Am 30. Juni lebten nach Angaben des
Bundesinnenministeriums 279.098 ausreisepflichtige Personen in
Deutschland. Davon besaßen 224.768 eine Duldung. Die Zahl der
Ausreisepflichtigen sei damit erstmals seit vielen Jahren gesunken,
berichtete Mitte August die „Neue Osnabrücker Zeitung“ unter Berufung
auf eine Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei.
Geduldet
meint, dass diese Menschen eigentlich dazu verpflichtet sind,
Deutschland wieder zu verlassen, aber dies aus tatsächlichen,
rechtlichen, dringenden humanitären oder persönlichen Gründen nicht
können.
Worauf Merz‘ Kritik zielt: Asylbewerber erhalten nach 18 Monaten Aufenthalt sogenannte „Analog-Leistungen“. Das heißt, sie werden bei den Sozialleistungen legal in Deutschland lebenden Menschen gleichgestellt.
Es handelt sich dabei um keine marginale Frage. Derzeit werden hierzulande mehr Asylanträge negativ beschieden als positiv. Abgelehnte Asylbewerber erhalten meist relativ zügig eine Duldung. Wenn die „Analog-Leistungen“ greifen, gelten für sie nahezu alle Leistungen des Sozialgesetzbuches, auf die auch „normale“ Sozialhilfeempfänger ein Anrecht haben.
Neben einer Krankenversicherungskarte mit vollem
Behandlungsanspruch haben sie auch einen Anspruch auf das Bürgergeld.
Das beträgt für Alleinstehende derzeit 502 Euro im Monat, bei einer
vierköpfigen Familie sind es ungefähr 1600 Euro.
Große Unterschiede in EU-Ländern
In den Niederlanden war die soziale Absicherung von abgelehnten Asylbewerbern schon im Jahr 2015 ein brisantes Thema: Die Regierung des langjährigen liberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte hatte dort sogar das Prinzip „Bett, Bad, Brot“ abschaffen wollen.
Es
sieht vor, dass es nach negativem Asylbescheid keine finanziellen
Leistungen mehr gibt, sondern nur noch ein Dach über dem Kopf und
Nahrung. Rutte konnte sich damals nicht durchsetzen. Aber der
niederländische Streit drehte sich darum, ob es eine humanitäre
Grundversorgung geben soll oder nicht – nicht um eine Gleichstellung mit
der einheimischen Bevölkerung.
Eine solche Gleichstellung scheint es derzeit in keinem anderen europäischen Land zu geben, wie aus einer Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zu Asylbewerber-Sozialleistungen in neun Ländern hervorgeht.
In Frankreich
etwa haben Asylbewerber während ihres Verfahrens Anspruch auf eine
bedarfsabhängige Unterstützung namens „Allocation pour Demandeur
d’Asile“ (ADA), nach Anerkennung erhalten sie eine Leistung, die etwa
dem deutschen Bürgergeld entspricht. Im Falle einer Ablehnung aber
entfällt in der Regel der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen und
auch der Zugang zum Gesundheitssystem ist dann versperrt. Eine ärztliche
Behandlung gibt es nur noch im Notfall.
Ähnlich ist die Lage in Griechenland. Dort werden abgelehnte Asylbewerber bis zu ihrer Ausreise untergebracht und erhalten Verpflegung, aber keine Geldleistungen mehr. Medizinisch versorgt werden sie nur in einer lebensbedrohlichen Lage.
In Italien sind die Regelungen im Gesundheitsbereich nicht ganz so strikt. Neben dringenden, auch dauerhaften Behandlungen können abgelehnte Asylbewerber dort auch bestimmte andere Leistungen in Anspruch nehmen. Dazu gehören etwa Impfungen, aber auch die Versorgung bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie die Behandlung Minderjähriger.
Strikte Regelungen in Polen und Ungarn
Differenzierter ist die Lage in Österreich. Theoretisch hat man auch hier nach einem negativen Asylbescheid kein Anrecht mehr auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Allerdings gilt dies nicht, wenn die Abschiebung aufgrund von rechtlichen Hindernissen nicht vorgenommen werden kann. In diesem Fall bleiben die abgelehnten Asylbewerber weiterhin in der sogenannten Grundversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung.
In Polen
wiederum ist das System deutlich strenger, hier werden während des
Asylverfahrens gar keine Hilfen gewährt. Erst nach der Anerkennung als
Flüchtling gibt es Sozialleistungen und Gesundheitsfürsorge. Das
bedeutet natürlich, dass es auch im Falle einer Ablehnung weiterhin
keine Leistungen gibt.
Ähnlich strikt ist die Regelung in Ungarn. Auch hier gibt es für Asylbewerber keine Beihilfen während der Antragsprüfung, auch bei einer Anerkennung wird nur ein Taschengeld von 60 Euro gezahlt. Im Falle einer Ablehnung wird nur eine Übernachtungsmöglichkeit in speziellen Einrichtungen angeboten.
Schweden
hatte sehr lange eines der großzügigsten Asylsysteme der Welt. In der
Folge der Flüchtlingskrise von 2015 steuerte das Land aber sukzessive um
und senkte die Standards an vielen Stellen. Trotzdem gibt es dort
anders als in den osteuropäischen Ländern auch während der Prüfung des
Asylantrags ein Tagegeld. Sobald der Asylantrag abgelehnt wird, fällt
diese finanzielle Unterstützung allerdings weg. Es gibt jedoch
Ausnahmen, etwa wenn Kinder im Haushalt leben.
Ein Land, dessen Regelungen in die Nähe der deutschen Situation kommen, ist Norwegen. Wer das skandinavische Land nach einem negativen Asylbescheid nicht verlässt und in einem staatlichen Aufnahmezentrum lebt, bekommt dort weiterhin zusätzlich auch finanzielle Hilfen.
Sie belaufen sich auf umgerechnet gut 570 Euro pro Monat, für Kinder gibt es zusätzlich zwischen 400 Euro und 700 Euro, wie die Nachrichtenagentur AFP
unter Berufung auf die Einwanderungsbehörde UDI berichtet. Aber auch
das Land im Norden hat keine Regelung, die vergleichbar ist mit dem
deutschen System der „Analog-Leistungen“.
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