälfte mit erneuerbaren Energien – und zur anderen Hälfte mit Kohle.

Der Klimaschutz war damals noch kein Thema, auch nicht beim Verzicht auf Erdöl. Die Autoren hatten vielmehr die Sorge, dass irgendwann das Benzin knapp werden könnte. Das Wichtigste aber war ihnen der Atomausstieg. Seitenweise arbeiteten sie sich an der Technologie ab, die sie als teuer und gefährlich erachteten. Es war ihnen nur recht, wenn Deutschland stattdessen heimische Kohle verbrannte.

Das Ergebnis: eine energiepolitische Tragödie

Die gleichen Leute, die sich in den Achtzigerjahren beim Öko-Institut engagiert hatten, gründeten wenig später die grüne Partei. Der Atomausstieg blieb all die Jahre ihr wichtigstes Projekt. Dafür errichteten sie Barrikaden, dafür liessen sie sich von Polizisten niederknüppeln, dafür traten sie später den Marsch durch die Institutionen an.

Heute kann man sagen: Die Vordenker der Energiewende haben ihre Ziele erreicht. Deutschland nutzt Kohle- und Gaskraftwerke, um an bewölkten und windstillen Tagen Strom zu erzeugen. Und die verhassten Atomkraftwerke sind endlich stillgelegt.

Das Ergebnis ist eine energiepolitische Tragödie. Es braucht Jahre, um Atomkraftwerke zu bauen, noch dazu ist es teuer. Deshalb wäre es so wichtig gewesen, möglichst viele von ihnen zu erhalten. Ob das heute noch möglich ist, ist schwer zu sagen. Der Rückbau hat begonnen, in manchen Fällen könnte er unumkehrbar sein. Und ob es in Zukunft einmal möglich sein wird, neue Atomkraftwerke in Deutschland zu bauen, ist mindestens fraglich.

Mahnmale eines Irrweges

Im Februar machte der ehemalige Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König, einen Vorschlag. Der Grüne und überzeugte Kernkraftgegner empfahl in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», Atomkraftwerke zu Denkmälern umzugestalten.

Vordergründig, um die Ingenieure und Arbeiter zu würdigen, die darin arbeiteten. Subkutan aber ging es in dem Text auch darum, die Deutschen an ihren vermeintlichen Irrweg zu erinnern. Die Atomruinen sollten ihnen die vergeblichen Hoffnungen vor Augen führen, die man einst mit dieser Hochtechnologie in Verbindung gebracht hatte.

Nun, Denkmäler sind die Atomkraftwerke geworden. Sie erinnern allerdings an einen ganz anderen Irrweg. Den einer Energieversorgung, die ausschliesslich auf Erneuerbare setzt, und dem ausser Deutschland keine andere Industrienation von Rang folgt. Sie erinnern daran, wer diesen Irrweg zuerst eingeschlagen hat, die Grünen, und wer die Deutschen selbst in der Energiekrise daran hinderte, ihn zu verlassen. Die stillgelegten Atomkraftwerke sind Mahnmale eines grünen Irrweges.

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