, Chefökonomin, 03.09.2023
Ob Spahns Rechnung auf den Euro genau stimmt, ist nebensächlich. Seine
Beschreibung einer fatalen Entwicklung ist zutreffend: In jedem Fall
gilt das Lohnabstandsgebot, das eine ausreichende Differenz zwischen
Erwerbslohn und Transferleistung fordert, im deutschen Wohlfahrtsstaat
schon jetzt nicht mehr viel.
Vor allem für Alleinerziehende und Geringqualifizierte mit mehreren Kindern lohnt es sich häufig nicht, eine Arbeit anzunehmen. Denn wer mehr als einer kleinen Teilzeitbeschäftigung nachgeht, verliert oft seine Ansprüche auf Sozialleistungen. Erwerbstätige Bürgergeldbezieher verdienen sich deshalb meist lediglich ein Taschengeld hinzu.
Zwar wurden die Hinzuverdienstgrenzen mit der Umwandlung von Hartz IV ins Bürgergeld seit Jahresbeginn etwas entschärft. Doch die Grundproblematik bleibt: Der Wechsel vom Empfänger auf die Seite der Finanziers des Sozialstaats ist unattraktiv. Und je großzügiger die Grundsicherung ist, umso stärker wirkt der negative Anreiz. Hier liegt die Ursache für die zunehmend absurde Situation auf dem Arbeitsmarkt: Während mehr als zwei Millionen Erwerbsfähige vom Bürgergeld leben, finden immer mehr Unternehmen selbst für einfache Tätigkeiten etwa in Hotels, Gaststätten oder im Einzelhandel kein Personal.
Wenn die Politik nicht umsteuert, schlittert das Land in eine veritable Beschäftigungskrise. Aus demografischen Gründen sinkt in den kommenden Jahren der Anteil der Erwerbstätigen in der Gesellschaft stetig. Die Aktiven müssen in der Folge immer größere Abgabenlasten schultern. Auch dieser Trend setzt einen negativen Arbeitsanreiz.
Die Flucht in
die soziale Hängematte wird umso attraktiver, je weniger sich Leistung
lohnt – und je sorgenfreier das Leben ohne Arbeit ist. Ein gespaltener
Arbeitsmarkt mit Fachkräftemangel und millionenfacher Arbeitslosigkeit
wäre nicht nur in ökonomischer Hinsicht das Worst-Case-Szenario.
Neben der Demografie stellt die Masseneinwanderung eine große Herausforderung für das Sozialsystem dar. In den vergangenen zehn Jahren kam der Großteil der Migranten als Flüchtlinge und Asylbewerber zu uns. Die Integration in den Arbeitsmarkt ist mühsamer als bei anderen Migrantengruppen. So ist die Mehrheit der 2015 nach Deutschland gekommenen Syrer weiterhin auf die Grundsicherung angewiesen. Experten verweisen auf fehlende Deutschkenntnisse, mangelnde Qualifikationen, bürokratische Hemmnisse und die geringe Frauenerwerbsquote.
Aber auch der Wohlfahrtsstaat wirkt sich aus, er dämpft die Eigeninitiative. Wenn in einem Haushalt mehrere Kinder leben, die Mutter sich um die Betreuung kümmert und der Vater nur einen gering entlohnten Helferjob hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Familie dauerhaft auf Sozialtransfers angewiesen bleibt.
Rot-Grün nährt die Illusion, dass sich Deutschland trotz seiner weiter offenen Grenzen mehr Großzügigkeit beim Bürgergeld leisten kann. Dabei gilt das, was hierzulande als Existenzminimum definiert ist, in vielen Teilen der Welt als Reichtum.
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